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Welt-Parkinson-Tag am 11. April: Warum Schlaf vor Parkinson schützt – und welche neuen Therapien Betroffenen helfen

Die Parkinson-Forschung ist hochdynamisch und hat in den letzten Monaten zu neuen Erkenntnissen geführt: Schlaf ist ein wichtiger Faktor für die Parkinson-Prävention. Warum das so ist, zeigte eine Arbeit in der renommierten Fachzeitschrift „Nature“. Auch zur Therapie gibt es Neues: Eine Pumpentherapie wird die Versorgung von Parkinson-Kranken deutlich verbessern. Zwar kann auch sie die Erkrankung nicht heilen, stellt aber dennoch einen Durchbruch dar, weil sie Betroffenen mehr qualitative Lebenszeit schenkt. Versagt die medikamentöse Therapie, kommt häufig die sog. Tiefe Hirnstimulation zum Einsatz, auch mit guten Langzeiteffekten, wie eine aktuelle Studie zeigt.

Schlaf ist aktive Parkinson-Prävention: Bei der Entstehung neurodegenerativer Erkrankungen spielt die Ablagerung molekular fehlgefalteter Proteine eine Rolle (z. B. α-Synuclein bei M. Parkinson). Von Bedeutung ist in diesem Zusammenhang das erst vor ca. 10 Jahren nachgewiesene gliale lymphatische System, ein „Entsorgungssystem“ für zelluläre Abfallprodukte. Über das glymphatische System werden Metaboliten/Zellabfälle (meist lösliche Proteine) aus dem Gehirn „gespült“. Bei verschiedenen neurodegenerativen Erkrankungen wird ein Nachlassen dieser Reinigungsfunktion, die praktisch nur nachts während des Non-REM-Schlafs aktiv ist, diskutiert. Wie genau diese Selbstreinigung funktioniert, ist noch Gegenstand der Forschung; eine nun in „Nature“ publizierte Arbeit [1] konnte aber wichtige Fragen klären. Es wurde gezeigt, dass neuronale Netze einzelne Aktionspotentiale (das sind elektrische Signale) synchronisieren und bündeln, wodurch rhythmische, sich selbst verstärkende hochenergetische Ionenwellen entstehen, die den „reinigenden“ glymphatischen Fluss in Gang bringen. Die experimentelle Störung dieser Wellen verhinderte im Experiment weitgehend die Reinigung des Gehirnparenchyms. Umgekehrt konnte durch transkranielle Stimulation (mit Optogenetik) die Wellenbewegung und der Fluss interstitieller Flüssigkeit verstärkt werden. Aus den Ergebnissen könnten sich künftig neue prophylaktische und therapeutische Ansatzpunkte ergeben. „Schlaf ist ein wichtiger, aber oftmals unterschätzter Faktor, um Gehirn und Nerven gesund zu halten. Durchschnittlich werden 7–8 Stunden Schlaf empfohlen – und dieses Präventionspotenzial sollten wir nutzen“, erklärt Prof. Dr. Peter Berlit.

Auch zur Therapie gibt es Neuigkeiten: Bei der medikamentösen Behandlung des M. Parkinson mit Levodopa kommt es (nach ca. 5–8 Jahren) häufig zu starken motorischen Fluktuationen, d. h. zu starken tageszeitlichen Schwankungen zwischen Phasen guter Mobilität und Steifheit („On-Off“-Phasen). Erklärt wird dies durch ein zunehmendes „end of dose“-Phänomen: Die Wirkung des Medikaments lässt nach, Dopamin kann nicht mehr ausreichend „gespeichert“ werden und irgendwann kann die Dosierung nicht weiter erhöht werden, ohne dass es zu überschießenden Dopamin-Konzentrationen kommt. Denn genauso schlimm wie die Steifheit in Folge von zu wenig L-Dopa sind die unangenehmen Nebenwirkungen (z. B. störende Dyskinesien) bei zu hohen Dosen. In dieser Situation kann eine Pumpentherapie helfen. Sie führt zu konstanten Wirkspiegeln über den Tag und damit verbesserter Lebensqualität durch weniger „Off“-Zeit.

Das wirksamste Parkinson-Medikament L-Dopa konnte für eine kontinuierliche Gabe bislang nur über eine Sonde durch die Bauchdecke in den Magen gegeben werden. Jetzt gibt es in Deutschland eine neue Option: Eine multizentrische internationale Phase-3-Studie [2] untersuchte randomisiert, doppelblind und kontrolliert die Wirksamkeit der kontinuierlichen subkutanen Gabe (n=128) von Levodopa-Carbidopa (ND0612) im Vergleich zur oralen Gabe (n=131) bei Parkinson-Betroffenen mit motorischen Fluktuationen (mittlere „On“-Zeit 9,4 h/Tag und Off-Phasen ≥2,5 h/Tag). Die Therapieeinstellung wurde durch die Pumpe mit subkutanem L-Dopa signifikant verbessert; es konnte gegenüber der oralen Behandlung eine zusätzliche tägliche „On“-Zeit von 1,72 Stunden (p<0,0001) gewonnen werden. Die Off-Phasen wurden vermindert (-1,40 h/Tag) und auch weitere sekundäre Endpunkte (klinische Scores, z. B. MDS-UPDRS-II) verbesserten sich – bei insgesamt günstigem Nebenwirkungsprofil. Eine nun folgende Open-Label-Verlängerungsphase soll Daten zur langfristigen Wirksamkeit und Sicherheit der subkutanen Gabe liefern.

