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Verbessert eine frühzeitige Katheterablation die Aussichten bei Menschen mit Vorhofflimmern und Begleiterkrankungen?
Viele Patient:innen mit Vorhofflimmern erleiden Schlaganfälle, andere kardiovaskuläre Komplikationen oder sterben am Herztod. Eine frühe rhythmuserhaltende Behandlung kann einige dieser Ereignisse verhindern, wird jedoch älteren Patient:innen mit Begleitkrankheiten oft nicht angeboten. Die Katheterablation ist die wirksamste rhythmuserhaltende Therapie, wurde aber bisher vorwiegend bei jüngeren Menschen getestet. Das Kompetenznetz Vorhofflimmern (AFNET) initiierte daher die EASThigh – AFNET 11 Studie, um zu untersuchen, ob eine frühe Katheterablation die Folgen bei Patient:innen mit Vorhofflimmern und Begleitkrankheiten verringern kann. Am 14.10.2024 wurde die erste Patientin eingeschlossen.
Weltweit leidet eine wachsende Zahl von Menschen an Vorhofflimmern. Die Betroffenen haben ein erhöhtes Risiko für Schlaganfall, Herzschwäche, Tod und Demenz. Viele Patient:innen entwickeln Vorhofflimmern im hohen Alter, und ältere Menschen mit kardiovaskulären Begleiterkrankungen haben das höchste Risiko für vorhofflimmerbedingte Komplikationen.
Die 2020 erfolgreich abgeschlossene EAST – AFNET 4 Studie und nachfolgende Subanalysen haben gezeigt, dass eine frühzeitig eingeleitete systematische rhythmuserhaltende Therapie bei allen Patient:innen, die Antiarrhythmika oder eine Vorhofflimmerablation erhalten, die mit Vorhofflimmern verbundenen Komplikationen im Vergleich zur üblichen Behandlung verringern kann (1). Diese Ergebnisse und nachfolgende Analysen anderer Studien führten zu einem Paradigmenwechsel bei der Behandlung von Vorhofflimmern hin zu einem früheren und breiteren Einsatz der rhythmuserhaltenden Therapie.
Vorab festgelegte sekundäre Analysen der EAST – AFNET 4 Daten ergeben, dass Patient:innen mit Vorhofflimmern und mehreren zusätzlichen Erkrankungen am meisten von einer frühen rhythmuserhaltenden Therapie profitieren (2). Diese positive Wirkung einer frühen rhythmuserhaltenden Behandlung wird durch das Erreichen eines Sinusrhythmus vermittelt (3). Die Vorhofflimmerablation ist die wirksamste rhythmuserhaltende Behandlung und daher eine attraktive Therapie zum Rhythmuserhalt bei Patient:innen mit vielen Begleiterkrankungen, die viele weitere Medikamente benötigen und ein hohes Risiko für Vorhofflimmer-Rezidive haben.
Die EASThigh – AFNET 11 (Early atrial fibrillation ablation for stroke prevention in patients with high comorbidity burden) Studie testet deshalb die frühzeitige Vorhofflimmerablation in den Pulmonalvenen als rhythmuserhaltende Therapie der ersten Wahl bei älteren Patient:innen mit mehreren Begleiterkrankungen, definiert durch einen CHA2DS2VASc Score von 4 oder höher.
Bei Eintritt in die Studie werden alle Teilnehmer:innen nach dem Zufallsprinzip einer von zwei gleich großen Gruppen zugeordnet, wo sie entweder eine frühe Vorhofflimmerablation mit etablierten Single-Shot-Geräten oder die heute übliche Behandlung mit Antikoagulation und leitliniengerechter Behandlung bestehender Begleiterkrankungen erhalten. EASThigh – AFNET 11 plant den Einschluss von etwa 2350 Patient:innen an 200 Standorten in Europa, Kanada und Australien. Zur Beurteilung der Wirksamkeit (primary outcome) werden kardiovaskuläre Todesfälle, Schlaganfälle und Krankenhausaufenthalte aufgrund von Herzschwäche untersucht. Die Sicherheit wird anhand von Komplikationen im Zusammenhang mit der Ablation und anhand von Todesfällen bewertet (safety outcome).
