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Kontrolle über Leben und Tod von Zellen

Der Zelltod ist für das Leben unverzichtbar, denn er sorgt dafür, dass beschädigte oder nicht mehr benötigte Zellen entfernt werden. Unter den vielen Möglichkeiten, wie eine Zelle sterben kann, ist die Ferroptose eine einzigartige und regulierte Form des Zelltods. Dieser Prozess spielt eine wichtige Rolle bei der Entstehung verschiedener Krankheiten. Prof. Marcus Conrad und sein Team bei Helmholtz Munich sind Pioniere in der Ferroptose-Forschung. Ihre Erkenntnisse tragen maßgeblich zur Entwicklung neuer Therapien gegen Krankheiten wie Krebs und neurodegenerative Erkrankungen bei.

Der Kreislauf des Lebens: Wenn ein Leben endet, ebnet es den Weg für einen neuen Anfang. Dieser natürliche Kreislauf ist für die Aufrechterhaltung von Ökosystemen, in denen verschiedene Arten in einem fein abgestimmten Gleichgewicht koexistieren, unerlässlich. Er spielt auch eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit biologischer Systeme innerhalb einzelner Organismen. Gealterte oder funktionsuntüchtige Komponenten werden systematisch entfernt, um Platz für neue, leistungsfähige Zellen zu schaffen.

Zelltod: Der Haushälter des Körpers

Durch einen kontrollierten Zellumsatz werden alte oder geschädigte Zellen durch neue ersetzt, wodurch Gewebe und Organe gesund und funktionsfähig bleiben. Während der Entwicklung verändern sich Gewebe und Organe kontinuierlich, bis sie im Erwachsenenalter ihre endgültige Form erreichen. Außerdem kann unser Immunsystem infizierte oder potenziell schädliche Zellen erkennen und eliminieren. Dieser Zyklus aus geregeltem Zelltod und Zellerneuerung fungiert als ständige Qualitätskontrolle des Körpers.

Es gibt verschiedene Zelltodprogramme, die jeweils durch unterschiedliche molekulare Mechanismen charakterisiert und ausgelöst werden. Spezifische Rezeptoren auf den Zellen können beispielsweise erkennen, wann bestimmte Zellen entfernt werden müssen, und einen Prozess in Gang setzen, der die Bestandteile der Zelle abbaut. Dieser Prozess stellt sicher, dass die betreffende Zelle beseitigt wird, ohne die umliegenden Zellen zu schädigen.

Zelltod durch Ferroptose

Die Ferroptose (vom lateinischen Wort für Eisen, „Ferrum“, und „-ptosis“, ein griechisches Wort für „Fallen“ oder „Tod“) ist eine besondere Form des regulierten Zelltods, eine der ältesten und am weitesten verbreiteten Formen. Sie ist durch die Zerstörung von Zellmembranen gekennzeichnet, die für das Überleben einer Zelle entscheidend sind. Dieser Prozess wird von Eisen beeinflusst, da ungebundener, so genannter „labiler“, Eisen die Bildung von hochreaktiven Molekülen, den sogenannten Lipidperoxiden, katalysieren kann – Schlüsselmarker dieser Form des Zelltodes. Wenn Ferroptose ausgelöst wird, schädigen diese Lipidperoxide die Zellmembranen, wodurch sie undicht werden und ihre Integrität nicht mehr aufrechterhalten können. Sie laufen buchstäblich aus. Trotz ihrer Bedeutung verstehen Wissenschaftler:innen noch nicht vollständig, warum Ferroptose ausgelöst wird. Ihre Rolle bei der Krankheitsentstehung macht sie jedoch zu einem interessanten Forschungsgegenstand.

Die Ferroptose wurde erstmals 2012 benannt. Doch schon vor der offiziellen Namensgebung leisteten Prof. Marcus Conrad und sein Team am Institute of Metabolism and Cell Death bei Helmholtz Munich Pionierarbeit auf dem Gebiet des oxidativen Zelltods. Insbesondere die Entdeckung des Ferroptose-Suppressorproteins-1 (FSP1) im Jahr 2019 war für viele bedeutende Fortschritte und translationale Ansätze ausschlaggebend. FSP1 wurde als zweiter kritischer Faktor neben der Glutathionperoxidase 4 (GPX4) (siehe unten) identifiziert, der Zellen vor dem Zelltod durch Ferroptose schützt, indem er die unkontrollierte Bildung von (Phospho)lipidhydroperoxiden innerhalb der Zelle verhindert.

