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Neue Studie findet extrem hohe Nikotindosen in tabakfreien Nikotinbeuteln

Tabakrauchen ist nach wie vor die führende vermeidbare Todesursache weltweit. Allein in Deutschland sterben jährlich etwa 127.000 Menschen an den Folgen des Tabakkonsums. Die Hauptursache für die Suchterkrankung Tabakabhängigkeit ist dabei der Substanz Nikotin zuzuschreiben. Neuere Konsumformen von Nikotin wie E-Zigaretten, Tabakerhitzer oder tabakfreie Nikotinbeutel (Pouches) überschwemmen zusätzlich den Markt. Forschende des LMU Klinikums haben in Kooperation mit dem Bundesamt für Risikobewertung (BfR) aktuell diese neuen Produkte hinsichtlich ihrer Nikotinabgabe, ihres Suchtpotentials und den Auswirkungen auf den Organismus untersucht.

Nachdem viele Jahre die Raucherquoten in Deutschland kontinuierlich gesunken sind, steigen sie aktuell wieder. Neben den klassischen Zigaretten werden viele neue nikotinhaltige Produkte wie E-Zigaretten, Tabakerhitzer und tabakfreie Nikotinbeutel, sogenannte Pouches, angeboten. Letztere sind als tabakfreie mit Nikotin getränkte Pflanzenfaserbeutel, trotz ihres Verbotes in Deutschland, beim Konsumenten angekommen und sind aufgrund ihrer Applikation (unter der Lippe) unauffällig und überall einsetzbar. Beworben durch soziale Medien finden sie vor allem bei Jugendlichen große Verbreitung.

Ein Forscherteam des LMU Klinikums unter Leitung von Privat-Dozent Dr. Tobias Rüther und Dr. Andrea Rabenstein hat in Zusammenarbeit mit Nadja Mallock und Elke Pieper vom Bundesamt für Risikobewertung (BfR) aktuell eine Studie zu den Auswirkungen von tabakfreien Nikotinbeuteln veröffentlicht: Die Untersuchung zeigt, dass diese neuen, für den oralen Konsum gedachten Produkte, hohe Nikotinmengen abgeben können – bei einigen untersuchten Produkten sogar höhere Dosen als bei Tabakzigaretten.

In vielen europäischen Ländern sind diese Nikotinbeutel bereits legal erhältlich und auch in Deutschland, vor allem bei Jugendlichen, weit verbreitet.

Studienablauf

In einer einarmigen, fünfteiligen, Cross-Over-Studie mit 15 regelmäßigen Zigarettenrauchern wurden tabakfreie Nikotinbeutel verschiedener Marken mit deklarierten Nikotingehalten von sechs, 20 und 30 Milligramm für jeweils 20 Minuten getestet. Vergleichsprodukte waren nikotinfreie Beutel und Tabakzigaretten. Über einen Zeitraum von 240 Minuten wurden zu festgelegten Zeitpunkten die Plasmanikotinkonzentrationen, die Auswirkungen auf das Verlangen nach Zigaretten und Nebenwirkungen bewertet. Zusätzlich wurden kardiovaskuläre Parameter, einschließlich der arteriellen Gefäßsteifigkeit gemessen.

Teils höhere Nikotinaufnahme bei tabakfreien Nikotinbeuteln als bei einer Zigarette

Die Ergebnisse zeigen, dass der Konsum von 30 mg Nikotinbeuteln zu einer höheren Nikotinaufnahme im Vergleich zur Zigarette führte (Cmax: 29,4 vs. 15,2 ng/mL; AUC: 45,7 vs. 22,1 ng/mL × h). Die Nikotinaufnahme in der akuten Phase erfolgte sowohl bei der Verwendung des 30 mg Beutels als auch bei der Zigarette sehr schnell. Die Extraktionsrate des Nikotins variierte zwischen den Beuteln. Alle getesteten Produkte reduzierten das akute Verlangen nach Zigaretten, sogar die nikotinfreien Beutel. Während des Konsums der Zigarette und der Beutel mit 20 und 30 Milligramm Nikotin stieg die Herzfrequenz um etwa 27 bzw. 25 Schläge pro Minute an. Auch die Parameter für die arterielle Gefäßsteifigkeit waren erhöht und alle Beutel führten zu Mundreizungen.

„Wir waren überrascht, dass der Konsum einiger Produkte sogar zu einer höheren Nikotinaufnahme im Vergleich zur Zigarette führte“, betont PD Dr. Rüther, Leiter der Tabakambulanz am LMU Klinikum München. Insgesamt zeigen fast alle untersuchten Produkte eine der Zigarette sehr ähnliche Nikotinanflutung und -abgabe. Von einem hohem Suchtpotenzial der untersuchten Nikotinbeutel muss deshalb ausgegangen werden.

„Wenn man bedenkt, dass wir aus unseren Nachbarländern wie z. B. Österreich hören, dass die dort legal erhältlichen Nikotinbeutel bereits massiv in den Schulen angekommen sind, kann das ein ernsthaftes Problem werden“, befürchtet Suchtforscherin Dr. Andrea Rabenstein von der Tabakambulanz am LMU Klinikum München. „Neben der Entwicklung einer Abhängigkeit von Nikotin ist natürlich dadurch der Einstieg in das Konsumieren weiterer Nikotinprodukte oder Tabakzigaretten stark zu befürchten“, fügt Dr. Rabenstein hinzu.

Publikation:

Small pouches, but high nicotine doses—nicotine delivery and acute effects after use of tobacco-free nicotine pouches
Mallock-Ohnesorg Nadja, Rabenstein Andrea, Stoll Yvonne, Gertzen Marcus, Rieder Benedikt, Malke Sebastian, Burgmann Nestor, Laux Peter, Pieper Elke, Schulz Thomas, Franzen Klaas, Luch Andreas, Rüther Tobias; Frontiers in Pharmacology, Mai 2024
DOI=10.3389/fphar.2024.1392027

Über die Spezialambulanz für Tabakabhängigkeit (Tabakambulanz)

Seit über 15 Jahren werden in der Tabakambulanz am LMU Klinikum circa 600 Raucherinnen und Raucher jährlich erfolgreich behandelt. Neben individuellen Einzeltherapien werden verschiedene Arten von Gruppenkursen und medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten angeboten. Darüber hinaus widmet sich die Arbeitsgruppe Tabakabhängigkeit mit großem Engagement der Erforschung der Therapie der Tabakabhängigkeit sowie neuer Nikotinprodukte. Es bestehen eine breite Expertise und viele wissenschaftliche Publikationen über Tabakrauchen, E-Zigaretten, Tabakerhitzer (z.B. IQOS, Glo), Nikotinbeutel (Pouches) u.v.m.