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Parkinson: Hirnstimulation kann Dopamineffekt nachahmen
Verlangsamte Bewegung, Zittern, steife Muskeln: Symptome, die für eine Parkinson-Erkrankung typisch sind. Verantwortlich ist der Verlust des auch als Glückshormon bekannten Botenstoffes Dopamin, der zum Übermitteln von Hirnsignalen beiträgt. In der Therapie von Parkinson wird er medikamentös ersetzt, oft begleitet von Nebenwirkungen. Elektrische Impulse können die Wirkung des Dopamins nachahmen, wie Forschende der Charité – Universitätsmedizin Berlin jetzt zeigen konnten. In der Fachzeitschrift Brain* beschreiben sie den Einfluss des Botenstoffes auf Hirnnetzwerke, die die Absicht einer Bewegung weiterleiten. Ziel ist es, die tiefe Hirnstimulation weiterzuentwickeln.
Charité-Forschende entschlüsseln Signale, die willentlichen Bewegungen vorausgehen
Was passiert im Gehirn in den Sekunden, bevor sich ein Arm hebt oder eine Hand schließt? Welche Rolle hat der Botenstoff Dopamin bei der Kommunikation der verantwortlichen Hirnschaltkreise? Und ließe sich möglicherweise durch eine gezielte Stimulation von Hirnarealen der Effekt von Dopamin nachempfinden? Diese Fragen stellte sich ein Forschungsteam um die Neurowissenschafter:innen Prof. Andrea Kühn, Prof. John-Dylan Haynes und Prof. Wolf-Julian Neumann an der Charité.
Im Sonderforschungsbereich ReTune unter Federführung des Nachwuchswissenschaftlers Richard Köhler sowie gemeinsam mit internationalen Kolleg:innen arbeitet das Team daran, die Behandlung von Patient:innen mit Bewegungsstörungen durch tiefe Hirnstimulation voranzubringen. Hierbei werden feine Elektroden ins Gehirn eingesetzt. Sie senden elektrische Impulse an Nervenzellen, die bestimmte Bewegungen beeinflussen. Realisiert werden die dazu notwendigen neurochirurgischen Eingriffe unter anderem an der Charité.
Ein Schlüsselsymptom der Parkinson-Erkrankung ist der Verlust der Fähigkeit, Bewegungen willentlich auszulösen. Erkrankte führen Bewegungen daher nur verlangsamt aus. Man nennt dies Akinese. Zurückzuführen ist die Störung auf einen Mangel des Neurotransmitters Dopamin. Seine Aufgabe ist es, Informationen im Gehirn weiterzuleiten. „Das Dopaminsystem ist essenziell für menschliches Verhalten, für Gefühlswahrnehmungen oder das Ansprechen auf Belohnungen, aber auch für das Planen und Durchführen von Bewegungen“, erklärt Studienleiter Wolf-Julian Neumann. „Auf welche Weise der Botenstoff Einfluss auf die Absicht nimmt, eine Bewegung anzustoßen und inwiefern die tiefe Hirnstimulation diesen Effekt nachahmen kann, war bisher nicht bekannt.“ Diese entscheidende Wissenslücke wollten die Forschenden schließen und den Weg für neue Therapieverfahren bahnen.
Maschinelles Lernen hilft beim „Gedankenlesen“
Parkinson ist die am schnellsten zunehmende Hirnerkrankung weltweit. Betroffene sind in ihrer Lebensqualität deutlich eingeschränkt, eine Heilung gibt es nicht. Die Behandlung erfolgt in der Regel mit Medikamenten, die das fehlende Dopamin ersetzen. Nach einigen Jahren lässt die Wirkung jedoch nach und stark beeinträchtigende Nebenwirkungen stellen sich ein. Für einige Patient:innen kommt in dieser Situation eine tiefe Hirnstimulation infrage. Um das Verfahren noch wirkungsvoller und präziser zu gestalten, haben die Neurowissenschaftler:innen dort angesetzt, wo Bewegungen entstehen, und untersucht, wie sie im Gehirn vorbereitet werden.
