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Proteomik-Weltkongress vom 20. – 24.10.2024 in Dresden

Dresden. Beim weltweit größten Kongress der Proteomik vom 20. bis 24. Oktober in Dresden diskutieren rund 1600 Teilnehmer neueste Erkenntnisse zu den „Spielern des Lebens“. Führende internationale Wissenschaftler tauschen sich interdisziplinär darüber aus, wie Proteine als Bestandteile von Zellen alle Körperfunktionen beeinflussen. Einblicke in das vielfältige Programm und die Frage, wie das junge spannende Forschungsgebiet zur Funktion von Proteinen die molekularen Ursachen für immer mehr Krankheiten offenlegen und inwieweit auch schon Patienten von den neuen Erkenntnissen profitieren, gibt Kongresspräsident und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Proteomforschung e.V. (DGPF) Prof. Dr. Uwe Völker, Greifswald.

Proteomik-Weltkongress in Dresden: 1600 internationale Forscher diskutieren den Einfluss von Proteinen auf alle Körperfunktionen und den Einsatz in Diagnostik und Therapie

Interview mit dem Tagungspräsidenten Prof. Dr. Uwe Völker

Das wissenschaftliche Programm beim HUPO-Weltkongress ist umfassend. Der Fokus liegt auf Anwendungen der Proteomforschung. Was wird diskutiert?
Prof. Völker: Ein Grund dafür, dass die biologische und medizinische Forschung sich mit rasender Geschwindigkeit wesentlich verändert, ist, dass wir mit hochspezialisierten Technologien den Bauplan des Lebens, die Genom-Sequenzen von allen Organismen bestimmen können. Das führt dazu, dass die Genomik Einzug gefunden hat in die Behandlung von Patienten und die biologische Forschung wesentlich beeinflusst. Zum Beispiel bei Krebspatienten wird in vielen Fällen das Genom sequenziert, um herauszufinden, welche genetischen Veränderungen verantwortlich für den Krebs sind. Wie ist der Bauplan eines Menschen? Das sagt aber nicht, wie diese Information wirklich umgesetzt wird. Das hängt ab von Umwelteinflüssen und unserem Verhalten. Die Bestandteile des Lebens, die die ganzen Funktionen ausüben – das sind die Proteine. Die Spieler des Lebens. Wir, die Proteomforscher, beschäftigen uns mit den Komponenten in den Zellen, die Strukturen aufbauen, die Signale empfangen, die den Metabolismus gestalten. Wenn ich weiß, welche Proteine da sind, wie sie modifiziert sind und wie sie interagieren, kann ich Leben viel besser verstehen. Das ist das Grundanliegen der Proteomforschung, mittlerweile schon seit fast 30 Jahren. Mit den hoch entwickelten technischen Möglichkeiten können wir jetzt im Prinzip alle Proteine in den Zellen sichtbar machen. Wie nutzt man das? Wie wendet man so etwas an? Genau diese Fragen werden in Dresden auf dem Kongress diskutiert.

Rund 1600 Wissenschaftler aus der ganzen Welt kommen in Dresden zusammen, um ihre Forschungsergebnisse auszutauschen und zu diskutieren. Was sind die Highlights?
Prof. Völker: Dieser Kongress findet zum ersten Mal seit 20 Jahren in Deutschland statt und ist der größte Kongress weltweit. Wir erwarten in allen Bereichen spannende Präsentation von Spitzenleistungen. Heutzutage können wir die Proteine – und wenn ich sage Proteine, dann meine ich viele Proteine einer Zelle – anschauen. Wir können Einzelzellanalysen durchführen. Das ist ganz wichtig, um zu verstehen, wie biologische Prozesse funktionieren. Wir können jetzt bestimmte Prozesse einzelnen Zellen zuweisen. Das ist ein wichtiges Feld. Ein anderes Feld ist es, besser zu verstehen, was bei Krankheiten nicht richtig läuft. Wir versuchen zu begreifen, wo bei Krankheiten Proteine in größerer und kleinerer Menge sind und welche nicht mehr funktionieren, um Krankheitsmechanismen zu verstehen. Das heißt für uns: bessere Therapieoptionen zu entwickeln.

