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Studie zeigt keine negativen Auswirkungen religiösen Trockenfastens auf den Blutzuckerspiegel bei Personen ohne Diabetes

Ein Forscherteam um Prof. Dr. Olga Ramich vom Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) und der Charité-Universitätsmedizin Berlin hat in einer ersten Pilotstudie die Auswirkungen von religiösem Trockenfasten und zeitlich begrenztem Essen auf den Verlauf und die Höhe des Blutzuckerspiegels untersucht. Die Studie ist die erste ihrer Art, bei der eine kontinuierliche Glukosemessung eingesetzt wurde, um diese Fastenmethoden bei einer kleinen Gruppe von Proband*innen ohne Diabetes zu bewerten. Die Ergebnisse wurden im Fachjournal Nutrients veröffentlicht.

Fasten als religiöses Ritual

Intervallfasten hat in den letzten Jahren stark an Popularität gewonnen. Studien haben verschiedene gesundheitliche Vorteile aufgezeigt, darunter auch die Wirksamkeit bei der Gewichtsabnahme. Eine extreme Form des Intervallfastens ist das Trockenfasten, weil hierbei nicht nur auf feste Nahrung, sondern auch auf Flüssigkeit verzichtet wird. Ein Beispiel dafür ist das religiöse Bahá’í-Fasten. Es ähnelt dem Ramadan-Fasten, da es ebenfalls vor Sonnenaufgang startet und nach Sonnenaufgang endet. Die Anhänger der Bahá’í-Religion betrachten das Fasten als eine wichtige spirituelle Pflicht und fasten jedes Jahr im März 19 Tage hintereinander. Das Bahá’í-Fasten wird durchgeführt, wenn die Tage und Nächte ungefähr gleich lang sind. Dies macht es zu einem stabilen Modell für die Erforschung der Auswirkungen von intermittierendem Trockenfasten.

Verbesserter Glukosestoffwechsel

Die zeitlich eingeschränkte Nahrungszufuhr, auch bekannt als Time-Restricted Eating, ist eine weitere Form des Intervallfastens, die in den vergangenen Jahren immer bekannter geworden ist. Sie ist charakterisiert durch ein verkürztes Zeitfenster der Nahrungsaufnahme auf in der Regel weniger als 10 Stunden pro Tag, wobei der Zeitpunkt und die Dauer variieren. Viele Studien zeigen Verbesserungen des Glukosestoffwechsels, wie z. B.

die Verringerung des mittleren 24-Stunden-Glukosespiegels, und eine verbesserte Insulinsensitivität. Es bleibt jedoch unklar, ob das intermittierende religiöse Trockenfasten als eine besondere Form des Intervallfastens vergleichbare Effekte auf den Blutzucker auslösen oder gar negativ wirken kann.

Bekannt ist bisher, dass bei Menschen mit Diabetes, die diese Fastenform praktizieren, ein erhöhtes Risiko für Über- und Unterzuckerungen besteht.

Welche Effekte bei Menschen ohne Diabetes auftreten, wurde bislang nicht erforscht.

Drei Gruppen im Vergleich

Vor diesem Hintergrund hat das Team um Prof. Dr. Olga Ramich untersucht, wie religiöses Fasten die Blutzuckerkontrolle und -variabilität bei Erwachsenen ohne Diabetes beeinflusst und inwiefern sich die Auswirkungen von denen einer zeitlich eingeschränkten Nahrungszufuhr unterscheiden. An der Pilotstudie nahmen 16 gesunde Männer und Frauen zwischen 18 und 69 Jahren teil. Sie wurden in drei Gruppen eingeteilt: Bahá’í-Fasten, Intervallfasten nach der 16:8-Methode oder Kontrollgruppe. Letztere durfte ihrer gewohnten Ernährung ohne zeitliche Einschränkungen nachgehen. Während der initialen Anlaufphase sowie während des 19-tägigen Interventionszeitraums wurden die Blutzuckerwerte der Teilnehmenden mithilfe eines am Oberarm platzierten Glukosesensors kontinuierlich überwacht. Zudem protokollierten die Proband*innen über den gesamtem Zeitraum ihre Ernährung.

Keine negativen Auswirkungen

Bei der Auswertung der Daten stellten die Forschenden fest, dass die Gruppe mit dem Bahá’í-Fasten zwar weniger Kalorien pro Tag konsumiert und Gewicht abgenommen hatte, sich aber keine nachteiligen Auswirkungen auf den 24-Stunden-Blutzuckerwert oder die glykämische Variabilität zeigten. Auc h in der 16:8-Intervallfasten-Gruppe blieb der durchschnittliche Blutzuckerspiegel und die Variabilität während des gesamten Zeitraums unverändert.

„Unsere Ergebnisse deuten darauf hin, dass sowohl religiöses Trockenfasten als auch zeitlich begrenztes Essen sicher in den Lebensstil von Menschen ohne Diabetes integriert werden können, ohne die Stoffwechselgesundheit zu beeinträchtigen“, sagt Prof. Dr. Olga Ramich, Leiterin der Abteilung Molekularer Stoffwechsel und Präzisionsernährung am DIfE. Wenn Menschen mit Diabetes fasten wollen, müssten sie zunächst mit ihrem Arzt sprechen, insbesondere wenn sie Insulin spritzen. Dieser könne helfen, den Behandlungsplan anzupassen, um sicherzustellen, dass das Fasten bedenkenlos durchgeführt werden kann.

