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Chronische Darmentzündung

Verzögerte Diagnose bei entzündlichen Darmerkrankungen

Original Titel:
Systematic review with meta-analysis: Time to diagnosis and the impact of delayed diagnosis on clinical outcomes in inflammatory bowel disease

Kurz & fundiert

  • Wieviel Zeit vergeht bei chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen (CED) bis zur Diagnose?
  • Welchen Einfluss hat eine verzögerte Diagnose auf den klinischen Verlauf?
  • Systematischer Review mit Metaanalyse aus Großbritannien
  • 101 Studien mit 112 194 Patienten mit CED
  • 3,0 –26,4 Monate bis Morbus Crohn-Diagnose
  • 1,0 – 96,0 Monate bis Colitis ulcerosa-Diagnose
  • Raschere Diagnose in Ländern mit hohem Einkommen
  • Verzögerungsfolgen: Häufiger Strikturen, penetrierende Erkrankung, Darmoperation bei Morbus Crohn, bei Colitis Ulcerosa häufiger Darmoperation

 

DGP Ein aktueller Review-Artikel konnte zeigen, dass entzündliche Darmerkrankungen häufig verzögert diagnostiziert werden. Außerdem berichten die Studienautoren, dass eine verzögerte Diagnose den klinischen Verlauf der Patienten negativ beeinflusst.


Die Diagnose chronisch-entzündlicher Darmerkrankungen (CED) kann sich lange hinziehen. Die Schädigung des Darms kann über längere Zeit subklinisch, also ohne spürbare Symptome, vonstatten gehen. Erste Symptome können schließlich sporadisch auftreten oder mit anderen, häufiger vorkommenden Erkrankungen verwechselt werden. Dies verzögert oft den ersten Arzttermin zur Klärung der gastrointestinalen Symptome weiter. Nach aktuellen Schätzungen haben mehr als 10 % der CED-Patienten bereits 5 Jahre vor ihrer Diagnose erste Symptome. Wie lange es schließlich dauert, bis ab den ersten Symptomen und ab dem ersten Arztbesuch zum Thema Darm die Diagnose CED steht sowie die Auswirkungen einer verzögerten Diagnose auf den klinischen Verlauf einer CED ist bisher allerdings nicht abschließend geklärt. Ein systematischer Überblicksartikel mit Metaanalyse aus Großbritannien hat nun die Zeit bis zur Diagnose sowie die Auswirkungen einer verzögerten Diagnose auf die klinischen Ergebnisse bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa evaluiert.

Systematischer Review über 101 Studien

Für die systematische Recherche ermittelten die Wissenschaftler geeignete Studien aus den Datenbanken EMBASE und Medline von Beginn an bis zum 30. November 2022. Insgesamt 101 Studien mit 112 194 Patienten mit CED (Morbus Crohn: n = 59 359; Colitis ulcerosa: n = 52 835) erfüllten die Einschlusskriterien.

Die mediane Dauer oder Dauer als Interquartilsbereich bis zur Diagnose wurde in 53 Studien berichtet und betrug zwischen 2 und 84 Monaten ab ersten CED-Symptomen. Im Mittel (Median der Mediane) betrug die Zeit bis zur Diagnose 8,0 Monate (Interquartilbereich, IQR: 5,0 – 15,2) bei Morbus Crohn und 3,7 Monate (IQR: 2,0 – 6,7) bei Colitis ulcerosa. In Ländern mit hohem Einkommen erhielten Patienten ihre Diagnose deutlich rascher als in Ländern mit niedrigem Einkommen:

  • Zeit bis Diagnose je nach Erkrankung und Landes-Einkommen:
    • Hohes Einkommen: Morbus Crohn: 6,2 Monate (IQR: 5,0 – 12,3); Colitis ulcerosa: 3,2 Monate (IQR: 2,2–5,3)
    • Niedriges/mittleres Einkommen: Morbus Crohn: 11,7 Monate (IQR: 8,3 – 18,0); Colitis ulcerosa: 7,8 Monate (IQR: 5,2 – 21,8)

Der gepoolte gewichtete Median betrug für die Diagnose Morbus Crohn 7,0 Monate (95 % KI: 3,0 –26,4), für die Diagnose Colitis ulcerosa 4,6 Monate (95 % KI: 1,0 – 96,0). Es konnte somit ab ersten Symptomen bis zu 2 Jahre (Morbus Crohn) bzw. bis zu 8 Jahre (Colitis ulcerosa) bis zur Diagnose dauern, und somit auch bis zum Beginn der korrekten Therapie.

Verzögerte CED-Diagnosen: Bis zu 8 Jahre

In die Metaanalyse zu Auswirkungen diagnostischer Verzögerungen auf die klinischen Ergebnisse bei CED bezogen die Autoren 11 Studien mit 6 164 Patienten (Morbus Crohn: n = 4 858; Colitis ulcerosa: n = 1 306) ein. Bei Morbus Crohn war eine verzögerte Diagnose mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für verschiedene Komplikationen assoziiert:

  • Komplikationsrisiko bei Morbus Crohn aufgrund verzögerter Diagnose
    • Strikturen: Odds Ratio, OR: 1,88; 95 % Konfidenzintervall, KI: 1,35 – 2,62)
    • Penetrierende Erkrankung: OR: 1,64; 95 % KI: 1,21 – 2,20
    • Darmoperation: OR: 2,24; 95 % KI: 1,57 – 3,19

Bei Colitis ulcerosa war eine verzögerte Diagnose mit einer höheren Wahrscheinlichkeit für eine Kolektomie assoziiert (OR: 4,13; 95 % KI: 1,04 – 16,40).

Verzögerte Diagnose begünstigt Fortschreiten der Erkrankung

Verzögerungen der CED-Diagnose um mehrere Monate und Jahre sind demnach häufig und nur zum Teil den oft anfänglich sporadisch auftretenden Symptome und entsprechend spätem Aufsuchen eines Arztes zuzuschreiben. Eine verzögerte Diagnose ist bei Menschen mit Morbus Crohn mit dem Fortschreiten der Erkrankung assoziiert. Zudem erhöht die verzögerte Diagnose bei Morbus Crohn und Colitis ulcerosa die durchschnittliche Zahl notwendiger Darmoperationen. Die Studienautoren halten deshalb Strategien zur Erreichung von frühzeitigeren CED-Diagnosen für dringend erforderlich, beispielsweise der rascheren Überweisung an Spezialisten bei chronischen gastrointestinalen Beschwerden.

 

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