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Weltblutkrebstag: Leukämie-Forschung an der der Universitätsmedizin Mainz begründet klinische Prüfung einer neuen Klasse von Krebsmedikamenten

Menin-Inhibitoren erweisen sich zunehmend als vielversprechende neue Therapieoption bei der Akuten Myeloischen Leukämie (AML)

(Mainz) Seit ein Mainzer Forschungsteam 2016 in der renommierten Fachzeitschrift „Cancer Discovery“ erstmals von einem neuen Ansatzpunkt für eine zielgerichtete AML Therapie berichtete, hat sich daraus eine echte Erfolgsgeschichte entwickelt. Die so genannten Menin-Inhibitoren haben sich seitdem in ersten klinischen Studien als äußerst wirksam erwiesen. Inzwischen prüfen weiterführende Studienkonzepte weltweit, inwieweit eine Kombination der neuen Menin-Inhibitoren mit etablierten Standardmedikamenten deren Effizienz noch weiter verbessern kann. Dahinter steht die Erkenntnis, dass sich durch eine Kombination von Medikamenten die äußerst aggressive AML wesentlich besser eindämmen lässt, als wenn die Medikamente einzeln verabreicht werden. Eine solche Studieninitiative ist aktuell auch unter federführender Beteiligung der III. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz in Vorbereitung. Insgesamt sollen mehr als 100 akademische Studienzentren daran teilnehmen. Auf die große Bedeutung solcher Studien, die rein aus der akademischen Forschung heraus initiiert werden, weisen die Wissenschaftler:innen um Univ.-Prof. Dr. Michael Kühn, Leitender Oberarzt an der III. Medizinischen Klinik der Universitätsmedizin Mainz, anlässlich des Weltblutkrebstages am heutigen 28. Mai hin.

Die Akute Myeloische Leukämie (AML) ist eine Form der auch als Blutkrebs bezeichneten Leukämien. Bei der AML handelt es ich um eine aggressiv verlaufende Erkrankung der blutbildenden Zellen, die ohne Behandlung nahezu immer zum Tode der betroffenen Patient:innen führt. Seit den 70er Jahren ist die Chemotherapie die Standard-Behandlungsmethode, seitdem hat sich die Gabe einer Kombination aus verschiedenen Chemotherapeutika etabliert. In Abhängigkeit vom genetischen Subtyp und Alter kann so jedoch nur etwa die Hälfte der AML-Patient:innen geheilt werden.

Als es 2008 erstmals gelang, das Genom von AML-Patient:innen zu sequenzieren, ging damit die Erkenntnis einher, dass immer mindestens zwei molekulare Mechanismen an der Entstehung der AML beteiligt sind. Aktuelle Forschungsanstrengungen zielen seitdem insbesondere darauf ab, die zugrundeliegenden Mutationen und die entsprechenden krankmachenden Vorgänge als neue therapeutische Ziele zu identifizieren und anschließend passende Medikamente zu entwickeln bzw. Medikamentenkombinationen zu finden, die an diesen Stellen ansetzen.

So sollen zielgerichtete und damit effizientere und weniger toxische Therapien etabliert werden, was insbesondere für ältere Patient:innen wichtig ist – für die eine intensive Chemotherapie aufgrund der großen Belastungen für den Körper nicht mehr in Frage kommt.

Mainzer Leukämieforschung begründet Einführung der Menin-Inhibitoren in die klinische Prüfung

