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Vertical Farming – ein Beitrag zur Proteinversorgung der wachsenden Weltbevölkerung

Damit Nahrungsmittelproteine trotz extremer Wetterlagen und steigender Umweltbelastungen in Zukunft nicht Mangelware werden, setzen sechs Fraunhofer-Institute im Leitprojekt »FutureProteins« auf Indoor-Farming-Systeme zur Kultivierung alternativer Proteinquellen: Wie können Weizengras, Luzerne und Kartoffeln erdlos, also ohne Substrat, in Innenräumen bei künstlicher Belichtung erfolgreich kultiviert werden? Und sind solche Verfahren nicht nur ökologisch nachhaltig, sondern auch wirtschaftlich? Das Fraunhofer IWU konzentriert sich insbesondere auf diesen Aspekt, denn für die Akzeptanz von Produktinnovationen im Lebensmittelbereich ist der Preis ein wichtiger Faktor.

Vertical Farming: Innenräume für den Anbau von Agrarprodukten nutzen

Wie Agrarprodukte erfolgreich nicht nur auf Äckern, sondern auch in kontrollierten, geschlossenen Systemen erdlos angebaut werden können, zeigt das am Fraunhofer IME entwickelte, automatisierte Pflanzenzuchtsystem OrbiPlant®. Durch ein integriertes, wellenförmiges Förderbandsystem wird die Anbaufläche in vertikaler Richtung vergrößert. So lässt sich mit dem hoch flexiblen OrbiPlant®-System die im urbanen Umfeld meist limitierte Grundfläche bestmöglich für den Anbau von Pflanzen unterschiedlicher Art nutzen – völlig unabhängig von Wetter, Tages- und Jahreszeit.

Fraunhofer IWU bringt Expertise zur Energieeffizienz ein

Vertical Farming wird keine Nische bleiben – Prognosen sehen den Markt bereits 2030 bei einem Volumen von bis zu 24 Milliarden Dollar. Das ist Grund genug, um auch die Wirtschaftlichkeit der Technologie zu betrachten. Ein wesentlicher Kostenfaktor im Vertical Farming ist die notwendige Klimatisierung und Beleuchtung. Zwar ermöglicht die künstliche Beleuchtung eine hohe Produktivität und Unabhängigkeit von Wettereinflüssen, doch verursacht sie auch Kosten und CO2-Emissionen – auch wenn LED-Technik zum Einsatz kommt. Der konkrete Standort sowie die Gestaltung und Dimensionierung des Energieversorgungssystems sind also entscheidende Faktoren für die Wirtschaftlichkeit der gesamten Anlage.

Das Fraunhofer IWU bringt in »FutureProteins« seine langjährige Expertise zur energieeffizienten Produktion und bei der Nutzung und Integration von erneuerbaren Energien ein.

Mit Energiesimulation bestmögliche Effizienz an völlig unterschiedlichen Standorten gewährleisten

Mit Blick auf die jeweiligen Standortbedingungen in Berlin, auf Island, in Burkina Faso oder in Indien erstellte das Forscher-Team am Fraunhofer IWU zunächst Energie-Szenarien für genau diese Standorte. In dem kleinen Ort Dalvík auf Island herrscht ganzjährig kaltes Klima, die Winter sind lang und dunkel. Kongoussi in Burkina Faso wurde stellvertretend für ländlich geprägte, heiß-trockene Regionen ausgewählt. Die indische Megacity Chennai war beispielsweise 2019 von einer starken Wasserknappheit betroffen. Berlin repräsentiert gemäßigte Klimazonen.

Jeder dieser Standorte erfordert ein maßgeschneidertes Konzept (Szenario) für Technologien zur Energieversorgung, wie lokale Solar- und Windenergie, sowie zur Energiespeicherung, etwa mithilfe von Wasserstoff. In Berlin könnte beispielsweise eine Kombination aus Solarenergie und Batterienutzung sinnvoll sein, während in Island aufgrund der klimatischen Bedingungen die Nutzung von Geothermie in Betracht gezogen werden könnte.

Nach der Erstellung der Szenarien bereitete das Team des Fraunhofer IWU mit Unterstützung der Forscher vom Fraunhofer IGB die Daten auf, um sie für spätere Schritte nutzen zu können. Die Daten beziehen sich beispielsweise auf den Leistungsbedarf bestimmter Komponenten oder auch die Menge an erzeugter Biomasse. Anschließend baute das Team Simulationsmodelle mehrerer Energieversorgungsstrategien auf. Diese Modelle ermöglichten es zunächst, die verschiedenen Szenarien detailliert zu analysieren und die besten Strategien für die jeweilige Region zu identifizieren. Anschließend leiteten die Forscher daraus die Dimensionierung einzelner Komponenten ab, wobei Faktoren wie Energiebedarf, Verfügbarkeit von erneuerbaren Energiequellen und lokale klimatische Bedingungen zu berücksichtigen waren. Den Abschluss bildete eine Optimierung des Gesamtsystems hinsichtlich Kosten und Treibhausgasemissionen mit dem Ziel ökologisch und wirtschaftlich nachhaltiger Lösungen für die Energieversorgung von Vertical-Farming-Systemen.

Standortspezifische Empfehlungen | H2-Kraftwerk in Chemnitz

Bei der Kultivierung von Weizengras im Vertical Farming machen die Kosten für die Beleuchtung und die Klimatisierung mehr als zwei Drittel der gesamten Betriebskosten aus. Daher ist es entscheidend, die Energiekosten so weit wie möglich zu reduzieren. Dies ist besonders wichtig für Standorte wie Berlin, wo die Energiebezugskosten im internationalen Vergleich sehr hoch sind. Hier kann durch die Nutzung eigener Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) in Kombination mit Energiespeichern die Menge an zuzukaufendem Strom reduziert werden. Die Stromgestehungskosten in Deutschland liegen dabei für eine PV-Anlage auf einem Gebäudedach und einem Batteriespeicher zwischen 0,10 und 0,20 €/kWh, je nach Standort und Größe des Energiespeichers.

In Ländern wie Burkina Faso können andere Energiespeicher wie Wasserstoff von großem Interesse sein. Dort ist das Stromnetz instabil und häufig von Ausfällen betroffen. In solchen ländlichen Gebieten ist es daher sinnvoll, auf mehr energetische Autarkie zu setzen. Eine vielversprechende Technologie, um überschüssige Energie zu speichern, ist die Wasserelektrolyse mithilfe von erneuerbaren Energien. Der so erzeugte Wasserstoff kann bei Bedarf in einem Brennstoffzellensystem wieder in elektrische Energie umgewandelt werden.

Wie Wasserstoff optimal als Energiespeicher eingesetzt werden kann, zeigt das Fraunhofer IWU am Standort Chemnitz. Das dortige H2-Kraftwerk im kompakten Design ermöglicht die Speicherung von bis zu 2,5 MWh grüner Energie. Damit könnte eine Vertical-Farming-Produktion auf einer Fläche von 1.500 m² mehr als einen Tag lang unterbrechungsfrei mit elektrischer Energie versorgt werden.

Originalpublikation:

https://www.iwu.fraunhofer.de/de/presse-und-medien/presseinformationen/2024-Vert…