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Altern mit MS: Therapieanpassungen oft nötig

Original Titel:
Multiple sclerosis in the elderly: a retrospective cohort study

DGP – Multiple Sklerose (MS) ist längst keine Erkrankung junger Menschen mehr, selbst wenn sie häufiger in jüngeren Jahren einsetzt. Früherkennung und moderne Therapie ermöglichen den meisten Patienten ein langes Leben. Damit stellen sich inzwischen allerdings häufiger neue Fragen im Management der MS, da ein höheres Alter ein wichtiger, die Therapie beeinflussender Faktor ist.


Veränderungen des Körpers im Alter beeinflussen auch die MS-Therapie

So können krankheitsmodifizierende Therapien durch altersbedingte Veränderungen des Immunsystems wie der Immunseneszenz mit anderen oder mehr unerwünschten Effekten einhergehen. Darüber hinaus treten mit dem Alter vermehrt Begleiterkrankungen auf, die womöglich durch bestehende Medikationen nachteilig beeinflusst werden können. So kommen zum Beispiel kardiovaskuläre Erkrankungen, wie etwa Bluthochdruck, häufiger in höherem Alter vor: In einer Kohorte von 1 200 MS-Patienten ab 55 Jahren in Österreich war jeder 2. betroffen.1 Bluthochdruck ist aber auch eine mögliche Nebenwirkung mancher Wirkstoffe wie Teriflunomid und Fingolimod.2 Mehr Begleiterkrankungen bedeuten meist auch mehr Medikation bis hin zur Multimedikation, mit höherem Risiko für Wechselwirkungen zwischen Medikamenten und unerwünschten Ereignissen.2

Altern bedeutet kein Ende der MS-Progression

Sollte eine MS-Therapie bei älteren Menschen mit stabiler MS denn beendet werden? Die Analyse über ältere MS-Patienten zeigte, dass Personen in aktiver krankheitsmodifizierender Therapie im Schnitt unter einer Begleiterkrankung weniger litten als unbehandelte Personen mit MS (p = 0,041). Gleichzeitig stieg der mittlere Behinderungsgrad (EDSS) mit der Zahl der Begleiterkrankungen an. Das Risiko für einen EDSS-Wert von 6 stieg mit jeder weiteren Begleiterkrankung um 22 % an.1 Die MS schritt demnach auch in höherem Alter fort. Dies zeigt sich auch anhand der Late-Onset-MS, die ab einem Alter von 50 Jahren einsetzt und in der österreichischen Kohorte der Patienten an 55 Jahren bei etwa jeder 3. Person diagnostiziert wurde.1 Zudem kann es zu einer schleichenden Progression der MS kommen und zu einer reduzierten Kapazität des Körpers, Schädigungen infolge eines Schubs entgegenwirken.3
Eine Studie mit 259 Personen ab 55 Jahren mit stabiler MS verglich über 2 Jahre einen Therapieabbruch mit einer fortlaufenden Behandlung mit krankheitsmodifizierender Therapie. In dem kurzen Beobachtungszeitraum wurden keine signifikanten Unterschiede in der Schubrate oder neuauftretender Krankheitsaktivität im MRT festgestellt. Jedoch zeigte sich nach Therapieabbruch eine geringe Zunahme der MRT-Aktivität und bei mehr als jedem 10. Patienten kam es zu einer Krankheitsreaktivierung. Bei stabiler Erkrankung kann demnach, so das Fazit der Autoren, ein Abbruch der Therapie versucht werden, jedoch besteht das Risiko eines Wiederaufflammens der MS.4

Deeskalation statt Therapieabbruch im Alter

Experten plädieren daher vermehrt für eine Deeskalation statt für einen Therapieabbruch im Alter, wenn das Risikoprofil des jeweiligen Patienten dies erlaubt.5,3
Dies spiegelt sich in der aktuellen Leitlinie zur Behandlung der Multiplen Sklerose wider: Darin wird empfohlen, nicht allein aufgrund eines höheren Alters bei Erstmanifestation einer aktiven MS (> 55 Jahre) auf Einleitung einer Immuntherapie zu verzichten. Jedoch solle im höheren Erwachsenenalter (> 55 Jahre) aufgrund der Veränderungen im Immunsystem sowie einer veränderten Pharmakokinetik und -dynamik von Medikamenten in einer engmaschigeren Überwachung besonders auf Unverträglichkeiten, Risiken und Nebenwirkungen geachtet werden.6 Bei laufenden Behandlungen von schubförmiger MS, so die aktuelle Empfehlung der Leitlinie, kann nach mindestens fünf Jahren ohne Krankheitsaktivität in der Behandlung und einer zuvor unbehandelt nur geringen Krankheitsaktivität eine Therapiepause erwogen werden. Allerdings soll auf das Risiko verwiesen werden, dass es erneut zu Krankheitsaktivität kommen kann. Dazu bezieht sich die Leitlinie auch auf Ergebnisse der „DOT-MS“-Studie, die bisher nur auf Kongressen präsentiert wurde und wegen hoher Krankheitsaktivität nach Therapieabbruch vorzeitig beendet wurde.7

