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Ein Pilz für Darmkrebs-Therapie
Pflanzen-Pilz liefert neuen Wirkstoff für neues zelluläres Ziel
Neuartige chemische Strukturen aus einem Pilz könnten neue Perspektiven für die Behandlung von Darmkrebs (kolorektales Karzinom) eröffnen, einer der weltweit häufigsten und tödlichsten Krebsarten: Ein Forschungsteam berichtet in der Zeitschrift Angewandte Chemie über die Isolierung und Charakterisierung einer bisher unbekannten Klasse von Metaboliten (Terpen-Nonadrid-Heterodimere). Einer dieser Naturstoffe tötet Darmkrebszellen sehr effektiv ab. Angriffspunkt ist das Enzym DCTPP1, das damit als neuer potenzieller Darmkrebs-Biomarker und therapeutisches Ziel gelten kann.
Statt mit konventionellen nebenwirkungsreichen Zytostatika werden Krebserkrankungen heute vielfach durch zielgerichtete Tumortherapien behandelt, die sich gegen spezielle Zielmoleküle, „Targets“, der Tumorzellen richten. Dennoch ist die Prognose bei Darmkrebs immer noch schlecht. Neue Targets und neuartige Wirkstoffe sind gefragt.
Zielgerichtete Tumortherapien basieren meist auf kleinen Molekülen aus Pflanzen, Pilzen, Bakterien und marinen Organismen. Etwa die Hälfte der aktuellen Krebsmedikamente wurde ausgehend von Naturstoffen entwickelt. Das Team um Ninghua Tan, Yi Ma und Zhe Wang von der China Pharmaceutical University (Nanjing, China) wählte Bipolaris victoriae S27, eine auf Pflanzen lebende Pilzart, als Ausgangspunkt für ihre Suche nach neuen Wirkstoffen.
Das Team analysierte zunächst die möglichen Stoffwechselprodukte, indem es den Pilz unter den vielfältigen Bedingungen kultivierte (OSMAC-Methode, „one strain, many compounds“). Dabei entdeckte es zwölf ungewöhnliche chemische Strukturen einer bisher unbekannten Verbindungsklasse: Terpen-Nonadrid-Heterodimere, d.h. Verbindungen aus einem Terpen und einen Nonadrid. Terpene sind eine große Gruppe weit in der Natur verbreiteter Verbindungen mit sehr vielfältigen Kohlenstoffgerüsten, die sich auf Isopren-Einheiten zurückführen lassen. Nonadride sind Kohlenstoff-Neunringe mit Maleinsäureanhydrid-Gruppen. Auch die zugehörigen Monomere dieser „Bipoterpride“ getauften Dimer-Klasse konnten identifiziert werden, darunter ebenfalls strukturelle Neulinge (bicyclische 5/6-Nonadride mit Kohlenstoffumlagerungen).
Neun der Bipoterpride waren gegenüber Darmkrebszellen wirksam. Am effektivsten zeigte sich Bipoterprid Nr. 2, das Tumorzellen ebenso effektiv abtötete wie das klassische Zytostatikum Cisplatin. Im Mausmodell brachte es Tumore zum Schrumpfen, ohne toxische Nebenwirkungen.
Mit mehreren Methoden analysierte das Team den Wirkmechanismus: Bipoterprid 2. hemmt die dCTP-Pyrophosphatase 1 (DCTPP1), ein Enzym, das den zellulären Nukleotid-Pool reguliert. Das Heterodimer bindet dabei deutlich stärker als seine beiden einzelnen Monomere. Die Aktivität von DCTPP1 ist in bestimmten Tumorarten deutlich erhöht, was die Invasion, Wanderung und Vermehrung der Zellen fördert, den programmierten Zelltod hemmt und Krebszellen zudem helfen kann, sich Therapien zu widersetzen. Bipoterprid 2 hemmt dessen enzymatische Aktivität und stört so den – krankhaft veränderten – Aminosäure-Metabolismus der Tumorzellen.
Das Team konnte DCTPP1 somit als neues Target für die Darmkrebs-Therapie identifizieren und Bipoterpride als potenzielle Wirkstoff-Kandidaten.
Originalpublikation:
https://doi.org/10.1002/ange.202402543
Weitere Informationen:
Angewandte Chemie: Presseinfo 15/2024
Die „Angewandte Chemie“ ist eine Publikation der GDCh.