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Frachtgut kleiner Zellbläschen bietet neuen Behandlungsansatz bei Lungenfibrose
Forschungsteam veröffentlicht neue Studie im Fachmagazin JCI Insight
An kleinen, im Labor gezüchteten Versionen der menschlichen Lunge, sogenannten Lungenorganoiden, untersuchte die Arbeitsgruppe von Prof. Mareike Lehmann wodurch kleine Zellbläschen eine Lungenfibrose verschlimmern. Die rote Farbe markiert Epithelzellen, Zellkerne sind blau eingefärbt.
Eine gesunde Lunge kann sich von kleinen Verletzungen etwa durch Viren oder Schadstoffe erholen. Diese Regenerationsfähigkeit ist jedoch bei Patientinnen und Patienten mit einer Lungenfibrose gestört. Ein Forschungsteam der Philipps-Universität Marburg hat nun herausgefunden, dass bei einer Lungenfibrose kleine Zellbläschen ein Protein transportieren, das für die beeinträchtigte Regenerationsfähigkeit der Lunge verantwortlich ist. Das Protein stellt einen möglichen Angriffspunkt für neue Therapien dar und könnte als Biomarker dienen, um eine Lungenfibrose besser zu erkennen.
Die idiopathische Lungenfibrose ist eine bislang unheilbare Lungenerkrankung, die tödlich verläuft. Typische Krankheitsmerkmale sind eine nachlassende Lungenfunktion und eine zunehmende Vernarbung der Lunge durch Bindegewebe. Es ist jedoch noch wenig darüber bekannt, wie genau eine Lungenfibrose entsteht.
Aus ihrer vorherigen Arbeit wussten Prof. Mareike Lehmann und ihr Team an der Philipps-Universität Marburg bereits, dass kleine Zellbläschen, sogenannte extrazelluläre Vesikel, bei Patientinnen und Patienten mit einer Lungenfibrose vermehrt in der Lunge vorkommen. Nun haben sie aufgeschlüsselt, welche Proteine diese Vesikel transportieren und konnten zeigen, dass das Frachtgut der Vesikel Schäden am Lungengewebe verstärkt.
Extrazelluläre Vesikel (EVs) sind kleine Bläschen, die nahezu von jeder Zelle abgegeben und wieder aufgenommen werden können. Sie enthalten Moleküle wie Proteine, Lipide und RNA. Ihre Hauptaufgabe besteht darin, über ihre Inhalte Informationen zwischen Zellen zu transportieren.
Umprogrammierung fördert Vernarbung des Lungengewebes
Zusammen mit Forschenden der Universität Pittsburgh, der Universität von Burgund und des Helmholtz Zentrums München entdeckten die Marburger Wissenschaftler, dass sich der Inhalt der Vesikel von Menschen mit Lungenfibrose deutlich von dem gesunder Personen unterscheidet. Insbesondere ein bestimmtes Protein in den Vesikeln trägt maßgeblich zum Fortschreiten der Lungenerkrankung bei, indem es die Epithelzellen der Lunge umprogrammiert.
Epithelzellen bilden die äußere Schutzschicht der Lungen und stellen eine Art Barriere gegen Umwelteinflüsse dar. Außerdem können die Epithelzellen Ersatzzellen und Lungenbläschengewebe nachbilden, wenn Schäden auftreten. Die Umprogrammierung bewirkt, dass sie diese wichtige Reparaturfunktion nicht mehr ausüben können. Kleine Verletzungen des Epithels können deshalb nicht mehr ausheilen und es kommt zu einem Teufelskreis: Anstelle von funktionellem Ersatz-Lungengewebe bilden nun Bindegewebszellen Bindegewebe, was die Erkrankung weiter verschlimmert.
Seine Ergebnisse konnte das Forschungsteam auf mehreren Ebenen absichern, etwa in Organoid-Modellen, also miniaturisierten, im Labor gezüchteten Versionen der menschlichen Lunge und in Lungengewebe sowie Bindegewebszellen von Patienten, was die medizinische Bedeutung unterstreicht.
Gezielt in den Krankheitsverlauf eingreifen
Fehlte den Vesikeln das Protein, kam es nicht zur Vernarbung der Lunge. Das konnten die Forschenden im Mausmodell nachweisen. Daraus ergibt sich ein neuer Ansatzpunkt für Therapien: „Wenn es gelänge, das Protein zu blockieren, wäre es erstmals möglich, gezielt in den Krankheitsverlauf einzugreifen“, so Lehmann, die auch Mitglied im Deutschen Zentrum für Lungenforschung (DZL) ist. Zurzeit verfügbare Medikamente können die Lungenfibrose nur verlangsamen, aber nicht aufhalten. Hinzu kommt, dass die Erkrankung nur schwer diagnostiziert werden kann. Stellen Ärztinnen und Ärzte einen Abfall der Lungenfunktion fest, müssen bildgebende Verfahren und Gewebeproben die Diagnose absichern. „Das Protein könnte man in Körperflüssigkeiten, etwa bei einer Spülung der Lunge nachweisen, was einen erheblichen Fortschritt darstellen würde“, so die Marburger Lungenforscherin
Neben der gezielten Beeinflussung des Proteins wollen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler als nächstes auch herausfinden, in welchem Stadium der Erkrankung das Protein auftritt und wie es auf die derzeit verfügbaren Medikamente reagiert.
Originalpublikation: Burgy O, Mayr CH, Schenesse D, et al. Fibroblast-derived extracellular vesicles contain SFRP1 and mediate pulmonary fibrosis. JCI Insight. 2024;9(18): e168889. Published 2024 Aug 15. doi: https://doi.org/10.1172/jci.insight.168889