„Wir haben uns eine Kombination recht außergewöhnlicher Methoden zunutze gemacht“, erklärt Andrea Kühn. „Bei Parkinson-Patient:innen, die sich einer neurochirurgischen Operation zur tiefen Hirnstimulation unterzogen hatten, haben wir Hirnsignale von Bewegung auslösenden Arealen der Hirnrinde und aus der Tiefe des Gehirns gemessen, während sie bewusste Bewegungen durchführten. Diese Hirnsignale haben wir anschließend über eine Gehirn-Computer-Schnittstelle und mit Methoden des Maschinellen Lernens ausgelesen.“ So war es möglich, eine Bewegungsabsicht sehr früh, noch vor der eigentlichen Muskelaktivierung, aufzuspüren. Ohne den Einsatz der insgesamt 25 Patient:innen wäre eine solche Studie nicht möglich gewesen. Das Forschungsteam dankt ihnen daher ausdrücklich.
Bereits Sekunden vor der eigentlichen Aktion konnten die Forschenden die Absicht zu einer Bewegung entschlüsseln. Um dem Einfluss von Dopamin auf die Spur zu kommen, wiederholten sie den Vorgang vor und nach einer Gabe des Botenstoffes – mit erstaunlichem Ergebnis: „Das Dopamin beschleunigt den Prozess von der Bewegungsintention, also dem Zeitpunkt, an dem das Gehirn erstmals anzeigt, dass eine Bewegung in Planung ist, bis zur eigentlichen Durchführung, deutlich. Auch die Frequenz der Hirnsignale ändert sich, was zu einer schnelleren Umsetzung einer Bewegung führt“, so der Hirnforscher John-Dylan Haynes.
Grundlage für intelligente Hirnschrittmacher
Der Verlust von Dopamin beim Parkinson-Syndrom beeinträchtigt die Kommunikation zwischen tiefen Hirnregionen und motorischer Hirnrinde, auch die Kommunikationsfrequenz verschiebt sich. Genau an dieser Stelle setzt das Team therapeutisch an: „Durch gezielte tiefe Hirnstimulation konnten wir den Effekt von Dopamin imitieren. Die Kommunikation im Hirnnetzwerk wurde schneller und die für Parkinson typische Bewegungsverzögerung verkürzte sich“, sagt Wolf-Julian Neumann.
„Das ist besonders spannend, weil wir zukünftig die tiefe Hirnstimulation im Sinne einer intelligenten Gehirn-Computer-Schnittstelle einsetzen könnten“, blickt der Neurowissenschaftler nach vorn. „Sobald der Wille zu einer Bewegung ausgelesen wird, ließe sich mittels elektrischer Impulse der Weg bis zu ihrer Ausführung beschleunigen.“ Solche sogenannten Hirnschaltkreisprothesen können krankhaft veränderte Hirnsignalmuster korrigieren – in diesem Fall Bewegungsabsichten in Echtzeit entschlüsseln und eine Hirnstimulation anstoßen, sobald sich Patient:innen bewegen wollen. Weitere Forschungsarbeiten werden sich anschließen, um die Therapieform weiterzuentwickeln.
*Köhler RM et al. Dopamine and deep brain stimulation accelerate the neural dynamics of volitional action in Parkinson’s disease. Brain 2024 Oct 3. doi: 10.1093/brain/awae219.
Über die Studie
Die Untersuchung ist ein zentraler Bestandteil des Sonderforschungsbereiches TRR295 ReTune der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Zusätzlich wurden Wolf-Julian Neumann und Stefan Haufe über den Europäischen Forschungsrat (ERC) unterstützt. Andrea Kühn erhielt eine Förderung durch die Lundbeck Foundation, weiterhin hat das NeuroCure Clinical Research Center zur Umsetzung des Projektes beigetragen.