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Warum menschliche Blutzellen im Knochen entstehen
Ein internationales Forscherteam mit Freiburger Forschern löst anhand von Fischen eine Jahrzehnte alte Frage der Evolutionsbiologie / Publikation in Nature
Warum befinden sich Blutstammzellen bei Menschen und anderen Säugetieren im Knochenmark, während sie bei Fischen im Nierenmark zu finden sind? Diese Frage stellten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler seit den späten 1970er Jahren. Damals stellten Biologen erstmals fest, dass sich Blutzellen nur an bestimmten Orten des Körpers, sogenannten Stammzell-Nischen, bilden. Eine mögliche Erklärung hat jetzt – 40 Jahre später – ein Team aus Forschern des Universitätsklinikums Freiburg, der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg und des Harvard Department of Stem Cell and Regenerative Biology bei Zebrafischen gefunden. In einer Studie, die am 13. Juni 2018 im Fachmagazin Nature erschien, schildern sie, dass unterschiedliche Schutzmechanismen gegen Sonnenstrahlung der Grund sein könnten. Langfristig könnten von der Fisch-Forschung auch Krebs- und Immunpatienten profitieren.
Ein Sonnenschirm über der Niere
Die Idee für die Studie stammte aus einer eher zufälligen Beobachtung. Dr. Friedrich Kapp, Arzt an der Klinik für Pädiatrische Hämatologie und Onkologie des Universitätsklinikums Freiburg (Ärztliche Direktorin: Prof. Dr. Charlotte Niemeyer) war für einen Auslandsaufenthalt im Labor von Prof. Dr. Leonard Zon am Harvard Department of Stem Cell and Regenerative Biology, Boston Children’s Hospital, und erforschte bei Fischlarven die Entwicklung von Blutstammzellen. Diese befinden sich bei Fischen in der Niere.
„Als ich versuchte, das Nierenmark der Fischlarven unter dem Mikroskop zu beobachten, fiel mir wiederholt auf, dass Pigmentzellen – sogenannte Melanozyten – über die Blutstammzellen einwandern und sie verdecken“, sagt Dr. Kapp. „Das hat mich anfangs eher behindert, war aber der Ausgangspunkt für unsere entscheidende Entdeckung.“
Nur in Larven, denen das Pigment fehlte, waren die Blutstammzellen zu erkennen. „Ort und Anordnung der Melanozyten oberhalb der Stammzellen erinnerten uns an einen Sonnenschirm. Deshalb fragten wir uns, ob sie auch eine Schutzwirkung vor UV-Licht haben“, so der Mediziner weiter.
Diese Beobachtung veranlasste die Forscher, pigmentierte und unpigmentiere Larven mit UV-Licht zu bestrahlen. Nach seiner Rückkehr aus den USA führte Dr. Kapp seine Experimente im Labor von Prof. Dr. Wolfgang Driever, Mitglied des Exzellenzclusters BIOSS – Centre for Biological Signalling der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg, weiter. „In der Tat war bereits ab einer UV-Dosis, die ungefähr der Sonnenbranddosis bei hellhäutigen Menschen entspricht, ein Verlust der Stammzellen in den unpigmentierten Fischen nachzuweisen“, sagt Ko-Studienleiter Prof. Driever.
Vom Wasser auf das Land
Doch nicht nur Zebrafische haben diese Art des Sonnenschutzes: Es zeigte sich, dass der UV-Schutz durch Melanozyten seit dem Neunauge – einem sehr früh in der Evolution entwickelten Wirbeltier –erhalten ist. Sie alle bilden Blutzellen in einer durch Melanozyten geschützen Nische, sogar im Neunauge, bei dem die Nische nicht in der Niere ist. Im Gegensatz hierzu weisen alle landlebenden Wirbeltiere ihre Nische für Blutstammzellen im Knochenmark auf, die Melanozyten scheinen an Bedeutung für die Blutstammzellen zu verlieren.
Ein Übergangsstadium stellen Amphibien dar. Bei einer genaueren Untersuchung von Kaulquappen vor und während des Wechsels von einem aquatischen zu einem terrestrischen Lebensraum konnten die Forscher zeigen, dass die Blutstammzellen kurz vor Landgang aus der Melanozyten-geschützten Nische heraus in das Knochenmark einwandern.
Knochen schützen bei Dauerbestrahlung besser
„Wir vermuten, dass die Knochen die Stammzellen besser vor starker und vor allem kontinuierlicher UV-Strahlung schützen als die Pigmentzellen“, sagt Dr. Kapp. Das, so die Vermutung der Forscher, dürfte der Grund sein, weshalb die UV-empfindlichen Blutstammzellen bei allen landlebenden Tieren – und damit auch beim Menschen – in das Knochenmark eingewandert sind.
Stammzell-Nischen für Transplantationen stärken
Stammzell-Nischen und ihre Eigenschaften spielen eine entscheidende Rolle bei der Transplantation von Blutstammzellen, die unter anderem zur Behandlung von Krebs- oder Immunkrankheiten eingesetzt werden. „Ein genaueres Verständnis der Abläufe in solchen Nischen könnte in Zukunft auch den Transplantationserfolg verbessern”, hofft Dr. Kapp.
Original-Titel der Studie: Protection from UV light is an evolutionarily conserved feature of the hematopoietic niche
DOI: 10.1038/s41586-018-0213-0
Link zur Studie: http://dx.doi.org/10.1038/s41586-018-0213-0
Videozusammenfassung der Publikation: https://youtu.be/e6-CrJOr8zY
Bild 1: Schematische Darstellung der Fischlarven: Ist die schwarze Pigmentierung vorhanden (oben), sind keine Stammzellen zu sehen. Fehlt die Pigmentierung, lassen sich die Stammzellen (rot) in der Niere erkennen.
Bild 2A: 6 Tage alte Zebrafisch-Larven ohne Pigmentzellen. Das Nierengewebe ist grün markiert, die Blutstammzellen rot.
Quelle: F. Kapp et al. / Nature 2018
Bild 2B: Nur in den unpigmentierten Fischen (links) können die rot markierten Stammzellen unter dem Mikroskop beobachtet werden. Bild 1B: In den pigmentierten Fischen (rechts) sind die Stammzellen von Pigmentzellen verdeckt.
Quelle: F. Kapp et al. / Nature 2018
Bild 3: Dr. Friedrich Kapp
Quelle: Universitätsklinikum Freiburg
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