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Neu entdeckter Wirkstoff blockiert Signalweg der Immunantwort
Wissenschaftler:innen am CeMM, der Medizinischen Universität Wien und der Universität Lausanne gelang erstmals die Identifizierung und Charakterisierung einer neuen chemischen Substanz namens „Feeblin“, die imstande ist, die Wechselwirkung des Transporterproteins SLC15A4 mit dem Adapterprotein TASL zu hemmen. Beide Proteine sind Teil proinflammatorischen Signalwege im Körper. Vom Hemmen des Signalwegs könnten in Zukunft Patient:innen mit Autoimmunerkrankungen wie Systemischer Lupus (SLE), auch genannt Schmetterlingsflechte, profitieren. Die Studie wurde nun in Nature Communications veröffentlicht.
Bei Autoimmunerkrankungen verlaufen Entzündungen chronisch und führen zu schweren Gewebeschäden. Mehrere komplexe molekulare Signalwege sind an diesem Prozess beteiligt, doch Therapien und Wirkstoffe, die spezifisch auf bestimmte Teile dieser Signalwege abzielen, sind nach wie vor rar. Bereits in vorangegangenen Studien, veröffentlicht in Nature, entdeckten die Wissenschaftler:innen der Forschungsgruppe von Giulio Superti-Furga, Principal Investigator und Wissenschaftlicher Direktor des CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, ein neues Adapterprotein namens TASL, das für die Signalübertragung vom endo-lysosomalen Membrantransporter SLC15A4 und von den Toll-like-Rezeptoren 7 und 9 –zentralen Spielern der angeborenen Immunabwehr– zum entzündungsfördernden Transkriptionsfaktor IRF5 (Interferon-regulierenden Faktors 5) eine wesentliche Rolle spielt. (Heinz et al, Nature 2020). Ist TASL aktiviert, stehen die Zeichen in der Zelle ganz auf Immunabwehr, denn die in weiterer Folge aktivierten Hormone rufen B-Zellen, T-Zellen und weitere Unterstützer des adaptiven Immunsystems herbei. Was bei gesunden Menschen als sinnvoll erscheint, ist bei Autoimmunerkrankungen wie SLE Teil des Problems. Aus den vorangegangenen Ergebnissen leiteten die Wissenschaftler:innen des Superti-Furga Labors die Hypothese ab, dass die Regulierung des Signalweges SLC15A4 und TASL als geeignetes therapeutisches Ziel für die bessere Behandlung von SLE dienen könnte. Den Wissenschaftler:innen gelang nun ein wichtiger Schritt zur Erreichung dieses Ziels: Sie konnten eine neue chemische Substanz identifizieren, die diesen Signalweg unterbricht.
Neues Testverfahren
Für ihre Studie entwickelten die Forscher:innen ein neues Testverfahren, mit dem sich die Stabilität bzw. das Vorhandensein von TASL gezielt überwachen lässt. Wenn TASL nicht an SLC15A4 gebunden ist, ist es sehr instabil. Gemeinsam mit der CeMM Molecular Discovery Plattform entdeckte Andras Boeszoermenyi, Studienautor und Postdoc in Superti-Furgas Labor, ein Molekül, das die Stabilität des TASL-Proteins regulierte, und zeigten dabei, dass dies vom Vorhandensein des SLC15A4 abhängig war. Die neu entdeckte Substanz, genannt „Feeblin“ bewirkte genau das, was die Wissenschaftler:innen erwarteten: Sie schaltete die Signalübertragung an IRF5 aus.
Das Molekül wurde „Feeblin“ genannt, in Anlehnung an die bedeutende Arbeit des Nobelpreisträgers Bruce Beutler über Mutationen im SLC15A4-Signalweg, der daraus resultierende, mutierten Mäusestämme „feeble“ nannte. „Die Ergebnisse bestätigen die Erkenntnisse, die wir seit der Entdeckung des SLC15A4-TASL-Komplexes und der Vorstellung, wie man ihn angreifen kann, gewonnen haben. Dies bestärkt uns in unserer Überzeugung, mit Feeblin oder ähnlichen Substanzen, in Zukunft neue Behandlungsmöglichkeiten für Patient:innen mit Autoimmunkrankheiten zu erschließen“, so Manuele Rebsamen, vormals Wissenschaftler der Superti-Furga-Gruppe am CeMM und heute Assistenzprofessor an der Universität Lausanne. Sein Team trug dazu bei, die Wirkung der Substanz zu erforschen.