Fortgeschrittenes Alter und Immunseneszenz hindern somit die MS nicht daran, fortzuschreiten. Ein höheres Alter geht jedoch mit veränderten Rahmenbedingungen für die MS-Therapie einher. Begleiterkrankungen und Polymedikation spielen eine wichtigere Rolle in der Therapiewahl. Patienten sollten zudem auch in höherem Alter neue oder sich verändernde Symptome mit dem behandelnden Arzt besprechen, um mögliche Nebenwirkungen krankheitsmodifizierender Therapien früh zu erkennen und die Therapie nach Bedarf anzupassen.

 

Weitere Informationen zur MS finden Sie unter https://www.ms-gateway.de/

 

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Referenzen

1: Zinganell A, Göbel G, Berek K, Hofer B, Asenbaum-Nan S, Barang M, Böck K, Bsteh C, Bsteh G, Eger S, Eggers C, Fertl E, Joldic D, Khalil M, Langenscheidt D, Komposch M, Kornek B, Kraus J, Krendl R, Rauschka H, Sellner J, Auer M, Hegen H, Pauli FD, Deisenhammer F. Multiple sclerosis in the elderly: a retrospective cohort study. J Neurol. 2024 Feb;271(2):674-687. doi: 10.1007/s00415-023-12041-1. Epub 2023 Oct 19. PMID: 37855871.

2: Macaron G, Larochelle C, Arbour N, Galmard M, Girard JM, Prat A and Duquette P (2023) Impact of aging on treatment considerations for multiple sclerosis patients. Front. Neurol. 14:1197212. doi: 10.3389/fneur.2023.1197212 https://doi.org/10.3389/fneur.2023.1197212

3: Motte J and Gold R (2023) Multiple Sklerose: Besonderheiten im höheren Alter. Dtsch Arztebl 2023; 120(50): [6]; DOI: 10.3238/PersNeuro.2023.12.15.01 https://www.aerzteblatt.de/archiv/235947

4: Corboy JR, Fox RJ, Kister I, Cutter GR, Morgan CJ, Seale R, Engebretson E, Gustafson T, Miller AE; DISCOMS investigators. Risk of new disease activity in patients with multiple sclerosis who continue or discontinue disease-modifying therapies (DISCOMS): a multicentre, randomised, single-blind, phase 4, non-inferiority trial. Lancet Neurol. 2023 Jul;22(7):568-577. doi: 10.1016/S1474-4422(23)00154-0. PMID: 37353277.

5: Vollmer BL, Wolf AB, Sillau S, Corboy JR, Alvarez E. Evolution of Disease Modifying Therapy Benefits and Risks: An Argument for De-escalation as a Treatment Paradigm for Patients With Multiple Sclerosis. Front Neurol. 2022 Jan 25;12:799138. doi: 10.3389/fneur.2021.799138. PMID: 35145470; PMCID: PMC8821102. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35145470/

6: Hemmer B, et al.: Diagnose und Therapie der Multiplen Sklerose, Neuromyelitis-optica-Spektrum-Erkrankungen und MOG-IgG-assoziierten Erkrankungen, S2k-Leitlinie, 2023, in: Deutsche Gesellschaft für Neurologie (ed.), Leitlinien für Diagnostik und Therapie in der Neurologie. (Zugriff 04 November 2024). https://register.awmf.org/assets/guidelines/030-050l_S2k_Diagnose-Therapie-Multiple-Sklerose-Neuromyelitis-Optica-Spektrum-MOG-IgG-assoziierte-Erkrankungen_2024-01.pdf
http://www.dgn.org/leitlinien

7: Eline Coerver et al. Discontinuation of first-line disease-modifying therapy in stable multiple
sclerosis (DOT-MS): an early-terminated multicenter randomized controlled trial.
ECTRIMS/ACTRIMS Kongress 2023, Abstract O099/1281; Multiple Sclerosis Journal, 2023. 29(3S):
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