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Dass Gene und Lebensstil für eine personalisierte Gesundheitsprävention wichtig sind?

Dr. med. habil. Katharina Lechner erklärt, warum wissenschaftlich-basierte Prävention auf individuellen Empfehlungen basieren sollte.

An Apple a day, …? Reicht das aus, um gesund zu bleiben?

KL: Nein. Es stimmt zwar, dass eine gesunde Ernährung und ein gesunder Lebenswandel wichtig sind, um bis ins hohe Alter einen gesunden Stoffwechsel und die funktionelle Kapazität zu erhalten. Allerdings gibt es auch genetische Risikofaktoren, beispielsweise für erhöhte Blutfettwerte. Diese bedürfen gesonderter Aufmerksamkeit. Insbesondere bei gesunden, athletischen Menschen, die oft aufgrund ihres Erscheinungsbildes als „vermeintlich“ gesund eingeordnet werden und somit durchs Raster des Gesundheitssystems fallen. Was wir hier brauchen, ist eine personalisierte Präventionsstrategie. Diese beinhaltet zusätzlich zur Beratung zu einem gesunden Lebenswandel ein Screening auf Faktoren, die selbst durch den gesündesten Lebenswandel nicht zu kontrollieren sind. Wenn vorhanden, sollten diese durch Medikamente eingestellt werden. Es gilt, den richtigen Pfeil im Köcher für den richtigen Risikofaktor zu ziehen. Zudem ist es sehr wichtig, neben verhaltenspräventiven Maßnahmen, die am Lebenswandel des Einzelnen ansetzen, auch Maßnahmen umzusetzen, die Menschen vor Umweltstressoren wie beispielsweise Temperaturextreme und Luftverschmutzung schützen.

Wie kann man personalisierte Präventionskonzepte umsetzen?

KL: Um personalisierte Empfehlungen zu entwickeln, muss ich den zu beratenden Menschen im ersten Schritt gut verstehen. Das heißt, ich benötige Informationen über seine Exposition gegenüber Risikofaktoren – genetisch wie erworben, seine derzeitige funktionelle Kapazität, sowie seine familiäre und persönliche Vorgeschichte. Im zweiten Schritt kann ich einen personalisierten, das heißt auf diesen Menschen zugeschnittenen Behandlungsvorschlag, entwickeln. Unter Berücksichtigung der Möglichkeiten und Wünsche des Individuums entscheide ich hiernach gemeinsam mit ihm oder ihr über das längerfristige Therapiekonzept.

Wie kann man personalisierte Präventionskonzepte für alle Menschen zugänglich machen?

KL: Eine Möglichkeit ist der Einsatz von neuen Technologien wie digitalen Gesundheitsapplikationen oder die Übertragung von bestimmten Gesundheitsdienstleistungen auf nicht-ärztliches medizinisches Personal. Eine ähnliche Strategie wollen wir in der populationsbasierten KORA-Studie untersuchen, unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof. Annette Peters und meiner ärztlichen Leitung. Konkret wollen wir in unserer neuen Studie „KORA Digital-Fit“ testen, ob eine durch personalisierte Gesundheits-Coaches begleitete und digital unterstützte Lebensstilintervention an etwa 1700 Teilnehmern aus der Allgemeinbevölkerung im Großraum Augsburg patientenrelevante Gesundheitsendpunkte im Vergleich zum derzeitigen Behandlungsstandard senken kann. Wir gehen in diesem Projekt aber noch einen Schritt weiter: Neben dem Einsatz eines digital unterstützten Coachings, planen wir die genetische Prädisposition zu berücksichtigen und Warnungen vor Temperaturschwankungen und Hitzewellen einzubauen. Diesen neuartigen Ansatz hat Annette Peters als Teil des STAGE-Projektes initiiert. Das STAGE-Projekt ist von der Europäischen Union finanziert, um die Gesundheit im Alter besser zu verstehen und vielfältige neue Ansätze zur Prävention zu entwickeln.

