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Abstoßung von Spenderorganen: Neue Biomarker sollen Komplikationen verhindern

Gerd Killian-Förderprojekt erforscht zielgenauere immunhemmende Therapie

(Frankfurt a. M., 15. Dezember 2017) Nach einer Transplantation müssen die Patienten in der Regel ihr Leben lang Medikamente einnehmen, die das Immunsystem unterdrücken. Der dadurch erreichte Schutz vor der Abstoßung des Organs kann allerdings mit schweren Nebenwirkungen und ernsten Spätfolgen einhergehen. Das Ziel der Kinderärztin Dr. med. Sarah Ulrich vom Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) in München ist es, ein Verfahren zu entwickeln, mit dem sich exakt bestimmen lässt, wie aktiv das Immunsystem ist. Das soll es künftig ermöglichen, die Immunsuppression an die individuellen Bedürfnisse der Patienten anzupassen – in einigen Fällen könnte womöglich ganz auf immunhemmende Medikamente verzichtet werden. Die Deutsche Herzstiftung (https://www.herzstiftung.de) unterstützt die vielversprechenden Arbeiten der jungen Medizinerin mit der „Gerd Killian-Projektförderung“ des Jahres 2017 und einem Förderbetrag von 59.840 Euro.

Immunsystem kann Kompromisse eingehen
„Bislang gibt es keine individuelle Immunsuppression“, erklärt Dr. Ulrich, die an der Abteilung für Kinderkardiologie und pädiatrische Intensivmedizin des Klinikums der LMU tätig ist. Die Steuerung der Therapie erfolge derzeit allein über den Medikamentenspiegel. Allerdings haben Immunsuppressiva auch Nebenwirkungen, so dass „eine individuelle Anpassung über eine Reduktion der Dosis für eine bessere Prognose der Patienten im Langzeitverlauf hilfreich wäre.“ Aus Erfahrung wisse man nämlich, dass einige Patienten geringere Spiegel als andere benötigen, um ausreichend vor der Abstoßung des Organs geschützt zu sein. Darüber hinaus wurde beobachtet, dass manche Patienten eine Toleranz entwickeln können: Auch ohne Hemmung des Immunsystems tut das übertragene Organ problemlos seinen Dienst – selbst Jahre nach der Transplantation duldet die körpereigene Abwehr den Fremdkörper und greift ihn nicht an. „Eine derartige Toleranz wurde bisher nur bei einzelnen Patienten nach Nieren- und Lebertransplantationen beobachtet“, schränkt die Ärztin und Wissenschaftlerin ein. Bei diesen Patienten wurde es notwendig, die Immunsuppression aufgrund starker Nebenwirkungen abzusetzen. Die vereinzelten Beobachtungen zeigen aber auch, dass das Immunsystem seine Abwehrkraft nicht gleichsam blind und ungebremst gegen das Transplantat richtet, sondern prinzipiell sehr wohl imstande ist, Kompromisse einzugehen. Die Frage ist nur, woran vorab zu erkennen ist, in welcher „Verfassung“ das Immunsystem eines transplantierten Patienten gerade ist und ob Arzt und Patient es wagen können, auf Immunsuppressiva zu verzichten? „Ein Vorgehen nach der Methode ‚Versuch und Irrtum‘ verbietet sich da“, unterstreicht Ulrich.
Die Lösung wäre eine Messmethode, mit der sich die individuelle Aktivität des Immunsystems gegenüber dem Spenderorgan zuverlässig bestimmen lässt. „Auf diese Weise ließen sich Patienten erfassen, die Immunsuppressiva nach einer Transplantation in einer nur niedrigen Dosierung brauchen – oder solche herauszufiltern, deren Immunsystem eine Toleranz aufbaut und die demzufolge auf Medikamente verzichten können“, erklärt Sarah Ulrich. Umgekehrt ließe es ein derart exaktes Verfahren zu, Patienten frühzeitig zu erkennen, deren Immunsystem hochaktiv ist. Bei ihnen droht eine akute Abstoßungsreaktion und sie müssen dringend mit einer größeren Menge an immunhemmenden Medikamenten versorgt werden. Was es zu all diesen Zwecken braucht sind aussagekräftige Biomarker: Charakteristische biologische Merkmale, die objektiv gemessen werden können und den Status des Immunsystems zuverlässig widerspiegeln.

