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Unerwartete Wirksamkeit gegen aggressive Krebsarten
Einsatz einer neuen Wirkstoff-Klasse auch bei schwer behandelbarem Bauchspeicheldrüsen- und Lungenkrebs möglich / Publikation in Nature Medicine
Eine neue Wirkstoff-Klasse könnte für mehr Tumorarten wirkungsvoll sein als bisher angenommen. Ein internationales Team, an dem Forscher des Universitätsklinikums Freiburg maßgeblich beteiligt waren, zeigte, dass sogenannte SHP2-Hemmstoffe auch gegen bislang schwer therapierbare Tumore wie Bauchspeicheldrüsenkrebs und bestimmte Arten von Lungenkrebs wirken könnten. Sie fanden außerdem heraus, wie Tumore gegen Medikamente resistent werden und wie sich diese Resistenz aufheben lässt. Die Forscher empfehlen darum, Patienten mit diesen Krebsarten in laufende Studien mit SHP2-Hemmstoffen einzubeziehen. Die Studie erschien am 28. Mai 2018 im Fachmagazin Nature Medicine.
Lungen- und Bauchspeicheldrüsenkrebsarten werden auch als KRAS-Tumore bezeichnet, da sie häufig auf den gleichen Fehler im Erbgut zurückgehen. Diese Mutation führt dazu, dass das KRAS-Protein, das unter anderem für die Zellteilung verantwortlich ist, dauerhaft aktiv ist. Die Zelle teilt sich unkontrolliert und Tumore entstehen. Jeder dritte Tumor beim Menschen gilt als KRAS-Tumor. Das Problem: Das KRAS-Protein ist auch in gesunden Zellen aktiv und so wichtig, dass es sich therapeutisch nicht einfach ausschalten lässt.
„Bislang wurde vermutet, dass die KRAS-Mutation den Tumor so aggressiv macht, dass therapeutische Angriffe an anderen Stellen folgenlos bleiben“, sagt der Erstautor der Studie Dr. Dietrich Ruess, Arzt an der Klinik für Allgemein- und Viszeralchirurgie des Universitätsklinikums Freiburg (Ärztlicher Direktor: Prof. Dr. Stefan Fichtner-Feigl).
Neue Waffe gegen KRAS-mutierte Tumore
In der aktuellen Studie widerlegte das Team um Dr. Ruess und Studienleiter Prof. Dr. Hana Algül von der Technischen Universität München die bisherige Annahme der Fachwelt. Sie zeigten, dass Hemmstoffe der Klasse SHP2 auch KRAS-Tumore aufhalten. Bislang werden sie nur für Wachstumsfaktor-Rezeptor abhängige Krebsarten getestet. „Zu unserer Überraschung wirkt die neue Wirkstoffklasse auch bei aggressiven KRAS-Tumoren. Das macht sie zu vielversprechenden Medikamenten“, zeigt sich Dr. Ruess zuversichtlich.
Protein SHP2 ist essentiell für Tumorwachstum
Dr. Ruess und Kollegen arbeiteten unter anderem mit Mäusen, die ein fehlerhaftes KRAS-Protein in Bauchspeicheldrüsen- oder Lungenzellen herstellen. Diese Tiere entwickelten sehr häufig einen Tumor. Entfernten die Wissenschaftler bei den Tieren das Protein SHP2, bildeten sie keine Tumore mehr. Das Team konnte somit beweisen, dass SHP2 für die Tumorbildung essentiell ist und bei besonders aggressiven Tumoren mit KRAS-Mutation ein neuer Angriffspunkt für Therapien sein könnte.
Die Ergebnisse bestätigten sich, als die Forscher das SHP2-Protein aus Tumoren entfernten oder SHP2-Hemmstoffe bei den Tieren einsetzten. „Die bestehenden Tumore wuchsen unter Einsatz des SHP2-Hemmstoffs langsamer und konnten besser kontrolliert werden“, erklärt Dr. Ruess.
Wirkstoffkombination hilft gegen Resistenzen
Die neue Studie könnte auch eine Lösung für ein weiteres Problem bei der Therapie von KRAS-Tumoren liefern: Häufig werden sie resistent gegen Medikamente. Die Wissenschaftler konnten nachvollziehen, wie diese Resistenz auf bestimmte Anti-Krebs-Medikamente entsteht. Es zeigte sich, dass auch dabei SHP2 eine zentrale Rolle spielt. Durch die Hemmung von SHP2 werden die resistenten Krebszellen wieder zugänglich für das alte Medikament. „Eine Kombination beider Wirkstoffe könnte somit eine neue Therapiemöglichkeit bei resistenten Tumoren sein“, meint Prof. Algül.
„Die neuen Hemmstoffe könnten in Zukunft sowohl alleine als auch kombiniert mit bestehenden Medikamenten helfen. Für viele Patienten mit aggressiven Tumoren kann das lebensverlängernd sein“, sagt Dr. Ruess. Die Forscher empfehlen deshalb, auch Patienten mit Bauchspeicheldrüsen- oder Lungenkrebs in die laufenden Studien zu SHP2 aufzunehmen.<
Original-Titel der Publikation: Mutant KRAS-driven cancers depend on PTPN11/SHP2 phosphatase
DOI: 10.1038/s41591-018-0024-8
Link zur Studie: https://www.nature.com/articles/s41591-018-0024-8