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Eisai-Medikament bedeutet Durchbruch in Therapie gegen Alzheimer im Frühstadium
Interview mit Prof. Frank Jessen
Das japanische Pharmaunternehmen Eisai hat zusammen mit dem US-Biotechnologieunternehmen Biogen bekannt gegeben, dass der Antikörper Lecanemab, den sie gemeinsam mit Prof. Lars Lannfelt und dem schwedischen Biotech-Unternehmen Bioartic entwickelt haben, eine signifikante Wirkung gegen den kognitiven Abbau bei Alzheimer im Frühstadium zeigt.
Dieses Ergebnis lässt Wissenschaftler und Betroffene aufatmen. Zum ersten Mal konnte der klinische Verlauf der Alzheimer-Krankheit mit Hilfe eines Antikörpers deutlich und nachhaltig verlangsamt werden. In der Studie erhielten 1795 Teilnehmer mit leichter kognitiver Beeinträchtigung und leichter Demenz aufgrund der Alzheimer-Krankheit den Anti-Amyloid-Beta (Aβ) Protofibrillen-Antikörper Lecanemab. Teilnehmen konnten Personen mit einer Vielzahl von Begleiterkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herzerkrankungen, Fettleibigkeit, Nierenerkrankungen und Antikoagulanzien.
Im Vergleich zur Placebo-Kontrollgruppe kam es in der Lecanemab-Gruppe nach 18 Monaten zu einer signifikanten Stabilisierung der klinischen Ergebnisse in Form einer Verlangsamung des kognitiven und funktionellen Rückgangs um 27 %. Außerdem kam es zu einem deutlichen Rückgang der Amyloid-Proteine im Gehirn.
Herr Prof. Jessen, wie schätzen Sie das Ergebnis der Phase-3-Studie von Eisai und Biogen ein?
Für uns Kliniker, die mit Alzheimer-Patienten arbeiten, ist das Ergebnis der Studie ein Durchbruch und wir warten gespannt auf die detaillierten Studienergebnisse. Mit diesem Antikörper hätten wir bei der Suche nach wirksamen Therapien gegen Alzheimer erstmals einen Wirkstoff in der Hand, mit dem wir wirklich kausal in den Krankheitsprozess eingreifen könnten.
Wie ist die 27-prozentige Verlangsamung des Rückgangs im klinischen Verlauf der Krankheit einzuordnen?
Die primäre klinische Messung in dieser Studie, die so genannte CDR-SB (Clinical Dementia Rating Scale-Sum of Boxes), ist eine Befragung der Patienten und der Betreuer zu den wichtigsten Aspekten der Kognition und der täglichen Funktionsfähigkeit. Als solches beschreibt dieses Instrument aussagekräftige Veränderungen im Krankheitsverlauf. Die CDR-SB ist auch die von den Aufsichtsbehörden FDA und EMA empfohlene Ergebnisskala. Es besteht ein allgemeiner Konsens darüber, dass eine Verlangsamung des CDR-SB um etwa 30 % durch ein krankheitsmodifizierendes Medikament klinisch sinnvoll ist. Somit hat die Studie einen echten klinischen Nutzen für die Patienten gezeigt. Darüber hinaus zeigten andere Messungen, die die Kognition und das tägliche Funktionieren genauer untersuchten, die gleichen Auswirkungen. Natürlich bedeutet dies keine Heilung, aber nach einer frühen Alzheimer-Diagnose hätten wir nun zum ersten Mal die Möglichkeit, den Verlauf der Krankheit sinnvoll zu verlangsamen. Für Personen, bei denen Alzheimer im Frühstadium diagnostiziert wird, würde dies einen Gewinn an Lebensqualität bedeuten.
Zu den Problemen bei den letzten bekannten Antikörper-Studien gegen Alzheimer gehörten die regelmäßigen massiven Nebenwirkungen, weswegen z. B. die Erprobung des Wirkstoffes Aducanumab zeitweilig abgebrochen werden mussten. Wie verhält es sich damit bei Lecanemab?
Amyloid-Antikörper können meist vorübergehende Veränderungen im Gehirn verursachen, die im MRT beobachtet werden können und als ARIA bezeichnet werden. Nach derzeitigem Kenntnisstand entstehen sie durch Veränderungen der Hirngewebsflüssigkeit und geringe Gefäßleckagen. In den meisten Fällen verursachen diese MRT-Veränderungen keine Symptome. Manchmal treten leichte Symptome wie Schwindel oder Kopfschmerzen auf. Schwere Nebenwirkungen traten nur in sehr seltenen Fällen auf. Während bei einigen Antikörpern die Häufigkeit von ARIA bei bis zu 30 % aller behandelten Patienten liegt, scheinen sie bei Lecanemab weniger häufig aufzutreten. In Zukunft wird dies wahrscheinlich bedeuten, dass die Lecanemab-Behandlung mittels MRT überwacht wird.
Wie schnell kann der Antikörper Lecanemab auf den Markt kommen und wer wird davon profitieren?
Eisai und Biogen haben bereits angekündigt, dass sie die Zulassung sowohl in den USA über die FDA als auch in Europa über die EMA beantragen werden. Wenn also alles gut geht, könnte die Behandlung mit Lecanemab im Jahr 2023 möglich sein. Wichtig ist, dass diese Art von Therapie nur bei Menschen angewandt wird, bei denen die Alzheimer-Krankheit frühzeitig diagnostiziert wird. Es gibt derzeit keine Beweise dafür, dass Lecanemab in fortgeschrittenen Stadien mit fortgeschrittenem Verlust von Gehirnzellen und -gewebe wirkt. Deshalb muss es jetzt unser Ziel sein, die richtige Diagnose so früh wie möglich zu stellen. Dann haben wir eine reelle Chance, den durch die Alzheimer-Krankheit verursachten Verfall des Gehirns erheblich zu verlangsamen.
Prof. Frank Jessen ist Gruppenleiter am DZNE und Direktor der Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Universität Köln. Am DZNE koordiniert er u. a. die DELCODE-Studie. In dieser Studie werden Risikopatienten aus Gedächtnisambulanzen untersucht mit dem Ziel, den Verlauf der Alzheimer-Erkrankung besser vorherzusagen und neuen Krankheitsmarker zu entwickeln. Darüber hinaus ist er der Hauptautor der S3-Leitlinie Demenzen in Deutschland.
Er ist Mitglied verschiedener Gremien, u. a. des Leitungsgremiums des European Alzheimer’s Disease Consortium (EADC), der National Institute on Aging-Alzheimer’s Association (NIA-AA) working group für die Entwicklung der Alzheimer Forschungskriterien sowie des ISTAART Advisory Councils.
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