Vom Wirkstoffkandidaten zum neuen Medikament
Projektleiter Giulio Superti-Furga erklärt: „Es ist einfach eine wunderbare Geschichte. Wir haben diesen neuen Adapter für angeborene Immunität, TASL, identifiziert, der an SLC15A4 bindet und für den IRF5-Signalweg unerlässlich ist, und in nur drei Jahren konnten wir einen Wirkstoffkandidaten mit einem völlig neuen Wirkmechanismus identifizieren, einen allosterischen Regulator von Proteininteraktionen.“ Die Validierung des Wirkstoffs unter physiologienahen Bedingungen erfolgte im Team von Leonhard Heinz, Gruppenleiter an der Abteilung für Rheumatologie der Medizinischen Universität Wien und ebenfalls ehemaliges Mitglied des Superti-Furga-Labors. „Bei Lupus besteht ein erheblicher medizinischer Bedarf, und es ist sehr erfreulich zu sehen, wie ein Mechanismus, den wir am CeMM entdeckt haben, jetzt in Form eines Wirkstoffs bei Zellen von SLE-Patient:innen vielversprechende Wirkung zeigt. Wir hoffen, dass sich dies in den kommenden Jahren in neuen Behandlungsmöglichkeiten niederschlagen wird“, so Leonhard Heinz.
Giulio Superti-Furga ist Wissenschaftlicher Direktor des CeMM sowie Professor für Medizinische Systembiologie an der Medizinischen Universität Wien. Er wurde an der Universität Zürich, bei Genentech, am IMP Wien und am EMBL Heidelberg zum Molekularbiologen ausgebildet. Er erhielt vier Förderungen des Europäischen Forschungsrates, ist Mitglied fünf wissenschaftlicher Akademien und hat mehr als 250 wissenschaftliche Arbeiten veröffentlicht. CeMM, dem er seit 2005 als Direktor vorsteht, bringt Superti-Furga, zusammen mit etwa 300 Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen, der klinischen Welt eine genomische und systemische Sicht näher, um die medizinische Praxis zu verbessern. Zudem trieb er einen einzigartigen Modus der Super-Kooperation voran, in dem Biologie mit Medizin, Experimente mit Computertechnologie, Entdeckung mit Translation und Wissenschaft mit Gesellschaft und Kunst verbunden werden. Zu den aktuellen Interessensgebieten zählen Möglichkeiten zur Schaffung funktioneller Ansätze in der Präzisionsmedizin und die Rolle der menschlichen Membran-Transporter in der Pathophysiologie und der Arzneimittelentdeckung. Zudem ist auch wissenschaftlicher Koordinator von „RESOLUTE“, einem Konsortium der „Innovative Medicine Initiative“, das sich der Deorphanisierung von SLC-Transportern verschreibt.
Das CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften ist eine internationale, unabhängige und interdisziplinäre Forschungseinrichtung für molekulare Medizin unter wissenschaftlicher Leitung von Giulio Superti-Furga. Das CeMM orientiert sich an den medizinischen Erfordernissen und integriert Grundlagenforschung sowie klinische Expertise, um innovative diagnostische und therapeutische Ansätze für eine Präzisionsmedizin zu entwickeln. Die Forschungsschwerpunkte sind Krebs, Entzündungen, Stoffwechsel- und Immunstörungen, sowie seltene Erkrankungen.
Das Forschungsgebäude des Institutes befindet sich am Campus der Medizinischen Universität und des Allgemeinen Krankenhauses Wien.
https://www.cemm.at
Originalpublikation:
Boeszoermenyi, A., Bernaleau, L., Chen, X. et al. A conformation-locking inhibitor of SLC15A4 with TASL proteostatic anti-inflammatory activity. Nat Commun 14, 6626 (2023). https://doi.org/10.1038/s41467-023-42070-3