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Warum sind Super-Ager überdurchschnittlich fit?
Interview mit Dr. Anne Maass über ihre Forschung.
Dr. Anne Maass forscht zu Super-Agern. Das sind Menschen, deren Gedächtnis bis ins hohe Alter hervorragend funktioniert. Ein Gespräch über Risikofaktoren, ihre aktuelle Forschung – und darüber, was die Alzheimerforschung an Super-Agern lernen kann.
Frau Dr. Maass, haben Sie eigentlich schon einmal untersucht, ob Sie selbst das Zeug zum Super-Ager haben?
(lacht) Ehrlicherweise denke ich noch nicht viel übers Altern nach. Ob jemand zum Super-Ager werden kann, hängt – soweit die Erkenntnisse von bisherigen Studien – zum einen von genetischen und zum anderen von Umwelt- und Verhaltensbedingungen ab. Und ich versuche generell gesund zu leben, diesen einen Risikofaktor kann ich damit minimieren. Aber ich tue das nicht mit Blick aufs Alter – ich will auch jetzt schon gesund sein.
Super-Ager sind ja so etwas wie die Verkörperung einer Wunschvorstellung: im hohen Alter noch richtig fit zu sein.
Und dafür haben wir tatsächlich Kriterien: Als Super-Ager bezeichnen wir Menschen im Alter von mehr als 80 Jahren, die aber noch eine Gedächtnisleistung haben wie 50- bis 60-Jährige. Im üblichen Alterungsprozess nimmt die Gedächtnisleistung ab dem 60. Lebensjahr ab, und das betrifft auch Menschen, die nicht unter einer Demenzerkrankung leiden. Das Spannende ist: Auf die Super-Ager wirken sich diese eigentlich normalen Alterungsprozesse offenbar nicht aus.
Was wissen Sie schon über die Ursachen dafür?
Ich selbst beschäftige mich seit meiner Promotion mit diesem Thema, und damals haben wir eine spannende Studie gemacht: Wir haben ältere Probanden untersucht, die ein Fitness-Programm absolviert haben – sie haben 3 Monate lang regelmäßig auf dem Laufband trainiert. Wir haben untersucht, ob ihr Gehirn noch plastisch ist, ob sich die Durchblutung des Gehirns verbessert und die kognitive Leistung besser wird. Das Ergebnis war vielversprechend: Schon durch eine solche vergleichsweise kleine Trainings-Intervention wird der Blutfluss im Hippocampus angeregt, also in einem zentralen Teil des Gehirns. Das zeigt, dass jeder mit recht geringem Einsatz etwas sehr Positives bewirken kann.
Welche Erkenntnisse erhoffen Sie sich von der Beschäftigung mit den Super-Agern?
Ich möchte verstehen, welche Faktoren bei den Super-Agern eine Rolle spielen: Warum sind die überdurchschnittlich fit? Sind es Umweltfaktoren, machen sie einfach nur mehr Sport oder sind sie sozial sehr aktiv? Wie wichtig sind die genetischen Vorbedingungen? Aus diesen Erkenntnissen über die Besonderheiten bei Super-Agern können wir dann ableiten, wie auch andere Menschen besser altern. Worauf sie also achten müssen, mit welchem Verhalten sie ihr kognitives Altern verbessern.
Wie gehen Sie vor, um die Antworten auf diese Fragen zu finden?
Wir bauen eine Kohorte auf, in der wir die Probanden vollumfassend charakterisieren, also mit molekularbiologischen Messungen und bildgebenden Verfahren. Darin untersuchen wir sie zum Beispiel mit Blick auf die Alzheimer-Proteine wie Tau und Amyloid, die sich im Alter ablagern. Hinzu kommt eine umfassende kognitive Testung mit spezifischen Gedächtnistests und ein Fitness-Test, bei dem wir die kardiovaskuläre Fitness untersuchen. Mittels Magnetresonanz-Tomographie schauen wir uns dazu genau an, wie der Blutfluss im Hirn ausgeprägt ist, wir untersuchen die Konnektivität des Gehirns, die Aktivierung des Gehirns – also wirklich alles, was man sich vorstellen kann, um ein möglichst umfassendes Bild zu gewinnen.
Wie groß soll diese Kohorte werden?
