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Angriffspunkt für die Therapie von Bauchspeicheldrüsenkrebs entdeckt

Ein Team des Biochemischen Instituts der Uni Kiel hat einen Weg gefunden, um die Funktion des tumorauslösenden Proteins MYC zu hemmen. Damit können neue Arzneistoffe entwickelt werden.

MYC-Gene und die daraus resultierenden Proteine sind die entscheidenden Treiber vieler Krebsarten. „Es ist wirklich eines der wichtigsten, wenn nicht sogar das wichtigste Onkogen beim Menschen“, sagt Professor Elmar Wolf, Direktor am Biochemischen Institut an der Medizinischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU). Weltweit wird daher nach Möglichkeiten gesucht, dieses Krebsgen auszuschalten, um neue Ansätze für Krebstherapien zu entwickeln. Bislang ist jedoch noch kein Hemmstoff in die klinische Anwendung gelangt. Da es schwierig ist, MYC direkt anzugreifen, verfolgt Wolfs Arbeitsgruppe einen indirekten Weg über notwendige Bindungspartner. Denn die krebsfördernde Funktion von MYC wird durch die Bindung an andere Proteine vermittelt. Einen solchen essentiellen Bindungspartner haben Wolf und sein Team in Zellkultur und Tiermodellen für Bauchspeicheldrüsenkrebs identifiziert. Die jetzt in der Fachzeitschrift Gut veröffentlichte Arbeit zeigt, dass nur wenige MYC-Bindungspartner für das Fortschreiten von Bauchspeicheldrüsenkrebs wichtig sind. Einer davon ist das Protein RUVBL1. „Das Fehlen dieses Proteins schränkte das Tumorwachstum von Bauchspeicheldrüsenkrebszellen am stärksten ein im Vergleich zu den anderen untersuchten Bindungspartnern“, erklärt Erstautor Markus Vogt, Doktorand in Wolfs Arbeitsgruppe. Das Ausschalten von RUVBL1 führte zu einer deutlichen Verkleinerung der Tumoren in der Bauchspeicheldrüse und zur Einwanderung von Immunzellen in den Tumor.

Das Onkogen MYC benötigt das Protein RUVBL1 für die krebsfördernde Funktion

Dieser Entdeckung gingen umfangreiche Arbeiten voraus. Zunächst wurde mittels Massenspektrometrie ermittelt, welche Proteine an MYC binden. Das waren 90 Proteine. Für jeden dieser 90 Bindungspartner wurde dann untersucht, welcher für das Tumorwachstum wichtig ist. Dazu konstruierten die Forschenden Systeme, in denen jeweils eines dieser Proteine genetisch ausgeschaltet wurde. Dieser Screen erfolgte sowohl in kultivierten Krebszellen als auch im Tiermodell für Bauchspeicheldrüsenkrebs (PDAC). Die Untersuchung im Tiermodell war entscheidend. „Denn viele MYC-Bindungspartner erwiesen sich für kultivierte PDAC-Zellen als wichtig, in vivo aber nicht“, betont Vogt. Der beste Treffer sei das Protein RUVBL1 gewesen. Dieses wurde dann in der Zellkultur genauer untersucht.
Anschließend wurde im Tiermodell getestet, ob das Ausschalten von RUVBL1 tatsächlich das Tumorwachstum verlangsamt oder ob sich bestehende Tumoren sogar zurückbildeten. „Wir haben vor allem genetische Methoden eingesetzt, um die Produktion dieses Proteins zu unterbinden. Und das hatte einen therapeutischen Effekt. Die Tumoren bildeten sich zurück und das Immunsystem wurde aktiviert“, erklärt Wolf. Er vermutet, dass die Wirksamkeit darauf beruht, dass Immunzellen in den Tumor einwandern. Bauchspeicheldrüsentumore enthalten bei Mäusen wie auch bei Menschen nur wenige Immunzellen und gelten daher als immunologisch „kalt“. Entsprechend profitieren die meisten Patienten mit Bauchspeicheldrüsenkrebs nicht von Immuntherapien. Wolf: „Wir vermuten, dass Medikamente, die an der MYC-RUVBL1-Achse angreifen, Bauchspeicheldrüsentumoren für eine Immuntherapie empfänglich machen könnten.

Ausschalten von RUBVL1 lässt Tumor schrumpfen

Daten von menschlichen Tumoren bestätigen die Bedeutung des Proteins bei Bauchspeicheldrüsenkrebs. Demnach wird RUVBL1 in Tumoren stärker gebildet als in normalem, gesundem Gewebe. Und es folgt dem Expressionsniveau von MYC. „Es gibt Tumoren, die haben vergleichsweise wenig RUVBL1, und die haben gleichzeitig auch wenig MYC. Tumoren, die viel haben, haben auch viel MYC.“ Außerdem scheint RUVBL1 ein Indikator für die Aggressivität des Tumors zu sein, da die Sterblichkeit bei Tumoren mit viel RUVBL1 höher ist als bei Tumoren mit wenig RUVBL1.
Die Wissenschaftler sind überzeugt davon, dass RUVBL1 ein gutes Angriffsziel für Arzneistoffe gegen Bauchspeicheldrüsenkrebs ist. In dem gerade von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) bewilligten Sonderforschungsbereich/Transregio 387 „Funktionalisierung des Ubiquitin Systems gegen Krebserkrankungen – UbiQancer“ werden sie die Wirkstoffentwicklung vorantreiben.

Neuer Sonderforschungsbereich mit Beteiligung des Biochemischen Instituts der CAU

Mit rund 18 Millionen Euro fördert die DFG bis 2028 den SFB/TRR 387 „Funktionalisierung des Ubiquitin Systems gegen Krebserkrankungen – UbiQancer“ (Sprecherschaft: TU München). Ziel ist, grundlegend neue Medikamente gegen Krebs entwickeln zu können. Im Mittelpunkt stehen das Protein Ubiquitin und die mit Ubiquitin assoziierten Prozesse. Ubiquitin zeichnet sich dadurch aus, dass es auf mehrfache Weise an ein anderes Zielprotein, zum Beispiel RUVBL, binden und dieses auf unterschiedliche Weise modifizieren kann. Dadurch ist Ubiquitin in der Lage, verschiedene Funktionen zu erfüllen, zum Beispiel beim Proteinabbau, bei der Regulation des Zellzyklus, beim zellulären Proteintransport oder bei der Aktivierung und Inaktivierung von Enzymen. Prof. Elmar Wolf leitet zwei Teilprojekte des SFB/TRR 387.

Text: Kersin Nees

Originalpublikation:

Vogt M, Dudvarski Stankovic N, Cruz Garcia Y, et al. Targeting MYC effector functions in pancreatic cancer by inhibiting the ATPase RUVBL1/2. Gut. Published Online First: 31 May 2024.
https://doi.org/10.1136/gutjnl-2023-331519