Wie unterstützt Helmholtz Munich dieses Vorhaben?

KL: Die KORA-Kohorte beinhaltet eine für die Allgemeinbevölkerung repräsentative Gruppe von Menschen, die vor 40 Jahren ins Leben gerufen wurde und bis heute vom Institut für Epidemiologie bei Helmholtz Munich systematisch weiterentwickelt wurde. Durch das longitudinale Studiendesign von KORA haben wir Informationen über den Lebensstil und das Auftreten von Erkrankungen der Studienteilnehmer. Die KORA-Biobank wurde intensiv im Projekt DigiMed Bayern genutzt, das vom Bayerischen Staatsministerium für Gesundheit, Pflege und Prävention finanziert wurde. Durch diese Initiative haben wir inzwischen genetische Informationen zu fast allen Teilnehmenden vorliegen. Damit können wir Personen mit einem erhöhten genetischen Risiko identifizieren und unsere Beratung für die geplante Studie kann darauf aufbauen. Zudem bietet das erfahrene und gut eingespielte Team im Studienzentrum in Augsburg unter Leitung von Dr. Margit Heier, das Helmholtz Munich gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Augsburg betreibt, sowie die jahrelange Erfahrung der leitenden KORA-Studienkoordinatorin Dr. Birgit Linkohr am Institut für Epidemiologie, die perfekte Infrastruktur, um in kurzer Zeit viele KORA-Teilnehmende in die Studie einzuschließen und zu betreuen. Ich bin zudem sehr dankbar für das biostatistische und meteorologische Fachwissen, welches Dr. Susanne Breitner und Dr. Alexandra Schneider in unser Projekt einbringen.

Angenommen die Studie zeigt, dass das Konzept funktioniert. Wie geht es weiter?

KL: Die Studie kann man als eine „Proof-of-Concept“-Studie verstehen. Annette Peters hat diese Studie initiiert, um zu zeigen, dass die Integration von genetischer Information, personalisierter und digital unterstützter Lebensstiländerung und die Einbeziehung von Umweltrisiken gemeinsam zu wirksamen Präventionskonzepten führen. Ob das so sein wird, wird sich zeigen. Ich habe die Interventionsstudie so weiterentwickelt, dass wir für den Laien leichtverständliche quantitative Zielgrößen – wie Taillenweite (Bauchumfang) und Handgreifkraft – haben. Mir ist zudem wichtig, dass digitale Technologien dabei helfen, Barrieren zu reduzieren und personalisierte Präventionskonzepte der Allgemeinbevölkerung besser zugänglich zu machen. Beispielsweise plant unser Partner „LIVA healthcare“ bei diesem Projekt möglicherweise seine Dienstleistungen auf den deutschen Raum auszuweiten. In Großbritannien werden die Dienstleistungen von LIVA healthcare bereits im Rahmen der nationalen Gesundheitsversorgung angeboten. Das wäre einer der vielen möglichen Schritte in die Richtung einer breiteren Verfügbarkeit personalisierter Präventionskonzepte in Deutschland.

Funktionelle Kapazität

Die funktionelle Kapazität sagt aus, wie gut eine Person auf körperliche Belastungen reagiert. Sie kann durch Belastungstest quantifiziert werden und wird zur Beurteilung von Fitness sowie zur Prognoseeinschätzung verwendet.

Die funktionelle Kapazität hängt von folgenden Faktoren ab:

  • Kardiorespiratorische Fitness (VO2max): Wie gut nimmt die Lunge Sauerstoff aus der eingeatmeten Luft auf, wie gut verteilt der Herzmuskel den Sauerstoff im Körper und wie effizient können die Muskeln, bzw. deren zelluläre Energiekraftwerke (die sogenannten Mitochondrien), daraus Energie gewinnen?
  • Muskelkraft und -ausdauer
  • Stabilität und Beweglichkeit