„Im Jahr 2016 konnten wir erstmals zeigen, dass das Protein Menin ein neues therapeutisches Ziel bei der häufigsten Form der AML ist. Diese Entdeckung haben wir damals in der renommierten Fachzeitschrift ‚Cancer Discovery‘ veröffentlicht und seitdem ist daraus eine echte Erfolgsgeschichte geworden“, berichtet Univ.-Prof. Dr. Michal Kühn, Oberarzt und Leiter des Schwerpunktes Akute Leukämien an der III. Medizinischen Klinik. Konkret haben er und sein Forschungsteam herausgefunden, dass eine Wechselwirkung zwischen Menin und einem weiteren Protein eine große Rolle bei der Entstehung dieser häufigsten AML-Form spielt – die krankmachende Mutationen im sogenannten NPM1-Gen aufweist. „Im Experiment haben wir diese Protein-Protein-Interaktion gehemmt, und damit erstaunliche Ergebnisse erzielt: AML-Zellen haben aufgehört sich unkontrolliert zu vermehren und sich stattdessen wieder zu normalen weißen Blutkörperchen entwickelt“, so Michael Kühn. „Mit Menin haben wir damit erstmalig eine molekulare Schwachstelle dieser Leukämieform entdeckt und quasi aus dem Stand sind in der Folge sechs darauf basierende Medikamente entwickelt worden, die nach Tests im Labor in der klinischen Überprüfung im Rahmen von Phase I Studien angekommen sind.“

Unter diesen aussichtsreichen Wirkstoffen ist Revumenib, einer der am weitesten in der klinischen Entwicklung fortgeschrittenen Menin-Inhibitoren seiner Klasse. Er hat sich schon in der alleinigen Therapie bei austherapierten AML-Patiennt:innen in einer Phase II-Studie als sehr wirksam erwiesen – an dieser Studie ist auch die Universitätsmedizin Mainz als eines von wenigen Zentren in Europa beteiligt. „Aktuell wird für diesen Wirkstoff in den USA eine vorläufige Zulassung geprüft. Die Menin-Inhibitoren haben damit insgesamt eine große Euphorie ausgelöst“, freut sich Michael Kühn.

Kombination mit anderen Medikamenten sollen die Effizienz der Menin-Inhibitoren weiter verbessern

In der Folge galt es nun, die Effizienz dieser Inhibitoren weiter zu verbessern – und Medikamente zu finden, die eine synergistische Wirkung zum Menin-Inhibitor zeigen und damit die oben erwähnte Erkenntnis der stets multiplen molekularen AML Ursachen adressiert. So lässt sich durch die Kombination von mehreren neuen Medikamenten die AML wesentlich besser eindämmen, als wenn die Medikamente einzeln verabreicht werden. Vor diesem Hintergrund haben viele Forschungsgruppen weltweit nach geeigneten Medikamentenpartnern gesucht, und auch das Mainzer Forschungsteam hat systematisch zahlreiche Wirkstoffe gescreent. Einige davon sind bereits als Standardtherapie zugelassen, etwa eine Kombination aus Venetoclax und Azazitidin. Deshalb prüfen aktuelle Studienkonzepte momentan solche Kombinationen in verschiedenen Therapielinien – ein vielbeachtetes Thema auf den großen Fachkongressen in diesem Jahr. Auch an der Universitätsmedizin Mainz bereiten die Forscher:innen aktuell eine große Studieninitiative vor. Insgesamt sollen mehr als 100 akademische Studienzentren daran teilnehmen –  die Universitätsmedizin Mainz ist federführend beteiligt.

„Ein Zentrum alleine kann eine derart ambitionierte Studie nicht stemmen, ein solch dickes Brett können wir nur gemeinsam in internationalen Konsortien bohren. Wenn wir auf diese Wiese für bestimmte Medikamenten-Kombinationen jedoch einen zusätzlichen Nutzen nachweisen könnten, wäre das für die Patient:innen ein echter Segen“, ist Michael Kühn überzeugt. Zudem sei besonders, dass es sich bei der „Mainzer“ Initiative um eine rein aus der akademischen Forschung heraus initiierte Studie handele – eine sogenannte Investigator Initiated Trial.

Neben dem Einsatz in klinischen Studien werden Konzepte zur Menin-Inhibition in Mainz weiter intensiv in der Grundlagenforschung verfolgt. „In einem Teilprojekt des Sonderforschungsbereichs 1292: ‚Gezielte Beeinflussung von konvergierenden Mechanismen ineffizienter Immunität bei Tumorerkrankungen und chronischen Infektionen‘ forschen wir daran, Menin-Inhibitoren mit (CAR-basierter) zellulärer Immuntherapie zu kombinieren“, so Michael Kühn. „Die Erfolgsgeschichte der Menin-Inhibitoren geht also weiter, worauf wir in Mainz sehr stolz sein können.“