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Hoffnung für Behandlung von Menschen mit schweren Verbrennungen
MHH-Forschende entwickeln innovatives Medikament, um die Abstoßung von Spenderhaut-Transplantaten zu verhindern.
Wenn Menschen schwere Verbrennungen erleiden, besteht nicht nur die Gefahr, dass sich die Wunde infiziert. Der hohe Flüssigkeitsverlust kann auch einen lebensbedrohlichen Kreislaufschock zur Folge haben. Deshalb muss die zerstörte Haut möglichst schnell ersetzt werden. Im Idealfall werden die Wunden mit patienteneigener Haut aus gesunden Körperstellen versorgt, sogenannten Spalthauttransplantaten. Oft reicht das Gewebe jedoch nicht aus, um diese Hautdefekte abzudecken. Auch kann es durch die Entnahme zu weiteren Komplikationen kommen. In diesem Fall greifen die Chirurginnen und Chirurgen auf biologischen und synthetischen Hautersatz zu, der die Wunde zumindest vorübergehend abdeckt. Bisher ist es jedoch nicht gelungen einen vollwertigen Hautersatz herzustellen, der überall einsetzbar ist und keine Abstoßungsreaktionen hervorruft. Das wollen Professor Dr. Peter M. Vogt, Direktor der Klinik für Plastische, Ästhetische, Hand- und Wiederherstellungschirurgie der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), und sein wissenschaftliches Team ändern. Seit 2019 arbeiten die Forschenden daran, ein Transplantat aus menschlicher Spenderhaut so zu verändern, dass die unerwünschte Immunreaktion der Brandverletzten nach der Operation optimal in Schach gehalten wird. Das Projekt „Entwicklung eines US11-Biopharmazeutikums zur lokalen Unterdrückung der Immunantwort nach Transplantation“ wird von der VHV-Stiftung gefördert und erhält nun für weitere drei Jahre eine Anschlussförderung in Höhe von rund 770.000 Euro.
Immunabwehr überlisten
Unser Immunsystem akzeptiert nur unsere eigenen Körperzellen. Alles was „allogen“, also körperfremd ist, wird angegriffen. Das gilt auch für Transplantate wie Gewebe oder Spenderorgane. Die Immunzellen orientieren sich anhand der sogenannten MHC-Proteine auf den Zelloberflächen. Diese sind sozusagen der Personalausweis der Zelle und sind von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Anhand der MHC-Proteine entscheiden die T-Zellen der Immunabwehr, ob sie eingreifen müssen oder nicht. Damit ein Transplantat aus menschlicher Spenderhaut nicht abgestoßen wird, muss die Immunabwehr mit Medikamenten unterdrückt werden. Doch die Hemmung hat einen entscheidenden Nachteil: Krankheitserreger haben leichtes Spiel und Infektionskrankheiten mit schweren Verläufen können die Folge sein. In ihrem Projekt versuchen die Forschenden, die Immunabwehr zu überlisten, ohne die komplette Abwehrkraft des Körpers lahmzulegen.
„Wir haben Gewebeproben aus unserer abteilungseigenen Hautbank so verändert, dass die Hautzellen eine bestimmte Gruppe von MHC-Proteinen namens MHC-I nur noch in geringen Mengen auf ihrer Oberfläche aufweisen“, erklärt Dr. Vesna Bucan, wissenschaftliche Leiterin des Projekts. Das Gewebe stammt von gespendeter „überschüssiger Haut“, die nach Hautstraffungsoperationen in der Klinik anfällt. „Die lebende Spenderhaut wird bei uns aufgearbeitet, mikrobiologisch und virologisch getestet und in einem speziellen Gefrierschutzmedium bei minus 180°C für eine spätere Transplantation aufbewahrt“, sagt die Humanbiologin. In einem ersten Schritt haben die Forschenden mit viralen Vektoren gearbeitet, die als Gentaxis den Bauplan für ein Protein namens US11 in die Zellen des Hauttransplantats transportieren. Das im Zellinneren hergestellte Protein US11 sorgt dafür, dass MHC-I in mehrere Teile geschnitten und entsorgt wird. „Da die meisten MHC-I-Proteine nicht mehr zur Zelloberfläche gelangen, erkennt das Immunsystem die Zelle nicht sofort als fremd und die Immunreaktion ist deutlich schwächer“, stellt Dr. Bucan fest.
Sicher verpackt in die Zielzelle
Im nächsten Schritt will die Arbeitsgruppe US11 nicht mehr per Gentaxi in die Zelle bringen, sondern das Protein direkt verabreichen, um es noch wirkungsvoller zu machen. Damit es auf dem Weg in die Zelle nicht vorzeitig abgebaut wird, soll es in sogenannte Niosomen eingekapselt werden. Das sind mikroskopisch kleine Kügelchen, die den Wirkstoff schützend umhüllen und seinen Transport in die Zielzelle verbessern können. „Diese neuartige und effektive Darreichungsform ist bereits erprobt und zum Beispiel für den Corona-Impfstoff der Firma Biontech zugelassen“, erklärt Professor Vogt. Unterstützung erhält die Arbeitsgruppe dabei vom Institut für Partikeltechnik der Technischen Universität Braunschweig.
Im Mausmodell soll nun untersucht werden, in welcher Dosierung das Medikament am besten wirkt und verträglich ist. US11 wird derzeit noch von Bakterien produziert. Langfristig soll das Protein synthetisch hergestellt werden, um eine gleichbleibende Qualität zu gewährleisten und bakterielle Verunreinigungen auszuschließen. Wenn alles klappt, könnte das Medikament in Zukunft die Abstoßung von Transplantaten aus Spenderhaut unterdrücken, ohne das gesamte Immunsystem zu beeinflussen. „Das würde nicht nur die Arbeit des medizinischen Personals erleichtern, sondern auch die Belastung für die Patientinnen und Patienten deutlich reduzieren“, betont der Klinikdirektor.
Text: Kirsten Pötzke