Das Team hat auch umfangreiche Forschungen zum wichtigsten Ferroptose-unterdrückenden Enzym GPX4 durchgeführt und dessen entscheidende Rolle beim Schutz von Zellen und Organen vor Lipidperoxidation bereits im Jahr 2008 aufgedeckt. GPX4 ist ein essenzielles Enzym im menschlichen Körper. Es spielt eine einzigartige Rolle beim Auffangen von (Phospho)Lipidperoxiden, schädlichen Nebenprodukten von oxidativem Stress. Diese Funktion macht GPX4 besonders wichtig für die Verhinderung von Ferroptose. Durch die Entgiftung von Lipidperoxiden und die Aufrechterhaltung der Integrität der Zellmembranen fungiert GPX4 als wichtiger Verteidiger gegen oxidative Schäden und bewahrt die Zellen vor dem unerwünschten Tod durch Ferroptose.

Doppelte Rolle: Ferroptose in Gesundheit und Krankheit

Ferroptose kann sowohl vor Krankheiten schützen als deren Fortschreiten fördern. Einerseits hilft sie, schädliche oder funktionsgestörte Zellen zu beseitigen; andererseits entwickeln bestimmte kranke Zellen Mechanismen, um die Ferroptose zu umgehen. So können sie trotz ihrer schädlichen Auswirkungen auf den Körper überleben und sich vermehren. Dieser Prozess spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung verschiedener Krankheiten wie Krebs und neurodegenerativen Erkrankungen wie Alzheimer.

Das von Prof. Marcus Conrad geleitete Forschungsteam widmet sich der Entdeckung klinisch wirksamer Verbindungen, die die Ferroptose in kranken Zellen selektiv auslösen können. Jüngste Durchbrüche haben zur Identifizierung von Molekülen geführt, die FSP1 hemmen – ein Protein, das Ferroptose verhindert und es Krebszellen ermöglicht, dieser Form des Zelltods zu entkommen.

Weitere Forschungsarbeiten haben die Ferroptose auch mit einem physikalisch-chemischen Prozess in Verbindung gebracht, der als Phasentrennung bezeichnet wird. Phasentrennung tritt auf, wenn sich bestimmte Komponenten innerhalb einer Zelle, wie Lipide, Proteine oder RNA, selbst organisieren und unterschiedliche Kompartimente oder Strukturen bilden. Diese Selbstorganisation kann die Zellfunktionen beeinflussen. Somit könnten diese neuen Erkenntnisse für die Behandlung von verschiedenen Krankheiten einschließlich Krebs innovative Ansätze liefern, indem diese unterteilten Prozesse gezielt angegangen werden.

Pharmakologische Auswirkungen: Ferroptose als neuartiges Ziel in der Krebstherapie

Die gezielte Bekämpfung der Ferroptose birgt ein erhebliches Potenzial für die Tumorunterdrückung bei der Krebsbehandlung. Die Beeinflussung des Zelltods durch Ferroptose ist eine vielversprechende Strategie zur Krebsbekämpfung, da sie die hohe Anfälligkeit bestimmter Krebszellen für diese Form des Todes ausnutzt. Die Situation ist jedoch komplex: Während einige metastatische und therapieresistente Krebsarten gut auf Ferroptose-induzierende Medikamente ansprechen, sind andere möglicherweise weniger empfindlich.

Forschende entwickeln derzeit Medikamente, die entweder die Ferroptose in Krebszellen auslösen, die dafür empfänglich sind, oder die Mechanismen hemmen, die es anderen Krebszellen ermöglichen, diesem Prozess zu entgehen. Wichtige Regulatoren der Ferroptose, wie GPX4 und FSP1, haben sich als potenzielle Ziele für die Krebstherapie herausgestellt. Durch das Verständnis und die Manipulation dieser Regulatoren wollen Wissenschaftler:innen die Anfälligkeit von Krebszellen für Ferroptose erhöhen und so das Tumorwachstum verlangsamen oder stoppen.