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Kochsalz aktiviert Anti-Tumorzellen

Christina Zielinski und ihr Team finden Hinweise, dass Natriumchlorid die Aktivität bestimmter Immunzellen gegen Krebs steigern kann

Salz könnte helfen, die Immunabwehr gegen Krebs zu steigern. Dies legen Forschungsergebnisse eines Teams um Prof. Dr. Christina Zielinski nahe, die an der Friedrich-Schiller-Universität Jena die Professur für Infektionsimmunologie innehat. Ihre Ergebnisse präsentiert die Gruppe in Nature Immunology.

Natriumchlorid, allgemein als „Kochsalz“ bekannt, war in der Geschichte ein kostbares Handelsgut. Heute ist Speisesalz günstig zu haben und in der Küche unverzichtbar. Daher ist es nicht verwunderlich, dass es längst auch Einzug in unseren Sprachgebrauch gefunden hat – wobei nicht alle Ausdrücke immer etwas Gutes verheißen. Die Redewendung „jemandem Salz in die Wunde streuen“ könnte allerdings bald einen positiven Twist erhalten, und zwar in der Krebstherapie.

War man mit einer Krebserkrankung früher meist dem Tode geweiht, so konnte die Forschung in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte erzielen und die Überlebensdauer bei hoher Lebensqualität für viele Krebsarten deutlich erhöhen. In jüngster Zeit hat sich vor allem die adoptive T-Zell-Therapie zu einem wirksamen Instrument der Behandlung entwickelt. Hier werden bestimmte körpereigene weiße Blutkörperchen, die T-Zellen, so modifiziert, dass sie gezielt Tumorzellen erkennen und bekämpfen können. Die Effektivität dieser Methode wird dabei durch die Stoffwechselaktivität der T-Zellen beeinflusst, die in der immunsuppressiven Umgebung eines Tumors gewöhnlich unterdrückt wird. Es ist deshalb wichtig, Faktoren zu identifizieren, die diese Unterdrückung überwinden.

Das Team um Christina Zielinski vom Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut (Leibniz-HKI) in Jena fand nun einen dieser Faktoren: Natriumionen – ein Bestandteil von Natriumchlorid – verstärken die Effizienz antitumoraler T-Zellen. Die Forschenden konnten zeigen, dass Brustkrebs-Tumoren eine höhere Natriumkonzentration als gesundes Gewebe aufweisen und dass T-Zellen besonders stark gegen Tumoren agieren, wenn die unmittelbare Umgebung eine höhere Natriumkonzentration aufweist. Dann haben diese Patient*innen sogar eine längere Überlebensdauer.

„Wir konnten zeigen, dass Natrium die Immunantwort von CD8+-T-Zellen verstärkt“, sagt Chang-Feng Chu, ein Erstautor der Studie. CD8+-T-Zellen sind Immunzellen, die Tumorzellen oder mit Viren infizierte Zellen im Körper erkennen und abtöten können. „Frühere Forschungsergebnisse zeigten bereits, dass Natrium andere T-Zelltypen reguliert, die an Autoimmunerkrankungen und Allergien beteiligt sind. Wir wollten herausfinden, welchen Einfluss Natrium speziell auf die Aktivität menschlicher CD8+-T-Zellen hat“, erklärt Shan Sun, eine weitere Erstautorin.

Die Forschenden untersuchten deshalb mit verschiedenen Technologien die Wirkung von Natriumionen auf die Genregulation und den Stoffwechselprozess von CD8+-T-Zellen. „Wir haben die menschlichen T-Zellen dafür mit Salz vorbehandelt und dann mit Tumoren kultiviert. Außerdem haben wir Maus-Experimente mit T-Zellen durchgeführt“, erklärt Chu das Schlüsselexperiment.

Immunzellen werden fitter

Die Forschenden stellten fest, dass das Salz die metabolische Fitness der CD8+-T-Zellen verbessert, indem es die Aufnahme von Zucker und Aminosäuren und damit die Energiegewinnung in den Zellen steigert. Dadurch waren die Immunzellen besser in der Lage, Tumorzellen auszuschalten, wie die Experimente an Zellkulturen und Mäusen gezeigt haben. „Bei den Mäusen schrumpften Pankreastumore, nachdem wir ihnen mit Salz vorbehandelte T-Zellen gespritzt haben“, sagt Chu.

Aber wie genau wirkt das Natrium in der Zelle? „Natriumionen erhöhen die Aktivität der Natrium-Kalium-Pumpe an der Zellmembran von T-Zellen. Das führt zu einer Veränderung des Membranpotentials, was wiederum die Aktivierung des T-Zell-Rezeptors verstärkt“, berichtet Sun. „Diese Signalverstärkung erleichtert es den Immunzellen, Tumorzellen effizienter zu töten.“ Ihr Kollege Chu ergänzt: „Das Salz schützt die T-Zellen außerdem vor zu schneller Erschöpfung. Das ist wichtig, weil erschöpfte T-Zellen nach und nach ihre Fähigkeit verlieren, Krebszellen zu bekämpfen.“

Das Forschungsteam empfiehlt, Natriumchlorid künftig als einen positiven Regulator für die „Killer“-Funktion von T-Zellen einzusetzen. Dabei geht es freilich nicht darum, dass die Patient*innen mehr Salz in der Ernährung zu sich nehmen. Vielmehr ist denkbar, dass die Immunzellen außerhalb des Körpers einer erhöhten Salzkonzentration ausgesetzt werden und nach Verabreichung an die Patient*innen hochaktiv gegen Tumorzellen zu Felde ziehen. Gewöhnliches Kochsalz könnte also adoptiv übertragene T-Zellen im Kampf gegen Krebs und möglicherweise auch gegen Infektionskrankheiten unterstützen, die eine Abwehr infizierter Zellen erfordern. Dass jemandem „Salz in die Wunde gestreut“ wird, muss also nicht zwingend nur eine negative Redewendung bleiben.

