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Depressive Phasen in der Vergangenheit: Traurigkeit als Warnzeichen vor einer Demenzerkrankung?
Original Titel:
Depression and Dementia in Old-Old Population: History of Depression May Be Associated with Dementia Onset. The Tome Project.
Depression und Demenz sind in der alternden Bevölkerung häufig auftretende Erkrankungen. Depressive Episoden in der Vergangenheit wurden in manchen Studien als Risikofaktor für eine spätere Demenzerkrankung beschrieben. Mehrere größere bevölkerungsweite Studien fanden allerdings keinen solchen Zusammenhang. In dieser Studie nun untersuchten Forscher des Cardinal Tien-Hospitals in Taipei in Taiwan und der Abteilung für Geriatrische Verhaltensneurologie der Tohoku Universität in Sendai (Japan) unter Leitung von Alzheimer- und Demenzforscher Dr. Liu den Zusammenhang genauer.
Depressionsgeschichte, akute Depressionen und Demenz in einer Kohorte älterer Menschen
Es gibt einige durchaus sinnvolle Hypothesen, in welcher Verbindung Depression und Demenz zueinander stehen könnten. Eine dieser Ideen bezieht sich auf die sogenannten Hyperintensitäten der Weißen Substanz des Gehirns: mittels des bildgebenden Verfahren der Kernspintomographie als ungewöhnlich dicht gepackt erscheinende Bereiche in der signalleitenden Struktur des Gehirns, den weißlich erscheinenden Nervenfasern. Diese Hyperintensitäten, oft kurz WMHs (engl. white matter hyperintensities) genannt, können vermutlich die Verbindungen zwischen Gehirnrinde und Tiefenhirn stören. Mehrere Studien vermuteten bereits, dass diese Auffälligkeiten zu einer Entwicklung von Altersdepression und der Alzheimererkrankung beitragen. Eine weitere Verbindung zwischen Depression und Demenz zeigt sich in dem Gehirnteil Hippocampus, unserem Umschlagplatz für neue Eindrücke und Lerninhalte. Der Hippocampus nämlich wurde wiederholt als relativ kleiner gefunden wenn eine Demenz oder eine Depression vorlag. Dieser Effekt betrifft auch weitere Erkrankungen und lässt sich allgemein vermutlich auf die chronische Wirkung von Stresshormonen zurückführen.
Sind Verbindungen zwischen Gehirnrinde und Tiefenhirn gestört bei Alterdepression? Oder ist das Lernzentrum Hippocampus wegen Stress verkleinert?
Die Studie wurde in Tome im nördlichen Japan durchgeführt. Beginnend in 2012 bis 2013 wurden zufällig 200 Einwohner im Alter von mindestens 75 Jahren ausgewählt, von denen 181 am Projekt und sämtlichen Untersuchungen teilnahmen. Mit dem diagnostischen Verfahren CIDI (composite international diagnostic interview) wurde untersucht, ob die Teilnehmer in ihrer Vergangenheit an einer Depression oder sonstigen affektiven Störung gelitten hatten. Zur Einschätzung aktueller depressiver Symptome wurde die geriatrische Depressionsskala (GDS) genutzt, in der Werte ab 5 auf eine akute Depression deuteten. Um die generelle Denkleistung zu überprüfen, wurde der Mini-Mentalstatus Test (MMST) durchgeführt. Ob eine Demenz vorlag, wurde mit Hilfe der klinischen Demenzbewertung (CDR, clinical dementia rating scale) geklärt. Dazu besuchte zuerst entsprechend geschultes Pflegepersonal das Zuhause der Teilnehmer um ihre Alltagsfähigkeiten einzuschätzen und mittels Interview und Fragebogen auch die Beobachtungen der Familie mit einzubeziehen. Anschließend überprüften Ärzte die Gedächtnisleistung, Orientierungssinn und ähnliches. Der daraus erhaltene CDR-Wert erlaubte den Forschern einen Rückschluss auf die Beeinträchtigung des täglichen Lebens infolge möglicher Einschränkungen der Denkleistung. Schließlich nahmen alle Teilnehmer an einem Gehirnscan mit dem bildgebenden Verfahren Kernspintomographie (MRT) teil. Die Bilddaten wurden auf mögliche Hyperintensitäten der Weißen Substanz und Auffälligkeiten in der Größe im Bereich des Hippocampus hin untersucht.
181 Teilnehmer über 75 Jahre: Denktests, Alltagsfähigkeiten, Gehirnbilder
Von 181 Teilnehmern wurden 66 als gesund eingestuft (klinische Demenzbewertung CDR = 0). 88 der Teilnehmer litten unter einer sogenannte leichten kognitiven Beeinträchtigung, also leichten Auffälligkeiten in der Denkleistung, die auf eine zukünftige Demenz hinweisen können (CDR = 0,5). Bei 27 Teilnehmern der Studie wurde eine Demenz diagnostiziert (CDR mindestens 1). 9 aus 181 Personen hatten bereits früher mindestens eine depressive Episode erlebt. Bei diesen war der CDR-Wert zur klinischen Demenzbewertung klar erhöht im Vergleich zu Menschen ohne Depressionsgeschichte. 72 der Teilnehmer, also mehr als ein Drittel, litten akut unter depressiven Symptomen (geriatrische Depressionsskala GDS > 5). Dabei unterschieden sich die depressive und die nicht-depressive Gruppe weder im durchschnittlichen Alter, dem Ausbildungsgrad oder Geschlechtszugehörigkeit. Teilnehmer mit Depressionen hatten aber niedrigere MMST-Werte, zeigten also durchschnittlich stärkere Einschränkungen der Denkleistung. Gleichzeitig wurden depressive Menschen eher mit höheren CDR-Werten, also als dement oder mit leichten kognitiven Beeinträchtigungen eingeschätzt. Andersherum betrachtet hatten zusätzlich 5-mal mehr demente Menschen früher eine depressive Episode erlebt als dies bei nicht dementen Teilnehmern der Fall war. Auch fanden sich unter den als an Demenz erkrankten Teilnehmern doppelt so viele akut depressive Menschen als unter den nicht erkrankten Menschen. Bei den Personen mit aktuell depressiven Symptomen war auch, in Übereinstimmung mit früheren Studien, häufiger das Lernzentrum des Gehirns, der Hippocampus, leicht verkleinert.
Depressionen in der Vergangenheit ein Risikofaktor für Demenzerkrankungen
Zusammenfassend fanden sich also in dieser Kohortenstudie mit älteren Menschen niedrigere Denkleistungen bei Teilnehmern mit akuten depressiven Symptomen, höhere Demenzbewertungen, und mehr Auffälligkeiten in der Gehirnstruktur, wie sie auch bei Demenzerkrankungen vorkommen. Depressionen in der Vergangenheit sollten daher als Risikofaktor für eine spätere Demenzerkrankung gewertet werden. Gleichzeitig sollte bei älteren Menschen Ansätze einer depressiven Episode sehr ernst genommen werden, um eine frühe Diagnose und Behandlung der Depression, aber auch einer Demenzerkrankung zu ermöglichen.
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