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Pilzinfektion: Ein Protein schwächt die Immunabwehr
Aspergillus fumigatus nutzt Oberflächenprotein seiner Sporen, um das menschliche Immunsystem zu bremsen
Der Schimmelpilz Aspergillus fumigatus produziert auf der Oberfläche seiner Sporen ein Enzym, mit dem er die Immunreaktion des Menschen abmildern kann. Das erleichtert ihm die Ansiedlung im menschlichen Gewebe mit schweren Infektionsverläufen. Ein internationales Forschungsteam veröffentlichte die Ergebnisse jetzt in Nature Microbiology.
Aspergillus fumigatus ist ein weltweit verbreiteter Schimmelpilz. Im Gegensatz zu eng verwandten Arten kann er schwere, oft tödlich verlaufende Infektionen beim Menschen auslösen. Was macht gerade A. fumigatus so gefährlich? Hinweise auf die Ursache fand ein internationales Forschungsteam unter der Leitung von Gustavo Goldman von der Universität São Paulo in Brasilien: Ein spezielles Enzym auf der Oberfläche der Pilzsporen – die Glykosylasparaginase – unterdrückt offenbar die Ausschüttung entzündungsfördernder Stoffe durch Immunzellen und erleichtert dem Erreger damit die ungehinderte Ausbreitung im Gewebe.
„Gustavo Goldmans Gruppe interessierte sich besonders für die Oberflächenproteine auf den Sporen, denn die kommen – meist durch Einatmen – als erste in Kontakt mit dem Immunsystem“, berichtet Olaf Kniemeyer vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI), dem deutschen Partner der Studie. Kniemeyer ist Proteomik-Experte. Mit seinem Team analysiert er die Gesamtheit aller Proteine einer Zelle und ordnet ihnen Funktionen zu. So findet er mögliche Angriffspunkte für neue Wirkstoffe. Außerdem sind die Forschenden aus Jena spezialisiert auf die Phagozytose, ein Abwehrmechanismus, bei dem Immunzellen fremde Eindringlinge auffressen. So konnte das internationale Forschungsteam auch die Interaktion des Pilzes mit Immunzellen studieren.
Ein Enzym stört das Signal
In der aktuellen Studie wandten sie die Methode der Trypsin-Rasur an: Mit Hilfe von Trypsin, einem Protein-spaltenden Enzym, entfernten sie alle Proteine von der Sporenoberfläche und analysierten deren Bruchstücke im Massenspektrometer. Über Datenbankvergleiche konnten sie 62 Proteine identifizieren, die nur auf den Sporen von Aspergillus fumigatus, nicht jedoch auf eng verwandten Arten vorkommen. Einige von ihnen könnten demnach im Infektionsgeschehen eine Rolle spielen. Um dies zu prüfen, erzeugten die Forschenden eine Knockout-Bibliothek mit 42 Mutanten des Schimmelpilzes, bei denen jeweils ein Gen ausgeschaltet war, das für eines dieser Proteine codierte. Die Mutante, der die Glykosylasparaginase fehlte, löste bei Immunzellen eine verstärkte Ausschüttung von Interleukin-1β aus. Interleukine sind hochwirksame Proteine, die in geringsten Mengen Fieber, Entzündungen und eine Reihe weiterer Immunreaktionen auslösen und damit die Abwehr von Krankheitserregern bewirken. Fehlt nun die Glycosylasparaginase auf den Pilzsporen, kann das Immunsystem mehr von diesem Entzündungsstoff freisetzen. Immunzellen werden aktiviert und können den Pilz besser abwehren. Das deutet im Umkehrschluss darauf hin, dass die vom Pilz produzierte Glycosylasparaginase normalerweise dazu beiträgt, die Immunreaktion zu dämpfen. So kann der Pilz den Körper nahezu ungehindert infizieren.
Die Untersuchung im Mausmodell unterstützt diese Hypothese: Bei Mäusen mit einem intakten Immunsystem wurde der Pilz stärker vom Immunsystem angegriffen, wenn ihm zuvor das Gen für die Glycosylasparaginase ausgeschaltet wurde. „Die Glykosylasparaginase auf den Sporen von Aspergillus fumigatus spielt also eine Rolle bei der Auseinandersetzung mit dem Immunsystem. Wie dieser Mechanismus genau funktioniert, können wir jetzt aber noch nicht sagen“, fasst Kniemeyer die Ergebnisse der Studie zusammen.
Die Erkenntnisse können helfen, neue Therapien für Infektionen mit Aspergillus fumigatus zu entwickeln. Das ist dringend erforderlich, da es heute nur wenige wirksame Medikamente zur Bekämpfung von Pilzinfektionen gibt und sich allmählich Resistenzen dagegen verbreiten.
Die Forschungsarbeit ist Zeichen einer gelungenen Kooperation von Instituten und Kliniken mehrerer Länder. Neben den brasilianischen und deutschen Forschenden trugen auch britische und US-amerikanische Kolleg*innen maßgeblich zu den neuen Erkenntnissen bei.
Die deutsche Seite der Studie wurde unter anderem von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) im Sonderforschungsbereich/Transregio 124 FungiNet gefördert.
Beteiligte Institutionen
Universität von São Paulo, Brasilien
National Institute of Science and Technology in Human Pathogenic Fungi, São Paulo, Brasilien
Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut, Jena
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Universität Manchester, Vereinigtes Königreich
Harbor-UCLA Medical Center, Torrance, USA
Universität von Kalifornien, Berkeley, USA
Vanderbilt University, Nashville, USA
David Geffen School of Medicine at UCLA, Los Angeles, USA
Originalpublikation
Pinzan CF, Valero C, de Castro PA, da Silva JL, Earle K, Liu H, Horta MAC, Kniemeyer O, Krüger T, Pschibul A, Cömert DN, Heinekamp T, Brakhage AA, Steenwyk JL, Mead ME, Hermsdorf N, Filler SG, da Rosa-Garzon NG, Delbaje E, Bromley MJ, Cabral H, Diehl C, Angeli CB, Palmisano G, Ibrahim AS, Rinker DC, Sauters TJC, Steffen K, Gumilang A, Rokas A, Gago S, Dos Reis TF, Goldman GH (2024) Aspergillus fumigatus conidial surface-associated proteome reveals factors for fungal evasion and host immunity modulation. Nat Microbiol, https://doi.org/10.1038/s41564-024-01782-y.
Das Leibniz-HKI
Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des Leibniz-HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet entwickelt.
Das Leibniz-HKI verfügt über sieben wissenschaftliche Abteilungen und drei Forschungsgruppen, deren Leiter überwiegend berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut. Gemeinsam mit der Universität Jena betreibt das Leibniz-HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 450 Personen am Leibniz-HKI, davon 150 Promovierende.
Das Leibniz-HKI ist Kernpartner großer Verbundvorhaben wie dem Exzellenzcluster Balance of the Microverse, der Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio), ChemBioSys und PolyTarget, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics, des Leibniz-Zentrums für Photonik in der Infektionsforschung sowie von InfectControl, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Das Leibniz-HKI ist zudem Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.
Die Leibniz-Gemeinschaft
Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 96 eigenständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften.
Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.
Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen knapp 21.000 Personen, darunter fast 12.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei zwei Milliarden Euro.