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Astrozyten: ambivalente Rolle bei Autoimmunkrankheiten
Erlanger Forschende entdecken neuen Mechanismus bei Multipler Sklerose
Astrozyten können zu Entzündungsprozessen im Gehirn beitragen, aber auch ihr Abklingen begünstigen. Ein entscheidender Faktor in diesem Prozess ist das gewebeschützende und wundheilende Protein HB-EGF. Das zeigen Neuroimmunologinnen und -immunologen des Uniklinikums Erlangen und der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) sowie anderer Universitäten in Deutschland, Schweden und den USA in einer gemeinsamen Studie. Ihre Erkenntnisse, die zu neuen Therapieansätzen etwa bei Multipler Sklerose führen könnten, wurden im renommierten Fachjournal „Nature Immunology“ veröffentlicht.*
Wodurch Autoimmunkrankheiten des Zentralnervensystems (ZNS), etwa Multiple Sklerose (MS), ausgelöst werden und welche Mechanismen die Erkrankung voranschreiten lassen, ist noch nicht hinreichend erforscht. Zunehmend in den Fokus rücken hierbei Gliazellen, bestimmte Zellen im ZNS, darunter insbesondere sogenannte Astrozyten. Astrozyten sind ein wichtiger Bestandteil des ZNS und tragen unter anderem zur Versorgung von Nervenzellen mit Nährstoffen bei.
Mehrere Studien haben gezeigt, dass Astrozyten den Verlauf von Entzündungserkrankungen des ZNS wesentlich beeinflussen und MS fördern können. „Erst in jüngster Zeit ist jedoch klar geworden, dass Astrozyten die Entzündungsprozesse im ZNS nicht nur unterhalten, sondern auch zu ihrer Auflösung beitragen können“, sagt Prof. Dr. Veit Rothhammer, Heisenberg-Professor für Neuroimmunologie an der FAU und leitender Oberarzt der Neurologischen Klinik (Direktor: Prof. Dr. Dr. h. c. Stefan Schwab) des Uniklinikums Erlangen. „Ein Versagen dieser gewebeschützenden Mechanismen kann die Krankheit verstärken und zu Verläufen führen, die derzeit nur begrenzt behandelbar sind.“
Gemeinsam mit Forschenden aus Deutschland, Schweden und den USA haben Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler aus Erlangen diesen Mechanismus näher untersucht und dafür die Gehirn-Rückenmarksflüssigkeit von MS-Patientinnen und -Patienten analysiert. „Uns ist aufgefallen, dass im Krankheitsverlauf das Protein HB-EGF, der sogenannte Heparin-bindende EGF-ähnliche Wachstumsfaktor, in deutlich geringerer Konzentration vorhanden ist als im frühen Entzündungsstadium“, sagt Dr. Mathias Linnerbauer, Postdoktorand an der FAU und Erstautor der Studie.
HB-EGF kann durch Astrozyten gebildet werden und spielt eine zentrale Rolle bei der Erholung von entzündlichen Reaktionen – auch im ZNS. Die Forschenden gehen davon aus, dass im Verlauf der Erkrankung die Bildung von HB-EGF durch epigenetische Veränderungen, also spezifischen Veränderungen der Erbinformation, unterdrückt wird. Dadurch wird HB-EGF vermindert produziert und kann seine entzündungshemmende und gewebeschützende Wirkung nicht entfalten.
Die Erkenntnisse könnten in der Zukunft zu neuartigen Strategien der Behandlung von MS führen. „Weitere Untersuchungen müssen zeigen, ob HB-EGF und dessen epigenetische Regulation neue Wege in der Therapie der MS beschreiten lassen – hier haben wir noch viel Forschungsarbeit vor uns“, sagt Veit Rothhammer. Die publizierte Studie ist im Rahmen des Projekts „Transcriptional and epigenetic control of tissue regenerative HB-EGF in autoimmune CNS inflammation“ entstanden, das vom Europäischen Forschungsrat mit einem ERC Starting Grant gefördert wurde.
* doi: 10.1038/s41590-024-01756-6
„The astrocyte-produced growth factor HB-EGF limits autoimmune CNS pathology”