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Klare Grenzen für Zwang: BVerfG und neue DGPPN-Leitlinie geben Maßstäbe vor
Die DGPPN begrüßt das heutige Urteil des Bundesverfassungsgerichtes, Zwangsmaßnahmen im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung nur nach Richtervorbehalt zuzulassen. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil klare Grenzen für die Anordnung von freiheitsentziehenden Maßnahmen festgelegt. Mit der aktuellen Veröffentlichung der neuen S3-Leitlinie „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“ legt die DGPPN einen Katalog an Empfehlungen vor, die das Auftreten einer gefährlichen Situation verhindern und Zwang grundsätzlich vermeiden helfen. Damit folgt sie der Überzeugung, dass Freiheitsentzug durch Zwang nicht nur eine Frage des Grundrechts, sondern auch ethischen Handelns und der Menschenwürde ist.
Mit seinem heutigen Urteil bestätigt das Bundesverfassungsgericht der Forderung der DGPPN, wonach freiheitsentziehende Maßnahmen unter Zwang grundsätzlich nur nach Richtervorbehalt zum Einsatz kommen dürfen. „Das ist ein sehr erfreuliches Urteil“, kommentiert DGPPN-Präsident Arno Deister, der die Position der Fachgesellschaft Anfang des Jahres in Karlsruhe vertreten hatte, die Urteilsverkündung. „Es schafft klare, längst überfällige Regeln, die für alle verbindlich sind. Es kann nicht sein, dass in unserem Land aufgrund von Personalmangel und einer schlechten Infrastruktur nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft werden können, um auf Zwang zu verzichten. Dem muss sich auch eine moderne und aufgeschlossene Gesellschaft verpflichtet fühlen. Unsere heute zeitgleich mit Karlsruhe veröffentlichte neue S3-Leitlinie zur „Verhinderung von Zwang“ zeigt, wie es besser geht. Eine Reihe wissenschaftlich belegter Empfehlungen gibt hier allen in der psychiatrischen Versorgung Tätigen eine hilfreiche Orientierung.“
Mit ihrer aktuellen Leitlinie „Verhinderung von Zwang: Prävention und Therapie aggressiven Verhaltens bei Erwachsenen“ stellt die DGPPN einen Katalog behandlungsrelevanter Empfehlungen auf Basis internationaler wissenschaftlicher Studien vor. Sie richtet sich an alle psychiatrischen Professionellen in Klinik und Praxis, ist aber auch als Information für Betroffene, Angehörige und gesetzliche Betreuer sowie Krankenhausträger und Kommunen gedacht. Ausgehend von der Tatsache, dass Zwangsmaßnahmen eine große Belastung für die Betroffenen darstellen, muss das Ziel einer jeden Intervention die Deeskalation und Vermeidung von Maßnahmen gegen den Willen psychisch erkrankter Menschen sein. Die DGPPN folgt damit ihrer Überzeugung, dass eine patientenorientierte, zeitgemäße und humane Psychiatrie eine Frage der Menschenwürde ist und somit einer angemessenen personellen, baulichen und finanziellen Ausstattung bedarf. Psychisch erkrankten Menschen muss in unserer Gesellschaft größtmögliche Freiheit und Teilhabe möglich sein.
Empfehlungen der Leitlinie zur Vermeidung von Gewalt und Zwang betreffen u. a.:
- eine quantitaiv und qualitativ ausreichende Personalausstattung
- Schulung von Mitarbeitern in Deeskalationstechniken und Strategien im Umgang mit aggressivem Verhalten
- Einsatz von Behandlungsvereinbarungen und Krisenplänen zwischen psychiatrischen Professionellen und psychisch erkrankten Menschen („Verhandeln anstatt Behandeln“)
- geeignete und qualitativ hochwertige Architektur
Download der S3-Leitlinie
Langfassung [PDF, 3 MB]
Leitlinienreport [PDF, 2,6 MB]
Kurzfassung [PDF; 300 KB]
Die Leitlinie wurde federführend von der DGPPN in Zusammenarbeit mit 22 Fachgesellschaften, Berufs-, Angehörigen- und Betroffenenverbänden in den letzten zweieinhalb Jahren erarbeitet und finanziert und erfüllt mit der Qualitätsstufe S3 den höchsten methodischen Standard. Das für die Entwicklung der Leitinie verantwortliche 20-köpfige Expertengremium war interdisziplinär und trialogisch besetzt.
Die DGPPN beteiligt sich seit vielen Jahren intensiv an der gesellschaftlichen Diskussion zu diesem Thema und hatte sich zuletzt im Zusammenhang mit der Neuregelung des Bayerischen Psychiatrie-Kranken-Hilfe-Gesetzes kritisch positioniert.