Bei Versagen der medikamentösen Therapie ist die Tiefe Hirnstimulation ein etabliertes invasives Behandlungsverfahren. Dafür erfolgt die Implantation von Elektroden in bestimmte Gehirnareale. Von einem individuell programmierten Impulsgenerator werden wie bei einem Herzschrittmacher elektrische Stimuli abgegeben, was in Kombination mit Medikamenten die Parkinson-Symptomatik sowie Lebensqualität deutlich verbessert. Eine aktuelle, prospektive Studie an drei europäischen Zentren [3] zeigt erstmals Langzeitergebnisse über mehr als drei Jahre. Sie verglich die Tiefe Hirnstimulation plus Standardmedikation mit der alleinigen Standardtherapie. Nach fünf Jahren hatte sich die Lebensqualität gemessen am Parkinson-Fragebogen (PDQ-8) und die Aktivitäten des täglichen Lebens (ADL) in der Vergleichsgruppe signifikant verschlechtert (PDQ-8: -10,9; p=0,01 und ADL: -2,0; p=0,002), während sie in der Gruppe, die die Tiefe Hirnstimulation erhalten hatte, stabil blieben (PDQ-8: -4,3; p=0,34 und ADL: -0,8; p=0,38). Diese Unterschiede ergaben sich hauptsächlich durch die bessere Wirkung der Tiefen Hirnstimulation auf die Mobilität. Die mit der Tiefen Hirnstimulation Behandelten hatten außerdem weniger motorische Komplikationen und einen geringeren täglichen Levodopa-Äquivalenzdosis-Bedarf.

„Noch können wir die Parkinson-Erkrankung nicht heilen, aber die Forschung trägt zusehends dazu bei, dass die Symptome der Erkrankung über eine lange Zeit zurückgedrängt werden können“, so Prof. Dr. med. Lars Timmermann, Mitautor der aktuellen Studie zur Tiefen Hirnstimulation [3] und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Neurologie. „Am Welt-Parkinson-Tag liegt uns aber vor allem die Prävention am Herzen. Die Deutsche Hirnstiftung ist hier ein wichtiger Partner der DGN. Hier finden Betroffene und Interessierte umfassende Informationen zu einem gesundheitsbewussten Lebensstil, mit dem sich neurodegenerative Krankheiten wie M. Parkinson vorbeugen lässt.“

[1] Jiang-Xie LF, Drieu A, Bhasiin K, Quintero D, Smirnov I, Kipnis J. Neuronal dynamics direct cerebrospinal fluid perfusion and brain clearance. Nature. 2024 Mar;627(8002):157-164. doi: 10.1038/s41586-024-07108-6. Epub 2024 Feb 28. PMID: 38418877.
[2] Espay AJ, Stocchi F, Pahwa R et al. Safety and efficacy of continuous subcutaneous levodopa–carbidopa infusion (ND0612) for Parkinson’s disease with motor fluctuations (BouNDless): a phase 3, randomised, double-blind, double-dummy, multicentre trial. The Lancet Neurology, Published: March 15, 2024
[3] Jost ST, Aloui S, Evans J, Ashkan K, Sauerbier A, Rizos A, Petry-Schmelzer JN, Gronostay A, Fink GR, Visser-Vandewalle V, Antonini A, Silverdale M, Timmermann L, Martinez-Martin P, Chaudhuri KR, Dafsari HS; International Parkinson and Movement Disorders Society Non-Motor Parkinson’s Disease Study Group and EUROPAR. Neurostimulation for Advanced Parkinson Disease and Quality of Life at 5 Years: A Nonrandomized Controlled Trial. JAMA Netw Open. 2024 Jan 2;7(1):e2352177. doi: 10.1001/jamanetworkopen.2023.52177. PMID: 38236600; PMCID: PMC10797423.

Die Deutsche Gesellschaft für Neurologie e.V. (DGN)
sieht sich als wissenschaftliche Fachgesellschaft in der gesellschaftlichen Verantwortung, mit ihren mehr als 12.300 Mitgliedern die neurologische Krankenversorgung in Deutschland zu sichern und zu verbessern. Dafür fördert die DGN Wissenschaft und Forschung sowie Lehre, Fort- und Weiterbildung in der Neurologie. Sie beteiligt sich an der gesundheitspolitischen Diskussion. Die DGN wurde im Jahr 1907 in Dresden gegründet. Sitz der Geschäftsstelle ist Berlin. www.dgn.org

Originalpublikation:

doi: 10.1038/s41586-024-07108-6