Das klingt nach hochkomplexen Analysen, ein weites Feld. Wie können wir uns das konkret vorstellen?
Prof. Völker: Wir alle sehen verschieden aus. Jeder von uns hat ein klein wenig anderes Genom, eine andere Proteinausstattung. Deshalb sollte auch jeder individuell behandelt werden. Da kann die Proteinforschung einen wichtigen Beitrag leisten. Spitzenforscher sind heutzutage in der Lage, zum Beispiel bei Krebspatienten innerhalb kurzer Zeit Proteomanalysen durchzuführen und molekulare Muster aufzunehmen. Die werden in großen Datenbanken gespeichert und wir versuchen herauszufinden, welches molekulare Muster mit welchem Krankheitsbild verbunden ist. Zum Beispiel bei dem Modell „molekularer Zwillinge“ wird das molekulare Muster eines Menschen in eine Datenbank aufgenommen. Um eine Krankheit zu verstehen, werden Proteomanalysen mehrerer Patienten verglichen, um zu sehen, ob es schon mal ein solches Muster gab. Ist da schon mal jemand behandelt worden? Hat das Erfolg gehabt? Dann können wir im Prinzip aus dieser Datenbank lernen, individuelle Ansätze verfolgen und auch individuelle Therapien gestalten.

In welchem Bereich werden solche Proteomanalysen schon eingesetzt?
Prof. Völker: Das wird auch schon in Deutschland vorangetrieben. Ganz vorn ist die Krebsforschung. Da man weiß, welches Genom die Krankheit verändert, ist die Frage, welche Proteine denn dann verändert sind? Da können Proteomforscher einen wichtigen Beitrag leisten und zeigen, was der Unterschied von Krebsgewebe zu gesundem Gewebe ist, individuell für jeden Patienten. Und dann mit diesem Wissen in einem Tumorboard klinische Entscheidungen treffen. Das ist das, was momentan Einzug in die klinische Anwendung hält.

Spielt die Proteomik auch schon eine Rolle bei der Behandlung von Krankheiten?
Prof. Völker: So ist es. Proteine sind die Bausteine des Lebens – das sind auch die Zielmoleküle für die Therapie. Wenn wir die Proteine identifizieren, haben wir gleichzeitig Zielmoleküle, wo man eingreifen kann, um Therapieansätze zu entwickeln. Auf dem Gebiet der Proteomforschung sehen wir sehr intensiv nach Biomarkern, um Krankheiten früher zu erkennen. Mit Hilfe von Biomarkern kann man auch sehen, welche Patienten von welcher Therapie profitieren, und kann die Behandlung individuell anpassen. Zum Beispiel beim Prostatakarzinom haben wir jetzt zum ersten Mal eine Biomarkerkombination, die zugelassen wurde von der FDA, der Zulassungsbehörde in USA. Da müssen wir noch besser werden! Viele dieser Marker werden gefunden, es wird publiziert, aber das muss dann auch wissenschaftlich weiterverfolgt werden, um diese Marker in die Anwendung zu bekommen.

Welchen Bereich der Proteomik haben sie noch als Schwerpunkt beim Dresdner Kongress gesetzt? Was sind weitere Ziele, wenn so viele internationale Proteomikforscher zusammenkommen?
Prof. Völker: Vielleicht noch ein anderes wichtiges Feld. Wir Menschen leben nicht isoliert auf der Erde. Deshalb wird auch in der Proteomforschung in Zukunft viel mehr nachgeschaut, wie sich unsere Welt verändert. Wir verfolgen einen One-Health-Ansatz. Zum Beispiel in Deutschland gibt es einen Forschungsansatz, der sich um die Proteome von Nutzpflanzen kümmert, „Proteomes that feed the World“. Auch das wird auf dem Weltkongress diskutiert. Wir wollen uns nicht nur auf das reine Proteom konzentrieren, sondern Lösungsansätze für besseres Verständnis der menschlichen Probleme, bessere Therapieansätze, liefern. Ein wichtiges Ziel ist es, Grundlagenforschung voranzutreiben und beispielsweise auch für die Landwirtschaft, für Nutztiere wichtige Befunde liefern. Wir legen gerade bei diesem Kongress ganz großen Wert darauf, unsere jungen Forscher zu fördern und mit einzubeziehen.

Wir bedanken uns für die spannenden Vorab-Einblicke in den Kongress!

Hintergrund
Kongresspräsident Prof. Dr. Uwe Völker, Leiter der Abteilung Funktionelle Genom-forschung, Universitätsmedizin Greifswald und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Proteomforschung e.V. (DGPF), wird bei der Leitung des Weltkongresses unterstützt von Prof. Ruth Huttenhain, Department Molekulare und Zelluläre Physiologie Stanford Universität, Kalifornien, und Prof. Dr. Bernd Wollscheid, Leiter des Instituts für Trans-lationale Medizin und der Biomedical Proteomics Platform D-HEST an der ETH Zürich.

Alle Informationen sowie das Tagungsprogramm unter: https://2024.hupo.org/