Biomarker-Panel: Auch bei herztransplantierten Kindern geeignet?
Als Biomarker eignen sich grundsätzlich Zellen, Gene und Genprodukte (Proteine). Für den Test auf die Aktivität des Immunsystems nach einer Transplantation kommen beispielsweise spezialisierte Abwehrzellen – beispielsweise sogenannte regulatorische T-Zellen – infrage, von denen man weiß, dass sie eine Toleranz vermitteln. „Ideal wäre eine Palette spezieller Marker – ein Biomarker-Panel, das alle relevanten Parameter umfasst und sich anhand einer einmaligen Blutprobe bestimmen lässt“, sagt Dr. Ulrich. Der Immunologe Prof. Dr. med. Hans-Dieter Volk vom Institut für Medizinische Immunologie der Charité hat ein solches Panel bereits entwickelt. Es wurde bislang aber nur bei leber- oder nierentransplantierten Patienten getestet. Inwieweit sich das Biomarker-Panel auch für herztransplantierte Kinder eignet, prüft Dr. Ulrich derzeit in ihrem Forschungsprojekt „Immuntoleranz – Untersuchung von Biomarkern im peripheren Blut“. An der Studie nehmen rund 70 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene teil, die im Klinikum Großhadern bei München in den Jahren von 1992 bis 2016 ein Spenderherz erhalten haben. „Nachdem die Betroffenen beziehungsweise deren Eltern zugestimmt haben, wird den Patienten im Rahmen der regelmäßig stattfindenden Kontrolluntersuchungen alle sechs Monate Blut abgenommen“, erläutert Ulrich die Vorgehensweise. Im Labor wird dann geprüft, ob und welche Biomarker im Blut vorhanden sind.
In den Berliner Laboratorien von Prof. Volk analysieren die Wissenschaftler zurzeit rund 50 Gene, von denen bereits bekannt ist, dass sie an der Entwicklung einer Immuntoleranz beteiligt sind. Die Forscher nutzen dafür eine molekularbiologische Nachweismethode, die „Polymerase-Kettenreaktion“ kurz PCR. Mit ihr lässt sich die Aktivität der Gene genau bestimmen. Nachfolgende Untersuchungen sollen klären, ob sich die bisherige Auswahl der Gene möglicherweise noch besser auf die spezielle Fragestellung „Herztransplantation“ ausrichten lässt. Die Analyse der in den Blutproben vorhandenen regulatorischen Immunzellen erfolgt in München. Wenn die Untersuchungen mit den erhofften Resultaten enden, ist geplant, die Pilotstudie zu erweitern. Dann sollen alle rund 600 Patienten einbezogen werden, die derzeit in Deutschland nach einer Herztransplantation betreut werden. „Wir wollen damit unserem Ziel der individuellen Immunsuppression rasch einen entscheidenden Schritt näherkommen“, hofft Dr. Ulrich.
(CEM/WI)

Die Gerd Killian-Projektförderung (2017) wurde Mitte Februar anlässlich der gemeinsamen Jahrestagung der Kinderkardiologen und Herzchirurgen in Leipzig von der Deutschen Herzstiftung sowie der Deutschen Gesellschaft für pädiatrische Kardiologie vergeben. Gefördert werden junge Wissenschaftler mit patientennahen Forschungsvorhaben in der Kinderkardiologie oder Herzchirurgie. Benannt ist die Förderung nach Gerd Killian, der bereits in jungen Jahren am plötzlichen Herztod verstarb. Seine Mutter, Doris Killian, vermachte ihr Vermögen der Deutschen Herzstiftung und verfügte in ihrem Testament, dass die Erträge ihres Vermögens der Erforschung angeborener Herzfehler zugutekommen sollen. Einzelheiten zur Projektförderung und ein Antragsformular finden Bewerber online unter https://www.herzstiftung.de/gerd-killian.php

Druckfähiges Bildmaterial steht zum Download bereit unter:
https://www.herzstiftung.de/presse/bildmaterial/forschung-dr-ulrich-2017.jpg
Bildunterschrift: Dr. med. Sarah Ulrich, Abteilung für Kinderkardiologie und pädiatrische Intensivmedizin, Klinikum der Ludwigs-Maximilians-Universität (LMU) in München. Foto: Ulrike Frömel

https://www.herzstiftung.de/presse/bildmaterial/forschung-killianfoerderung-2017.jpg
Bildunterschrift: Von links: Prof. Dr. Christian Schlensak Tagungspräsident (DGTHG), Dr. Sarah Ulrich, Klinikum der LMU München, PD Dr. Wolfgang Harringer, Präsident der DGTHG, Prof. Dr. Thomas Paul, Tagungspräsident (DGPK). Foto: DGTHG

 

54/2017
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