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Vielversprechende Naturstoffe gegen das Coronavirus

Röntgenscreening identifiziert Substanzen, die ein wichtiges Virusenzym blockieren

Drei Naturstoffe aus Lebensmitteln wie grünem Tee, Olivenöl und Rotwein haben sich als vielversprechende Kandidaten für die Entwicklung von Medikamenten gegen das Coronavirus erwiesen. Die drei Substanzen binden an ein zentrales Enzym des Coronavirus und können damit die Virusvermehrung lahmlegen, wie ein umfassendes Screening einer großen Naturstoff-Bibliothek an DESYs Röntgenquelle PETRA III zeigt. Alle drei Verbindungen werden bereits als Wirkstoffe in bestehenden Medikamenten eingesetzt, wie das Team um Christian Betzel von der Universität Hamburg und Alke Meents von DESY im Fachblatt „Communications Biology“ berichtet. Ob und wann sich nach dem Vorbild dieser Naturstoffe ein Corona-Medikament entwickeln lässt, ist derzeit noch nicht geklärt.

„Wir haben 500 Substanzen aus der Karachi Library of Natural Compounds daraufhin getestet, ob sie an die Papain-like Protease des neuartigen Coronavirus binden, die eines der Hauptziele für ein antivirales Medikament ist“, erläutert die Hauptautorin der Studie, Vasundara Srinivasan von der Universität Hamburg. „Ein Wirkstoff, der sich an der richtigen Stelle an das Enzym bindet, kann dessen Funktion blockieren.“

Die Papain-like Protease (PLpro) ist ein zentrales Enzym für die Virusvermehrung: Wenn das Coronavirus eine Zelle kapert, zwingt es sie, Bausteine für neue Viruspartikel zu produzieren. Diese Proteine werden in Form einer langen Kette hergestellt. PLpro wirkt dann wie eine molekulare Schere und schneidet diese Kette in die einzelnen Proteine auseinander. Wird dieser Prozess blockiert, können sich keine neuen Viruspartikel zusammensetzen.

„PLpro hat aber noch eine andere wichtige Funktion für das Virus“, berichtet Srinivasan. „Es blockiert ein Protein des Immunsystems namens ISG15, und das schwächt die Selbstverteidigung der Zelle erheblich. Können wir PLpro blockieren, können wir auch die Immunantwort der Zelle verstärken.“

Für die Experimente wurde PLpro mit jeder der 500 natürlichen Substanzen in einer Lösung gemischt, so dass diese die Möglichkeit hatten, sich an das Enzym zu binden. Mit einem herkömmlichen Mikroskop lässt sich jedoch nicht feststellen, ob eine Substanz an das Enzym bindet. Stattdessen wurden aus den Mischungen winzige Enzymkristalle gezüchtet. Im hellen Röntgenlicht von PETRA III erzeugen diese Kristalle ein charakteristisches Beugungsmuster, aus dem sich die Struktur des Enzyms bis auf die Ebene einzelner Atome rekonstruieren lässt. „Aus diesen Informationen können wir dreidimensionale Modelle des Enzyms mit atomarer Auflösung erstellen und sehen, ob und wo eine Substanz an das Enzym bindet“, erklärt Meents.

Das Screening an der Messstation P11 von PETRA III zeigte, dass drei sogenannte Phenole tatsächlich an das Enzym binden: Hydroxyethylphenol (YRL), das für die Experimente aus dem Hennastrauch Lawsonia alba isoliert wurde, ist eine Verbindung, die in vielen Lebensmitteln wie Rotwein und Olivenöl vorkommt und als Mittel gegen Herzrhythmusstörungen eingesetzt wird. Hydroxybenzaldehyd (HBA) ist ein bekanntes Antitumormittel und beschleunigt die Wundheilung. Es wurde aus dem Kupferblatt Acalypha torta isoliert. Methyldihydroxybenzoat (HE9), isoliert aus der Studentenblume Tagetes patula, ist ein Antioxidans mit entzündungshemmender Wirkung und kommt in grünem Tee vor.

In den anschließenden Labortests, die von Hévila Brognaro in Betzels Gruppe aufgesetzt und durchgeführt wurden, bremsten die drei Phenole die Aktivität von PLpro in lebenden Zellen um 50 bis 70 Prozent. „Der Vorteil dieser Substanzen ist ihre erwiesene Sicherheit“, sagt Betzel, der auch Mitglied des Exzellenzclusters „CUI: Advanced Imaging of Matter“ ist. „Diese Verbindungen kommen natürlicherweise in vielen Lebensmitteln vor. Grünen Tee zu trinken, wird eine Corona-Infektion allerdings nicht heilen! Genauso wenig wie es Wunden oder Krebs heilen würde. Ob und wie ein Coronamittel auf Grundlage dieser Phenole entwickelt werden kann, wird jetzt weiter untersucht.“

In einem anderen Screening hatte ein Team aus zum großen Teil denselben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern bereits Tausende bestehender Arzneimittel bei PETRA III auf mögliche Hemmstoffe der Hauptprotease (Mpro) des Coronavirus untersucht, die ebenfalls eine molekulare Schere und ein wichtiges potenzielles Arzneimittelziel ist. Das Screening identifizierte mehrere Corona-Wirkstoffkandidaten, von denen die vielversprechendsten die präklinische Testphase erreicht haben. „Die Corona-Initiative von DESY und der Universität Hamburg ist eine der ganz wenigen weltweit, die beide Hauptziele von Covid-19 untersucht hat“, betont Betzel.

An der neuen Studie waren Wissenschaftler der Universität Hamburg, der Universität Sao Paulo in Brasilien, der Diamond Light Source in Großbritannien, des europäischen Röntgenlasers European XFEL, der Bahauddin Zakariya University in Pakistan, des Hospital Israelita Albert Einstein in Brasilien, der Scientific Platform Pasteur in Brasilien, des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie in Hamburg, des Fraunhofer-Instituts für Translationale Medizin und Pharmakologie in Hamburg, des Jozef-Stefan-Instituts in Slowenien, des Centre of Excellence for Integrated Approaches in Chemistry and Biology of Proteins in Slowenien, der Universität Greifswald und von DESY beteiligt.

Eine aufwendige Animation, die DESY in Zusammenarbeit mit dem preisgekrönten Science Communication Lab erstellt hat, erläutert das Prinzip dieser Forschung am Beispiel der Hauptprotease Mpro des Coronavirus im Detail:

Originalveröffentlichung:

Antiviral activity of natural phenolic compounds in complex at an allosteric site of SARS-CoV-2 papain-like protease; Vasundara Srinivasan et al.; „Communications Biology“, 2022; DOI: 10.1038/s42003-022-03737-7