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Hautkrebs: Defekte in Mikrotubuli helfen Zellen bei der Metastasierung

Hautkrebs zählt mit steigender Tendenz zu den häufigsten Krebsarten weltweit. Insbesondere die Metastasierung der Hautkrebszellen macht eine erfolgreiche Therapie schwierig. Es ist daher besonders wichtig, die Grundlagen der Metastasierung besser zu verstehen, um neue Therapiekonzepte entwickeln zu können. Gefördert von der Wilhelm Sander-Stiftung haben Forschende um Prof. Dr. Holger Bastians an der Universitätsmedizin Göttingen nun entdeckt, dass Defekte in zellulären Skelettstrukturen (Mikrotubuli) ganz entscheidend zur Metastasierung von Hautkrebs und anderen Krebsarten beitragen können. Damit könnten Mikrotubuli als therapeutisches Ziel zur Unterbindung der Metastasierung genutzt werden.

Trotz intensiver Forschung stehen die Heilungschancen bei einem fortgeschrittenen schwarzen Hautkrebs (Melanom) nicht gut. Dies liegt daran, dass sich Hautkrebs häufig im Körper ausbreitet und somit zu Metastasierungen neigt. Da viele andere Krebsarten ähnliche Verhaltensmuster zeigen, ist es ein besonderes Anliegen der Krebsforschung, Wege und Mittel zu finden, die Ausbreitung der Krebszellen zu verhindern.

Eine Grundvoraussetzung für die Metastasierung von Krebszellen ist eine erhöhte Beweglichkeit sowie die Fähigkeit der Krebszellen, in Gewebe einzudringen. Die zellulären Vorgänge, die diese Invasion von Krebszellen ermöglichen, sind bislang unzureichend verstanden. Jede Zelle, ob gesund oder krank, besitzt zelluläre Skelett-Strukturen, die sogenannten Mikrotubuli, die zur Beweglichkeit der Zellen beitragen. Die Mikrotubuli sind hoch-dynamische Strukturen, die einem ständigen Auf- und Abbau unterliegen. “Mit gleich mehreren interessanten Konsequenzen konnten wir zeigen, dass Krebszellen oft Veränderungen in der Dynamik von Mikrotubuli aufweisen“ so Prof. Holger Bastians vom Institut für Molekulare Onkologie der UMG. Zum einen führen Mikrotubuli-Defekte zu Fehlern bei der Zellteilung, was wiederum zur Veränderung des Erbguts in Krebszellen beiträgt. Spannenderweise haben kleine, bisher unentdeckte Abweichungen in der Dynamik der Mikrotubuli aber auch eine Auswirkung auf die Beweglichkeit und die Invasivität von Krebszellen. Wie Karoline Pudelko im Rahmen ihrer onkologischen Dissertation in der Göttinger Forschungsgruppe für Zelluläre Onkologie herausgefunden hat, ändert die fehlerhafte Mikrotubuli-Dynamik die Kommunikation zwischen Krebszellen und ermöglicht es diesen, in Gewebe einzudringen. Im direkten Zusammenhang damit steht auch eine erhöhte Anzahl an Zentrosomen, kleinen Organisationseinheiten in der Zelle, die die Mikrotubuli produzieren. “Gesunde Zellen besitzen bis zu zwei Zentrosomen, während invasive Krebszellen häufig mehr als zwei Zentrosomen zeigen. Diese überzähligen Zentrosome scheinen die Mikrotubuli-Dynamik direkt zu beeinflussen und könnten damit als Marker für invasive Krebszellen dienen“ erläutert Karoline Pudelko.

Unbekannte Funktion des Proteins Her2 entdeckt

Die Forschenden in Göttingen nutzten neueste Mikroskopie-Techniken zur Messung der Mikrotubuli-Dynamik in lebenden menschlichen Haut- und Darmkrebszellen. Dabei fanden sie heraus, dass Krebszellen mit fehlerhafter Mikrotubuli-Dynamik diesen Defekt auch auf andere Zellen in ihrer Umgebung übertragen können. Dies erfolgt mittels Austauschs von kleinen Zellabschnürungen, den sogenannten Mikrovesikeln. Besonders interessant war der Befund, dass die Mikrovesikel von invasiven Hautkrebszellen das krebsfördernde Protein Her2 enthielten und genau dieses für die defekten Mikrotubuli verantwortlich zu sein scheint. Obwohl Her2 ein bereits gut untersuchtes Krebsgen ist, war diese neue Funktion von Her2 bisher unbekannt. In weiteren Untersuchungen konnten Pudelko, Bastians und Kolleg:innen dann experimentell zeigen, dass eine Hemmung von Her2 oder die Unterdrückung der Mikrotubuli-Dynamik zu einer verringerten Zellinvasion führt.
Diese spannenden Erkenntnisse offenbaren nun neue Möglichkeiten, um Therapieansätze für Hautkrebs weiterzuentwickeln und zu verbessern: Durch eine Korrektur der fehlerhaften Dynamik oder Hemmung von Her2 kann die Wirkung von Mikrovesikeln reduziert werden, sodass es zu weniger Signal-Austausch zwischen den Krebszellen kommt und die Metastasierung verlangsamt oder sogar verhindert wird.

* Die in diesem Text verwendeten Genderbegriffe vertreten alle Geschlechtsformen.

Wilhelm Sander-Stiftung: Partner innovativer Krebsforschung

Die Wilhelm Sander-Stiftung hat das Forschungsprojekt mit insgesamt knapp 300.000 Euro über 36 Monate unterstützt. Stiftungszweck ist die Förderung der medizinischen Forschung, insbesondere von Projekten im Rahmen der Krebsbekämpfung. Seit Gründung der Stiftung wurden insgesamt über 270 Millionen Euro für die Forschungsförderung in Deutschland und der Schweiz ausbezahlt. Damit ist die Wilhelm Sander-Stiftung eine der bedeutendsten privaten Forschungsstiftungen im deutschen Raum. Sie ging aus dem Nachlass des gleichnamigen Unternehmers hervor, der 1973 verstorben ist.

Originalpublikation:

1. Schmidt AK, Pudelko K, Boekenkamp JE, Berger K, Kschischo M, Bastians H. The p53/p73 – p21CIP1 tumor suppressor axis guards against chromosomal instability by restraining CDK1 in human cancer cells. Oncogene 40: 436-451. 2021. doi: 10.1038/s41388-020-01524-4.

2. Pudelko K, Wieland, A, Hennecke, M, Räschle M, Bastians H. Increased microtubule growth triggered by microvesicle-mediated paracrine signaling is required for melanoma cancer cell invasion. Cancer Research Communications 2: 366-379. 2022. doi: 10.1158/2767-9764.CRC-22-0010

Weitere Informationen:

http://www.wilhelm-sander-stiftung.de
https://www.umg.eu/