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Hauchdünner Schlauch ins Hirn
Eingriff mit Spezialkatheter bei Schlaganfällen durch Neuroradiologen am Universitätsklinikum Jena
Ein Blutgerinnsel verstopft ein Gefäß im Gehirn – Schlaganfall! Damit nicht innerhalb kurzer Zeit Millionen Nervenzellen im Gehirn dauerhaft absterben, zu Folgeschäden wie Sprachstörungen oder Lähmungen oder sogar zum Tod führen, muss es jetzt sehr schnell gehen. Binnen viereinhalb Stunden nach Auftreten der ersten Symptome sollte möglichst mit einer sogenannten Lyse-Therapie begonnen werden. Dabei werden die gefährlichen Blutgerinnsel medikamentös aufgelöst. Doch manchmal sind die Gerinnsel zu groß dafür. „Ein Thrombus, der größer als sieben Millimeter ist, lässt sich per Lyse nicht ausreichend auflösen“, sagt die Neuroradiologin, Dr. Rotraud Neumann, Oberärztin im Institut für Interventionelle und Diagnostische Radiologie (IDIR) des Jenaer Uniklinikums. Das UKJ gehört zu den spezialisierten Krankenhäusern, die dann Spezialkatheter in den Adern des Gehirns einsetzen, um den Blutklumpen dort zu entfernen.
„Ein solcher Katheter wird unter permanenter Bildkontrolle von der Leistenarterie über die Hauptschlagader in die ins Gehirn führende Halsschlagader geschoben“, erläutert die Neuroradiologin. „Während des Eingriffs, der unter Narkose erfolgt, werden die Gefäße, in denen der Katheter liegt, ständig mit Blutverdünnern gespült.“ An der Stelle des Gefäßverschlusses wird das Gerinnsel dann entweder abgesaugt oder in einem Mini-Maschennetz (Stentretriever), das ebenfalls über den Katheterschlauch eingeführt werden kann, festgehalten und samt Stentretriever aus der Ader herausgezogen.
Eingesetzt wird das Verfahren am UKJ dann, wenn ein Verschluss der Hauptarterie im Hirn oder der Halsschlagader hinter der Eintrittsstelle ins Gehirn den Schlaganfall verursacht hat oder wenn kleinere Gefäße innerhalb des Schädels durch größere Gerinnsel verstopft sind. „Voraussetzung ist ein verhältnismäßig guter Zustand der Gefäße, der es ermöglicht, den Katheter ohne Verzögerungen vorzuschieben“, erklärt Neumann. „Der Thrombus muss in einer möglichst kurzen Zeit komplett entfernt werden. Denn auch während einer laufenden Katheterbehandlung können immer noch Hirnareale absterben und bleibende Schäden zurückbleiben.“ Wichtigstes Kriterium für die Entscheidung zu dieser Therapie ist daher, wie lange der Schlaganfall zurückliegt – es sollten allerhöchstens sechs Stunden sein. Schlaganfälle sind nicht nur die dritthäufigste Todesursache in Deutschland, sondern auch eine der häufigsten Ursachen für dauerhafte Pflegebedürftigkeit.
Der Behandlung geht eine Untersuchung mittels Computertomografie voraus, bei der die Durchblutung des Hirnparenchyms, also des Nervenzellgewebes im Gehirn, dargestellt wird. Das CT-Schnittbild zeigt, welche Hirnareale durchblutet, welche zu retten und welche verloren sind. Das lässt Rückschlüsse auf Art und Ausmaß der Schädigung durch den Schlaganfall zu. „Wir sehen das innerhalb von zehn Minuten“, so Neumann. Mehrere Hundert solcher CT-Untersuchungen zur Blutflussdarstellung nehmen die Jenaer Neuroradiologen jährlich vor.
„Man braucht für eine solche Kathetertherapie eine Stroke Unit“, betont die Ärztin. Stroke Units sind auf Schlaganfälle spezialisierte Intensivstationen, auf denen die Patienten nach dem Hirneingriff weiterbetreut werden. Am UKJ ist die Stroke Unit Teil der Klinik für Neurologie. Neben der Zentralen Notaufnahme als erste Anlaufstelle und der Klinik für Anästhesiologie und Intensivmedizin ist abhängig vom Einzelfall auch die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit der Klinik für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie erforderlich. Neben viel Erfahrung der behandelnden Ärzte und qualitativ hochwertiger Medizintechnik für bildgebende Diagnostik sei diese Zusammenarbeit der Fachgebiete entscheidend für eine gute Therapie, ist Neumann überzeugt.