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Künstliche Intelligenz hilft dabei, das Risiko neurodegenerativer Erkrankungen nach Corona-Infektionen abzuschätzen

Fraunhofer SCAI leitet das Konsortium des von der Europäischen Kommission geförderten Projekts COMMUTE. Vier Jahre lang arbeiten führende Fachleute aus verschiedenen Disziplinen daran, naheliegende Zusammenhänge zwischen COVID-19 und neurodegenerativen Erkrankungen zu erforschen. Ein zu entwickelndes KI-gestütztes Empfehlungssystem soll Erkrankten eine individuelle Risikoabschätzung ermöglichen.

SANKT AUGUSTIN. Erhöht eine Infektion mit SARS-CoV-2 das Risiko, um an Demenz zu erkranken? Dieser Frage widmen sich führende europäische Fachleute in den Disziplinen Medizin, Zellbiologie, Datenwissenschaft und Künstliche Intelligenz sowie Ethik, Recht und Patientenbeteiligung im EU-Projekt COMMUTE. Die Abkürzung steht für »COMmorbidity Mechanisms UTilized in HealthcarE« und gibt die Richtung der Forschungsarbeiten vor. Es geht darum, Mechanismen zu ergründen, die ursächlich für neurodegenerative Erkrankungen wie der Alzheimer- und Parkinson-Krankheit als Folge von Corona-Infektionen sind.

»Zahlreiche Indizien sprechen dafür, dass eine SARS-CoV-2-Erkrankung bei einigen Patienten eine Neuroinflammation auslöst. Parkinson-ähnliche Symptome als direkte Auswirkung der Infektion wurden bereits früh in der Pandemie gemeldet. Diese Beobachtungen veranlassen uns, den Zusammenhang zwischen COVID-19 und Neurodegeneration systematisch zu untersuchen«, sagt Prof. Dr. Martin Hofmann Apitius. Der Leiter des Geschäftsfelds Bioinformatik am Fraunhofer-Institut für Algorithmen und Wissenschaftliches Rechnen SCAI ist Koordinator des europäischen Projektkonsortiums.

Seit dem Abklingen der COVID-Pandemie wächst die Zahl der Evidenzen, die für einen kausalen Zusammenhang zwischen Virusinfektion in der Pandemie und der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen sprechen. Die Aufklärung von Mechanismen der möglichen Komorbidität von COVID und Alzheimer bzw. Parkinson, so Hofmann-Apitius, sei daher von entscheidender Bedeutung, um gefährdete Gruppen zu identifizieren und neue Präventionsansätze zu entwickeln.

Um die Zusammenhänge von Corona-Infektion und neurodegenerativen Erkrankungen zu untersuchen, verfolgen die Forscherinnen und Forscher zwei sich ergänzende Ansätze:

1. einen hypothesenfreien, datengesteuerten Ansatz. Hierbei werden vorhandene Patientendaten mit Methoden der Künstlichen Intelligenz untersucht, um herauszufinden, ob Ansteckungen mit SARS-CoV-2 zu einem erhöhten Risiko zur Ausbildung neurodegenerativer Erkrankungen, insbesondere von Alzheimer und Parkinson, in der Bevölkerung führen.

2. einen hypothesengesteuerten, wissensbasierten Ansatz. Im Projekt wird dazu das umfangreiche, publizierte Wissen aus der wissenschaftlichen Literatur extrahiert und in eine für Algorithmen nutzbare Form (als so-genannter „Knowledge Graph“) abgespeichert. Mit Hilfe moderner Verfahren der Künstlichen Intelligenz (KI) lassen sich dann eine große Zahl von Krankheits-Hypothesen systematisch durchtesten. Dies geschieht unter anderem auch in zellulären Textsystemen, die aus Stammzellen Gehirnorganoide ableiten, die wiederum für das Testen von Hypothesen genutzt werden können.

Beide Ansätze sollen zu einem intensiven Austausch zwischen computergestützten und experimentellen Methoden der Biologie anregen. Ein Aspekt dabei ist auch, ob man Medikamente, die bei der Therapie anderer Erkrankungen zum Einsatz kommen, zur Behandlung von durch SARS-CoV-2-Infektionen ausgelöste neurodegenerative Erkrankungen einsetzen kann. Dazu möchte man mit den Fachleuten aus dem EU-Projekt REMEDI4ALL zusammenarbeiten, die die Umnutzung von Arzneimitteln untersuchen.

Die im Verlauf des Projekts gewonnenen Erkenntnisse dienen schließlich als Grundlage dafür, personalisierte Gesundheitsanwendungen zu entwickeln. Ein Beispiel dafür ist ein Empfehlungssystem für Patienten. Es soll mit Methoden der Künstlichen Intelligenz eine individuelle Abschätzung des Risikos ermöglichen, beispielsweise an Alzheimer oder Parkinson zu erkranken.

Da die Prognose eines erhöhten Krankheitsrisikos für Patienten weitreichende Konsequenzen haben kann, adressiert das Projekt auch ethische und rechtliche Fragen. Zur Bearbeitung dieses Aspekts werden daher Vertreter von Patientenorganisationen mit in das Forschungsvorhaben einbezogen.

Die Europäische Kommission fördert das Projekt COMMUTE mit 7,3 Millionen Euro von Dezember 2023 bis November 2027. Am 14. und 15. Dezember veranstaltete Fraunhofer-Institut SCAI das erste Treffen des Projektkonsortiums im Bonn-Aachen International Center for Information Technology (b-it) in Bonn.

Projektkoordinator: Prof. Dr. Martin Hofmann-Apitius, Fraunhofer SCAI

Weitere Informationen:

https://www.commute-project.eu