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Forschungsteam entwickelt neuartige biomimetische Sprechventil-Technologie

Ein Forschungsteam der Universität und des Universitätsklinikums Freiburg hat eine neuartige biomimetische Sprechventil-Technologie entwickelt, die die Sicherheit für Patient*innen mit Luftröhrenschnitt erheblich erhöhen könnte.

Die Herausforderung: Bei unsachgemäßem Gebrauch von herkömmlichen Sprechventilen kann gefährlicher Überdruck entstehen, der schwere Komplikationen bis zum Tod verursachen kann. In einer Kooperation zwischen dem Botanischen Garten Freiburg, dem Universitätsklinikum und dem Exzellenzcluster livMatS der Universität entwickelten die Forscher*innen ein Sprechventil mit integriertem Überdruckventil und akustischem Warnsignal. Inspiriert wurde die Technik von der Fangmechanik der Wasserschlauchpflanze Utricularia vulgaris.

Utricularia vulgaris, auch als Wasserschlauch bekannt, ist eine fleischfressende Pflanze, die ihre Beute über spezielle Fangblasen einfängt und seit vielen Jahren in der Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Thomas Speck intensiv studiert wird. Diese Blasen erzeugen einen inneren Unterdruck und werden durch eine spezielle „Fall(en)tür“ verschlossen. Wenn kleine Lebewesen die feinen Fühlhaare an der Außenseite der Tür berühren, öffnet sich diese innerhalb von 0.5 Millisekunden nach innen. Diese schnelle und zuverlässige Öffnungsmechanik der Falle ermöglicht das Einströmen von Wasser, das die Beute mit sich zieht, danach verschließt sich die Fallentür wieder durch einen elastischen Rückstellmechanismus.

Dieses Prinzip übertrug das Forschungsteam auf das neue Überdruckventil: Eine flexible Membran ahmt die Öffnungsbewegung der Pflanzenfalle nach und reagiert auf kritische Druckanstiege im Sprechventil. Beim Erreichen eines bestimmten Druckniveaus, welches durch Dicke und Struktur der Membran variiert werden kann, öffnet sich die Membran und lässt überschüssige Luft kontrolliert entweichen. Die Luft durchströmt dabei eine Pfeifenmodul hinter der „Falltür“ dadurch entsteht ein akustisches Signal – ein Warnsignal für das medizinische Personal, das sofort auf mögliche Gefahrensituationen aufmerksam macht.

„Dieses innovative Überdruckventil öffnet sich automatisch, wenn kritischer Druck erreicht wird, und gibt dabei ein deutlich hörbares Warnsignal ab,“ erklärt Dr. Falk Tauber, Co-Autor und Projektleiter. Die Konstruktion sichert so eine rechtzeitige Druckentlastung und alarmiert das medizinische Personal, um schnelle Hilfe zu gewährleisten.

Bionische Lösung für klinisches Problem

Die unmittelbare Anregung zu diesem innovativen Konzept stammt aus sogenannten CIRS-Berichten. In diesem Berichts- und Lernsystem des Universitätsklinikums können kritische Situationen in der Patient*innenversorgung sanktionsfrei berichtet werden und deren Lernpotential in konkrete Lösungen für eine Verbesserung der Patient*innensicherheit umgesetzt werden. „Für uns war es ein Glücksfall, dass wir auf das kreative Potential unserer Partner im botanischen Garten und Exzellenzcluster aufmerksam wurden und mit ihnen diese elegante bionische Lösung für ein handfestes klinisches Problem entwickeln konnten“, sagt Dr. Claudius Stahl, Co-Autor und Facharzt für Anästhesiologie am Universitätsklinikum Freiburg.

Der biomimetische Ansatz ermöglicht die flexible Anpassung des Öffnungsdrucks, sodass das Ventil an die individuellen Bedürfnisse der Patient angepasst werden kann. Diese Entwicklung wurde von der Universität Freiburg zum Patent angemeldet.

Der Exzellenz-cluster livMatS

Der Exzellenzcluster livMatS prägt seit 2019 die wissenschaftliche Arbeit zu Themen der Materialforschung an der Universität Freiburg und darüber hinaus maßgeblich. Dazu gehören zum Beispiel die Bereiche Energiespeicherung, Multimaterial-3D-Druck, Drucken von Glas und Soft Robotik sowie die Beurteilung von Technologieakzeptanz. Der Cluster hat zwei Professuren und fünf Nachwuchsgruppen eingerichtet, die die Materialwissenschaften in Freiburg durch neue Impulse stärken. livMatS ist Teil des interdisziplinären Schwerpunktbereichs „Wege zur Nachhaltigkeit“ im Forschungsprofil der Universität Freiburg.

Originalpublikation:

https://www.nature.com/articles/s41598-024-77595-0