Metabolische Flexibilität als Schlüssel zum Erfolg

Die Studie unterstreicht die metabolische Flexibilität von Menschen ohne Diabetes und zeigt, dass sie den Blutzuckerspiegel auch bei erheblichen Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten stabil halten können. Diese Flexibilität ist eine gute Voraussetzung für ein effektives Gewichtsmanagement und verbesserte Ernährungsgewohnheiten. „Trotz der vielversprechenden Ergebnisse sind weitere Studien mit größeren Kohorten erforderlich, um diese Erkenntnisse zu bestätigen und die langfristigen Auswirkungen des Fastens auf die Stoffwechselgesundheit zu untersuchen“, sagt Studienkoordinatorin und Ernährungsberaterin Beeke Peters, die sich die Erstautorenschaft mit Dr. Christina Pappe von der Charité – Universitätsmedizin Berlin teilt.

Hintergrundinformationen

Glykämische Variabilität: Die glykämische Variabilität beschreibt die Schwankungen des Blutzuckerspiegels im Verlauf der Zeit. Sie kann u. a. durch die Ernährung, das Alter und die körperliche Aktivität beeinflusst werden. Durch das kontinuierliche Glukose-Monitoring (CGM) kann die glykämische Variabilität leicht gemessen und Schwankungen im Blutzuckerprofil aufgedeckt werden. Ein idealer durchschnittlicher Blutzuckerwert innerhalb eines Tages stellt keinen Vorteil dar, wenn der Verlauf des Glukosespiegels von Unter- und Überzuckerungen geprägt ist. So orientiert man sich z. B. bei der Blutzuckerkontrolle innerhalb der Diabetestherapie an dem so genannten „Time in Range“-Wert zwischen 70 und 180 mg/dL, in dem sich die Glukosewerte bestenfalls befinden sollten. Im Rahmen einer kontinuierlichen Glukosemessung lassen sich darüber hinaus weitere Metriken bestimmen, mit denen die glykämische Variabilität innerhalb eines Tages und zwischen unterschiedlichen Tagen beschrieben werden kann. Die glykämische Variabilität ist bei Übergewicht und bei Diabetesbetroffenen größer als bei gesunden Erwachsenen.

Publikation

Peters, B.*, Pappe, C. L.*, Koppold, D. A., Schipp, K., Arnrich, B., Michalsen, A., Dommisch, H., Steckhan, N., Pivovarova-Ramich, O.: Twenty-Four Hour Glucose Profiles and Glycemic Variability during Intermittent Religious Dry Fasting and Time-Restricted Eating in Subjects without Diabetes: A Preliminary Study. Nutrients 16(16):2663 (2024). [Open Access]  * geteilte Erstautorenschaft
-> https://doi.org/10.3390/nu16162663

Ähnliche Publikationen

Pappe, C. L., Peters, B., Dommisch, H., Woelber, J. P., Pivovarova-Ramich, O.: Effects of reducing free sugars on 24-hour glucose profiles and glycemic variability in subjects without diabetes. Front. Nutr. 10:1213661 (2023). [Open Access]
-> https://doi.org/10.3389/fnut.2023.1213661

Peters, B., Koppold-Liebscher, D. A., Schuppelius, B., Steckhan, N., Pfeiffer, A. F. H., Kramer, A., Michalsen, A., Pivovarova-Ramich, O.: Effects of Early vs. Late Time-Restricted Eating on Cardiometabolic Health, Inflammation, and Sleep in Overweight and Obese Women: A Study Protocol for the ChronoFast Trial. Front. Nutr. 8:765543 (2021). [Open Access]
-> https://doi.org/10.3389/fnut.2021.765543

Schuppelius, B., Peters, B., Ottawa, A., Pivovarova-Ramich, O.: Time Restricted Eating: A Dietary Strategy to Prevent and Treat Metabolic Disturbances. Front . Endocrinol. 12:683140 (2021). [Open Access]
->https://doi.org/10.3389/fendo.2021.683140

Das Deutsche Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke (DIfE) ist Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft. Es erforscht die Ursachen ernährungsassoziierter Erkrankungen, um neue Strategien für Prävention, Therapie und Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Zu seinen Forschungsschwerpunkten gehören die Ursachen und Folgen des metabolischen Syndroms, einer Kombination aus Adipositas (Fettsucht), Hypertonie (Bluthochdruck), Insulinresistenz und Fettstoffwechselstörung, die Rolle der Ernährung für ein gesundes Altern sowie die biologischen Grundlagen von Nahrungsauswahl und Ernährungsverhalten. Das DIfE ist zudem ein Partner des 2009 vom BMBF geförderten Deutschen Zentrums für Diabetesforschung (DZD).

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> https://www.leibniz-gemeinschaft.de
> https://www.dzd-ev.de