Die rhythmuserhaltende Therapie und insbesondere die Ablation von Vorhofflimmern wird bei älteren Patient:innen mit Vorhofflimmern und Begleiterkrankungen noch nicht häufig eingesetzt. Die Studie wird die Sicherheit und Wirksamkeit der frühen Vorhofflimmerablation in dieser unzureichend erforschten Bevölkerungsgruppe untersuchen. Obwohl die Vorhofflimmerablation eine ausgereifte Technologie ist, gibt es nur wenige kontrollierte Studien zur Sicherheit der Vorhofflimmerablation bei älteren Menschen mit Vorhofflimmern und Begleiterkrankungen. Die EASThigh – AFNET 11 Wissenschaftler:innen wollen diese Evidenzlücke schließen.
Der internationale Studienleiter von EASThigh – AFNET 11 und Vorstandsvorsitzende des AFNET, Prof. Paulus Kirchhof, Universitätsklinikum Eppendorf (UKE), Hamburg, verdeutlicht die Rolle der Katheterablation: „Die komplikationsverhindernde Wirkung des frühen Rhythmuserhalts beruhte in der EAST – AFNET 4 Studie vor allem auf dem sicheren Einsatz von etablierten Antiarrhythmika. EASThigh – AFNET 11 untersucht eine effektivere rhythmuserhaltende Therapie, nämlich die Vorhofflimmerablation. Dies ist ein logischer und wichtiger nächster Schritt, um die Rolle der frühzeitigen Vorhofflimmerablation zur Unterstützung unserer Patient:innen mit Vorhofflimmern zu bestimmen.“
Prof. Andreas Goette, St. Vincenz-Krankenhaus Paderborn, Deutschland, Mitglied des wissenschaftlichen Lenkungsgremiums von EASThigh – AFNET 11 und des AFNET Vorstands, formuliert die Erwartungen an die Studie wie folgt: „Die Ergebnisse werden in die Praxisleitlinien und in die Routineversorgung einfließen und dazu beitragen, die beste Behandlung für Patient:innen mit Vorhofflimmern und mehreren Begleiterkrankungen zu definieren. Die Ergebnisse der EASThigh – AFNET 11 Studie haben ein großes Potenzial, zu einem gesünderen Altern in einer großen Bevölkerungsgruppe mit erhöhtem Risiko für vorzeitigen Tod, Schlaganfall und Herzschwäche beizutragen.“
Der Ko-Leiter der EASThigh – AFNET 11 Studie, Dr. Andreas Rillig, UKE, erklärt: „Um die Sicherheit zu maximieren und eine konsistente Wirksamkeit zu gewährleisten, soll die frühe Vorhofflimmerablation in EASThigh – AFNET 11 durch eine Single Shot-Kryoballon-basierte Isolierung der Lungenvenen durchgeführt werden. EASThigh – AFNET 11 ist eine Teamleistung, dank derer es gelungen ist, heute die erste Patientin zu randomisieren.“
EASThigh – AFNET 11 ist wie EAST – AFNET 4 eine wissenschaftsinitiierte Studie (IIT), die zwei zugelassene Behandlungsstrategien bei Patient:innen mit Vorhofflimmern vergleicht. Sponsor der Studie ist AFNET. Die Studie wurde vom Global Cardiovascular Research Funders Forum befürwortet wird derzeit von der Else Kröner-Fresenius-Stiftung (EKFS), anderen öffentlichen Geldgebern und von Medtronic finanziert. Zu den Mitgliedern des Lenkungsgremiums gehören Paulus Kirchhof AFNET und Hamburg, Andreas Rillig, Hamburg, Jason Andrade, Vancouver, Kanada, Andreas Goette, AFNET und Paderborn, José Merino, Madrid, Spanien, Andreas Metzner, Hamburg, Jens Cosedis Nielsen, Aarhus, Dänemark, Andre Ng, Leicester, Großbritannien, Sam Riahi, Aalborg, Dänemark, Prash Sanders, Adelaide, Australien, Ulrich Schotten, AFNET und Maastricht, Niederlande, Kevin Vernooy, Maastricht, Stephan Willems, AFNET und Hamburg und Antonia Zapf, AFNET und Hamburg, sowie ein Patient:innenvertreter, der die Perspektive der Betroffenen mit einbringt.
