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Herzinfarkt, Menopause und Co.: Warum Gendermedizin die Zukunft ist
Wie beeinflusst die Gendermedizin die Gesundheitsversorgung von Frauen – und warum ist sie gerade im Hinblick auf die Menopause so essenziell? Michael Leutner von der Medizinischen Universität Wien erklärt, wie hormonelle Veränderungen Frauen anfälliger für schwere Erkrankungen machen und warum geschlechtsspezifische Ansätze in der Diagnostik und Behandlung die Zukunft der Medizin prägen könnten.
Frauen leben länger als Männer – und doch ist ihre Gesundheit oft weniger gut erforscht. „Haupttodesursache Nummer eins sind kardiovaskuläre Erkrankungen, wobei Frauen häufiger daran sterben als Männer“, sagt Michael Leutner. Er ist Facharzt für Innere Medizin in der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel an der MedUni Wien. Besonders die Menopause markiert einen Wendepunkt, erklärt Leutner. Denn: Mit dem Abfall der schützenden Geschlechtshormone steigt das Risiko für Herzinfarkt und andere Herz-Kreislauf-Erkrankungen sprunghaft an.
Ein weiteres Beispiel, das die Bedeutung der Gendermedizin untermauert, ist Diabetes. „Obwohl offiziell mehr Männer betroffen sind, zeigen Frauen oft andere Symptome – was eine Diagnose erschwert“, berichtet Leutner. Während bei Männern erhöhter Nüchternblutzucker oft den Ausschlag gibt, bleibt Diabetes bei Frauen durch unauffällige Tests wie diese häufiger unerkannt. Nur ein aufwendiger Zuckerbelastungstest kann eine gestörte Glukosetoleranz – ein Frühzeichen von Diabetes – bei Frauen sichtbar machen.
Verborgene Warnsignale bei Frauen
Besonders alarmierend: „Frauen mit Diabetes haben ein deutlich höheres Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen als Männer – oft, weil der Schutz der Hormone bereits vor der Menopause wegfällt.“ Auch ein höheres Risiko für Depressionen und Angsterkrankungen wurde bei Diabetikerinnen nachgewiesen.
Sogar die klassische Symptomatik eines Herzinfarkts ist geschlechtsspezifisch geprägt: „Männer klagen häufig über Brustschmerzen oder ausstrahlende Schmerzen im linken Arm“, so der Facharzt. „Bei Frauen hingegen äußert sich ein Herzinfarkt oft durch unspezifische Beschwerden wie Müdigkeit, Rückenschmerzen oder Abgeschlagenheit.“ Werden diese Anzeichen übersehen, verzögert sich die lebensrettende Behandlung.
Ein Hoffnungsschimmer liegt in der Ausbildung der Mediziner:innen. „An der MedUni Wien gibt es mittlerweile Lehrveranstaltungen zur Gendermedizin“, betont Leutner. Das sei essenziell, um das Bewusstsein für geschlechtsspezifische Unterschiede bei Erkrankungen zu schärfen. Auch Fachzeitschriften fordern zunehmend, dass geschlechtsspezifische Analysen in Studien integriert werden.
Die Menopause als medizinische Herausforderung
Die Menopause bleibt dabei ein zentraler Fokus der Gendermedizin. „Sie ist ein unabhängiger Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen“, erläutert der Facharzt. Nach der Menopause steigen Blutdruck und LDL-Cholesterin – beides Risikofaktoren für Herzkrankheiten. Durch gezielte Forschung und personalisierte Behandlungsansätze könnten Frauen nicht nur besser versorgt, sondern auch gravierende Folgen wie Herzinfarkte und Schlaganfälle reduziert werden.
„Gendermedizin ermöglicht es, personalisierter und individualisierter zu behandeln“, sagt Leutner. Sie fördert nicht nur das Verständnis für unterschiedliche Krankheitsverläufe, sondern auch eine gerechtere Verteilung von Lebenschancen.
AUF EINEN BLICK
Michael Leutner studierte Humanmedizin und arbeitet derzeit als Facharzt für Innere Medizin in der Abteilung für Endokrinologie und Stoffwechsel an der Medizinischen Universität Wien.