Beteiligte Institutionen

Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie, Jena
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Universitätsklinikum Jena
Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut, Jena
Technische Universität München
Universität Freiburg
Universitätsklinikum Freiburg
Philipps-Universität Marburg
Technische Universität Braunschweig
Helmholtz Zentrum München
Universitätsklinikum Erlangen
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Universitätsklinikum Würzburg
Medizinische Universität Wien

Förderung

Deutsche Forschungsgemeinschaft
Exzellenzcluster „Balance of the Microverse“
Bundesministerium für Bildung und Forschung
Leibniz-Zentrum für Photonik in der Infektionsforschung
Carl-Zeiss-Stiftung

Originalpublikation

Soll D, Chu CF, Sun S, Lutz V, Arunkumar M, Gachechiladze M, Schäuble S, Alissa-Alkhalaf M, Nguyen T, Khalil MA, Garcia-Ribelles I, Mueller M, Buder K, Michalke B, Panagiotou G, Ziegler-Martin K, Benz P, Schatzlmaier P, Hiller K, Stockinger H, Luu M, Schober K, Moosmann C, Schamel WW, Huber M, Zielinski CE (2024) Sodium chloride in the tumor microenvironment enhances T-cell metabolic fitness and cytotoxicity. Nature Immunology, https://doi.org/10.1038/s41590-024-01918-6.

Das Leibniz-HKI

Das Leibniz-Institut für Naturstoff-Forschung und Infektionsbiologie – Hans-Knöll-Institut – wurde 1992 gegründet und gehört seit 2003 zur Leibniz-Gemeinschaft. Die Wissenschaftler des Leibniz-HKI befassen sich mit der Infektionsbiologie human-pathogener Pilze. Sie untersuchen die molekularen Mechanismen der Krankheitsauslösung und die Wechselwirkung mit dem menschlichen Immunsystem. Neue Naturstoffe aus Mikroorganismen werden auf ihre biologische Aktivität untersucht und für mögliche Anwendungen als Wirkstoffe zielgerichtet entwickelt.

Das Leibniz-HKI verfügt über sieben wissenschaftliche Abteilungen und drei Forschungsgruppen, deren Leiter überwiegend berufene Professoren der Friedrich-Schiller-Universität Jena sind. Hinzu kommen mehrere Nachwuchsgruppen und Querschnittseinrichtungen mit einer integrativen Funktion für das Institut. Gemeinsam mit der Universität Jena betreibt das Leibniz-HKI die Jena Microbial Resource Collection, eine umfassende Sammlung von Mikroorganismen und Naturstoffen. Zurzeit arbeiten etwa 450 Personen am Leibniz-HKI, davon 150 Promovierende.

Das Leibniz-HKI ist Kernpartner großer Verbundvorhaben wie dem Exzellenzcluster Balance of the Microverse, der Graduiertenschule Jena School for Microbial Communication, der Sonderforschungsbereiche FungiNet (Transregio), ChemBioSys und PolyTarget, des Zentrums für Innovationskompetenz Septomics, des Leibniz-Zentrums für Photonik in der Infektionsforschung sowie von InfectControl, einem Konsortium im BMBF-Programm Zwanzig20 – Partnerschaft für Innovation. Das Leibniz-HKI ist zudem Nationales Referenzzentrum für invasive Pilzinfektionen.

Die Leibniz-Gemeinschaft

Die Leibniz-Gemeinschaft verbindet 96 eigenständige Forschungseinrichtungen. Ihre Ausrichtung reicht von den Natur-, Ingenieur- und Umweltwissenschaften über die Wirtschafts-, Raum- und Sozialwissenschaften bis zu den Geisteswissenschaften.

Leibniz-Institute widmen sich gesellschaftlich, ökonomisch und ökologisch relevanten Fragen. Sie betreiben erkenntnis- und anwendungsorientierte Forschung, auch in den übergreifenden Leibniz-Forschungsverbünden, sind oder unterhalten wissenschaftliche Infrastrukturen und bieten forschungsbasierte Dienstleistungen an. Die Leibniz-Gemeinschaft setzt Schwerpunkte im Wissenstransfer, vor allem mit den Leibniz-Forschungsmuseen. Sie berät und informiert Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Öffentlichkeit.

Leibniz-Einrichtungen pflegen enge Kooperationen mit den Hochschulen u.a. in Form der Leibniz-WissenschaftsCampi, mit der Industrie und anderen Partnern im In- und Ausland. Sie unterliegen einem transparenten und unabhängigen Begutachtungsverfahren. Aufgrund ihrer gesamtstaatlichen Bedeutung fördern Bund und Länder die Institute der Leibniz-Gemeinschaft gemeinsam. Die Leibniz-Institute beschäftigen knapp 21.000 Personen, darunter fast 12.000 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler. Der Gesamtetat der Institute liegt bei zwei Milliarden Euro.