Publikationen
(1) Kirchhof P, Camm AJ, Goette A, Brandes A, Eckardt L, Elvan A, Fetsch T, van Gelder IC, Haase D, Haegeli LM, Hamann F, Heidbüchel H, Hindricks G, Kautzner J, Kuck K-H, Mont L, Ng GA, Rekosz J, Schön N, Schotten U, Suling A, Taggeselle J, Themistoclakis S, Vettorazzi E, Vardas P, Wegscheider K, Willems S, Crijns HJGM, Breithardt G, for the EAST–AFNET 4 trial investigators. Early rhythm control therapy in patients with atrial fibrillation. N Engl J Med 2020; 383:1305-1316. DOI: 10.1056/NEJMoa2019422
(2) Rillig A, Borof K, Breithardt G, Camm AJ, Crijns HJGM, Goette A, Kuck KH, Metzner A, Vardas P, Vettorazzi E, Wegscheider K, Zapf A, Kirchhof P. Early rhythm control in patients with atrial fibrillation and high comorbidity burden. Circulation. 2022 Sep 13;146(11):836-847. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.122.060274
(3) Eckardt L et al. Attaining sinus rhythm mediates improved outcome with early rhythm control therapy of atrial fibrillation: the EAST – AFNET 4 trial. Eur Heart J, 2022 Oct 21;43(40):4127-4144. DOI: 10.1093/eurheartj/ehac471
Registrierung: NCT06324188
EAST – AFNET 4 Studie
EAST – AFNET 4 wurde 2020 abgeschlossen. In der wissenschaftsinitiierten Studie wurden zwei unterschiedliche Behandlungsstrategien bei Vorhofflimmern verglichen wurden. Die EAST – AFNET 4 Studie testete, ob eine frühe und umfassende rhythmuserhaltende Therapie bei Patient:innen mit Vorhofflimmern kardiovaskuläre Komplikationen besser verhindert als die übliche Behandlung.
Insgesamt 2789 Menschen mit frühem Vorhofflimmern (weniger als ein Jahr nach der ersten Diagnose) und mindestens zwei Herz-Kreislauf-Erkrankungen (annähernd ein CHA₂DS₂-VASc-Score von mindestens 2) nahmen an der EAST – AFNET 4 Studie teil. Sie wurden von 2011 bis 2016 in 135 Kliniken und Praxen in elf europäischen Ländern in die Studie eingeschlossen. Die Studienteilnehmer:innen wurden einer der beiden Behandlungsgruppen „früher Rhythmuserhalt“ oder „übliche Behandlung“ nach dem Zufallsprinzip zugeordnet (Randomisierung). Die Patient:innen in beiden Gruppen erhielten eine von den Leitlinien empfohlene Behandlung kardiovaskulärer Begleiterkrankungen, Blutgerinnungshemmung und Frequenzregulierung.
Alle Patient:innen der Gruppe „früher Rhythmuserhalt“ erhielten nach der Randomisierung zusätzlich Antiarrhythmika oder eine Katheterablation (von den lokalen Studienteams ausgewählt). Die rhythmuserhaltende Therapie wurde durch Vorhofflimmerablation und/oder Antiarrhythmika eskaliert, wenn ein rezidivierendes Vorhofflimmern klinisch oder per EKG dokumentiert wurde, einschließlich der Überwachung mit vom Patienten selbst betriebenen EKG-Geräten.
Patient:innen der Gruppe „übliche Behandlung“ wurden zunächst frequenzregulierend behandelt. Eine rhythmuserhaltende Therapie entsprechend den geltenden Leitlinien wurde nur eingesetzt, um durch Vorhofflimmern verursachte Symptome zu bessern, die trotz optimaler Frequenzregulierung auftraten.
In mehreren Veröffentlichungen wurde über die Auswirkungen der frühen rhythmuserhaltenden Therapie in verschiedenen Subpopulationen berichtet sowie über die Wechselwirkung der frühen rhythmuserhaltenden Therapie mit genetischen Daten und Biomolekülkonzentrationen in der EAST – AFNET 4 Biomolekülstudie.
