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Erfolgreiche Versorgungsstrukturen für Menschen mit Diabetischem Fußsyndrom drohen zu verschwinden

Mehr Amputationen infolge der Krankenhausreform?

Berlin – Bis zu 850 000 Menschen erkranken jährlich am Diabetischen Fußsyndrom (DFS), einer schweren Komplikation des Diabetes mellitus. Bei etwa 50 000 Betroffenen wird sogar eine Amputation an Beinen oder Füßen notwendig. Die Hauptziele der DFS-Therapie sind daher, den Verlust der unteren Gliedmaßen zu verhindern und die Lebensqualität und -erwartung der Patientinnen und Patienten zu erhalten. Doch die Krankenhausreform ignoriert Versorgungsstrukturen, die dies gewährleisten. Das kritisiert die Arbeitsgemeinschaft „Diabetischer Fuß“ der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) in ihrem aktuellen Positionspapier scharf: Um einen künftigen Versorgungsmangel zu verhindern, müssen eine auf DFS spezialisierte interdisziplinäre Zentrenbildung gefördert und etablierte Facharzt-Zusatzbezeichnungen in der Diabetologie in der Leistungsgruppe „Endokrinologie und Diabetologie“ anerkannt werden. Ohne ausreichende Expertise droht ein Wiederanstieg der Amputationsrate – ein Rückschritt, der die Therapieerfolge der letzten Jahrzehnte zunichtemachen würde.

Etwa jeder 3. bis 4. Mensch mit Diabetes erkrankt im Laufe seines Lebens am sogenannten Diabetischen Fußsyndrom (DFS). Die Ursache sind meist erhöhte Blutzucker- und Cholesterinwerte, ein schlecht eingestellter Blutdruck, Übergewicht und Rauchen, wodurch Nerven- und Blutgefäße geschädigt werden können. In Kombination mit ungeeignetem Schuhwerk entstehen dann chronische, schlecht heilende Wunden an den Füßen. Im Ernstfall müssen Gliedmaßen sogar amputiert werden. Seit nunmehr 20 Jahren zertifiziert die DDG ambulante und stationäre Fußambulanzen und -zentren – deutschlandweit gegenwärtig rund 285 – die eine adäquate, an aktuellen Leitlinien orientierte Versorgung der Betroffenen sicherstellen können. „Diese gewachsenen Strukturen sind durch das Krankenhausversorgungs-verbesserungegesetz (KHVVG) massiv gefährdet“, so Dr. med. Michael Eckhard, Sprecher der AG Diabetischer Fuß der DDG. „Wir befürchten, dass viele der heute spezialisierten Fußbehandlungszentren mangels hinreichender Abbildung in den neuen Leistungsgruppen ihre Arbeit einstellen müssen. Das würde die Versorgung der Betroffenen dramatisch verschlechtern.“ In einem Positionspapier appelliert die Arbeitsgemeinschaft an die Politik, die bewährten aber heute schon fragilen Strukturen zu stärken, anstatt sie zu schwächen – zum Wohle der Patientinnen und Patienten.

Behandlung des DFS ohne Fachkenntnis und Finanzierung nicht möglich

Es ist wissenschaftlich belegt, dass durch die frühzeitige Behandlung in einem qualifizierten Behandlungszentrum die Amputationsrate beim DFS um fast die Hälfte sinkt. „Das liegt daran, dass dort ein interdisziplinäres Team zusammenarbeitet, das mit dem hochkomplexen DFS vertraut ist und konservative Therapiemöglichkeiten, soweit es geht, ausschöpft“, betont Eckhard. Schon heute fehlt es an ausreichend vielen Fachärztinnen und Fachärzten für Innere Medizin mit Schwerpunkt Endokrinologie und Diabetologie. „Das KHVVG in der derzeitigen Vorlage verschlechtert die diabetolgische Versorgung, indem es gut ausgebildetes diabetologisches Fachpersonal nicht berücksichtigt“, kritisiert Eckhard. Im Positionspapier fordert die AG Diabetischer Fuß der DDG, die fachärztliche Zusatzbezeichnung `Diabetologie´ der Landesärztekammern und die Qualifikation als `Diabetologe/Diabetologin DDG´ für die Leistungsgruppe „Endokrinologie/Diabetologie“ anzuerkennen. „Fallen Fachärztinnen und -ärzte mit dieser Weiterbildung aus dieser Leistungsgruppe heraus, kann die Versorgung der Menschen mit Diabetes und diabetischem Fußsyndrom kaum noch sichergestellt werden“, mahnt Eckhard.

Mit der Krankenhausreform verfolgt die Politik zurecht, dass die Versorgungsqualität verbessert, finanzielle Fehlanreize reduziert und die Vergütungsstruktur Qualität fördern soll. Die Arbeitsgemeinschaft fordert in ihrem Positionspapier daher: Spezialisierte und zertifizierte Fußzentren, welche aufgrund ihrer interdisziplinären und multiprofessionellen Strukturen und definierten Behandlungspfaden eine nachweislich bessere Versorgungsqulität bieten, müssen eine gesicherte Finanzierung erhalten. Die gesetzlichen Grundlagen dafür sind in den Disease Management Programmen (DMP) für Diabetes prinzipiell vorhanden. „Es sollte für diese Einrichtungen eine `Komplexpauschale Diabetischer Fuß´ implementiert werden“, schlägt Eckhard vor.

KHVVG muss drohenden Versorgungsnotstand abwenden!

„Die derzeitige Einordnung in Leistungsgruppen ignoriert nicht nur die Bedeutung der diabetischen Fußzentren. Sie konterkariert damit das immanente Anliegen des KHVVG, die Versorgungsqualität in der Medizin zu verbessern“, kritisiert DDG Präsident Professor Dr. med. Andreas Fritsche aus Tübingen. „Wird Expertise nicht anerkannt und ausreichend vergütet, wird es erheblich schwerer werden, Betroffenen eine leitliniengerechte Therapie zu ermöglichen.“ Auch das vom Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) beschlossene Recht auf eine Zweitmeinung vor Amputation käme nicht zum Tragen: „An wen sollen sich Betroffene mit einem Zweitmeinungsersuchen wenden, wenn es keine spezialisierten Anlaufstellen mehr gibt? Die Folge wäre, dass die Amputationen in Deutschland wieder zunehmen – eine dramatische und völlig unnötige Entwicklung“, gibt Fritsche zu bedenken.

Das ausführliche Positionspapier der AG Diabetischer Fuß der DDG finden Sie hier:

Positionspapier der AG Diabetischer Fuß der DDG zum KHVVG: Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V.

Hintergrundinformationen:

Deutscher Gesundheitsbericht Diabetes 2024, Diabetisches Fußsyndrom in Zeiten von Strukturreformen: Chancen und Risiken, Seite 103ff.