Wir versuchen, 50 Super-Ager zu rekrutieren und 50 Probanden, die zwar auch über 80 Jahre alt sind und kognitiv gesund, aber keine Super-Ager. Dazu kommen dann nochmal 300 weitere Probanden im Alter zwischen 60 und 79. Alle 400 Studienteilnehmer möchten wir über vier Jahre hinweg begleiten.
Der bisherige Goldstandard, um Super-Ager zu bestimmen, sind keine molekularen Untersuchungen, sondern Gedächtnistests. Wie laufen die ab?
Das ist der sogenannte Verbale Lern- und Merkfähigkeitstest: Die Probanden bekommen eine Liste mit Wörtern vorgelegt, müssen sie sich merken und später abrufen können. Daran misst man das verbale Langzeitgedächtnis.
Sind bei solchen Tests höher gebildete Menschen im Vorteil – werden sie also eher zu Super-Agern?
Vermutlich ist das so. Es gibt die Theorie, dass man durch Bildung so etwas wie eine kognitive Reserve aufbaut, mit der man selbst im Fall, dass man Pathologien entwickelt, den Gedächtnisverlust bis zu einem bestimmten Grad kompensieren kann.
Wird man also Super-Ager, wenn man positive Eigenschaften wie etwa ein trainiertes Gehirn mitbringt – oder wenn keine negativen Eigenschaften wie Alzheimer-Pathologien aufweist?
Das ist eine interessante Frage, die uns auch beschäftigt. Es gibt dazu zwei unterschiedliche Theorien oder Konzepte, die der Aufrechterhaltung der kognitiven Leistungsfähigkeit zu Grunde liegen könnten. Die eine besagt, dass manche Menschen resistent sind und kein Tau oder Amyloid ablagern – und diese Proteine werden ja mit der Entstehung von Demenz in Verbindung gebracht. Die andere Hypothese besagt, dass die Super-Ager zwar auch Tau und Amyloid ablagern, sie damit aber besser umgehen können (also resilient sind) oder sie das durch ein größeres Gehirn oder eine bessere Verschaltung kompensieren können. Manche Studien haben gezeigt, dass Super-Ager einen größeren anterioren cingulären Cortex haben, also einen Teil des Gehirns, das für die Entscheidungsfindung, die soziale Interaktion und die Problemlösung zuständig ist. Diese Hirnregion taucht in den Ergebnissen verschiedener Studien zu Super-Agern immer wieder auf; es gibt Anhaltspunkte, dass sie größer ist. Von unserer Kohortenstudie erhoffen wir uns weitere Erkenntnisse. Wir möchten zum Beispiel feststellen, ob die Super-Ager tatsächlich weniger Alzheimer-Proteine im Gehirn haben – wenn wir das wissen, kann ich Ihre Frage hoffentlich präziser beantworten.
Kann es eigentlich sein, dass jemand nur deshalb als Super-Ager gilt, weil er beim kognitiven Test gerade einen besonders guten Tag hatte?
Die Frage haben wir uns selbst auch gestellt. Als ich in meiner Postdoc-Zeit in Berkeley war, haben wir dazu eine Kohortenstudie durchgeführt und die Probanden, die wir als Super-Ager identifiziert haben, über bis zu zehn Jahre hinweg betrachtet. Das Ergebnis war eindeutig: Sie hatten nicht nur beim ersten Test ein besseres Gedächtnis, sondern auch über die Zeit hinweg. Bei manchen konnten wir feststellen, dass sich das Gedächtnis überhaupt nicht verschlechtert. Und das ist doch wirklich eine gute Perspektive.
Dr. Anne Maass ist Gruppenleiterin am DZNE in Mageburg. Nach ihrer Promotion im Bereich der Neurowissenschaften forschte sie drei Jahre an der University of California in Berkeley. Für ihre Arbeit wurde sie mehrfach ausgezeichnet, zuletzt mit dem Alzheimer’s Association Award for Young Scientists. In Magdeburg forscht sie im Rahmen des von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderten Sonderforschungsbereichs 1436, der zu den neuralen Ressourcen der Kognition forscht – also zu der Frage, wie das Potential des Gehirns mobilisiert, gesteigert und erhalten werden kann.