EAST – AFNET 4 Subanalysen
• Rillig A et al. Early rhythm control therapy in patients with heart failure. Circulation 2021;144(11):845-858. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.121.056323
• Metzner A et al. Anticoagulation, therapy of concomitant conditions, and early rhythm control therapy: a detailed analysis of treatment patterns in the EAST – AFNET 4 trial. EP Europace 2022; 24:552–564. DOI: 10.1093/europace/euab200
• Willems S et al. Systematic, early rhythm control therapy equally improves outcomes in asymptomatic and symptomatic patients with atrial fibrillation: the EAST-AFNET 4 Trial. Eur Heart J. 2022; 43:1219-1230. DOI: 10.1093/eurheartj/ehab593
• Goette A et al. Presenting Pattern of Atrial Fibrillation and Outcomes of Early Rhythm Control Therapy. J Am Coll Cardiol. 2022; 80:283-95. DOI: 10.1016/j.jacc.2022.04.058
• Rillig A et al. Early rhythm control in patients with atrial fibrillation and high comorbidity burden. Circulation. 2022 Sep 13;146(11):836-847. DOI: 10.1161/CIRCULATIONAHA.122.060274
• Eckardt L et al. Attaining sinus rhythm mediates improved outcome with early rhythm control therapy of atrial fibrillation: the EAST – AFNET 4 trial. Eur Heart J, 2022 Oct 21;43(40):4127-4144. DOI: 10.1093/eurheartj/ehac471
• Jensen M et al. Early rhythm-control therapy for atrial fibrillation in patients with a history of stroke: a subgroup analysis of the EAST- AFNET 4 trial. Lancet Neurol 2023; 22: 45–54. DOI: 10.1016/PIIS1474-4422(22)00436-7
• Van Gelder IC et al; EAST-AFNET 4 Trial Investigators. Sex Differences in Early Rhythm Control of Atrial Fibrillation in the EAST-AFNET 4 Trial. J Am Coll Cardiol. 2023 Feb 28;81(8):845-847. DOI: 10.1016/j.jacc.2022.12.011
• Gottschalk S et al. Cost- effectiveness of early rhythm-control versus usual care in atrial fibrillation care: an analysis based on the German subsample of the EAST-AFNET 4 trial. EP Europace 2023 May 19;25(5). DOI: 10.1093/europace/euad051
• Kany S et al. Association of genetic risk and outcomes in patients with early rhythm control therapy in atrial fibrillation: results from the EAST-AFNET4 study. Cardiovasc Res 2023 Aug 7;119(9):1799-1810. DOI: 10.1093/cvr/cvad027
• Fabritz L et al. Blood-based cardiometabolic phenotypes in atrial fibrillation and their associated risk: EAST-AFNET 4 biomolecule study. Cardiovasc Res 2024. DOI: 10.1093/cvr/cvae067
• Rillig A et al. Safety and efficacy of long-term sodium channel blocker therapy for early rhythm control: the EAST-AFNET 4 trial. Europace 2024 Jun 3;26(6). DOI: 10.1093/europace/euae121
Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET)
Das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. (AFNET) ist ein interdisziplinäres Forschungsnetzwerk, in dem Wissenschaftler:innen und Ärzt:innen aus Kliniken und Praxen zusammenarbeiten, um die Behandlung von Vorhofflimmern durch koordinierte Forschung in Deutschland, Europa und weltweit zu verbessern. Dazu führt das Kompetenznetz Vorhofflimmern e.V. wissenschaftsinitiierte, nicht-kommerzielle, klinische Studien (investigator initiated trials = IIT), Register und translationale Forschungsprojekte in Deutschland und weltweit durch. Das AFNET wurde vor über 20 Jahren erschaffen und anfangs vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert. Der heutige Verein AFNET e.V. wurde 2010 gegründet und führt die Arbeiten fort. Projekte und Infrastrukturen des AFNET erhalten finanzielle Unterstützung vom Deutschen Zentrum für Herz-Kreislauf-Forschung (DZHK), aus EU-Forschungsmitteln und von Industriepartnern. Das AFNET verfügt über langjährige Erfahrung in der Behandlung von Vorhofflimmern, unterstützt aber auch Forschungsarbeiten in anderen Bereichen, die für die kardiovaskuläre Versorgung relevant sind. Außerdem veranstaltet das AFNET regelmäßige Konsensuskonferenzen mit der European Heart Rhythm Association (EHRA). Die Erkenntnisse aus der mittlerweile 20jährigen klinischen und translationalen Forschung des Forschungsnetzes haben das Leben von Patient:innen mit Herz-Kreislauf-Erkrankungen verbessert und Behandlungsleitlinien beeinflusst.
http://www.kompetenznetz-vorhofflimmern.de