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Expertenkonsens: Richtlinien und Empfehlungen zur neuen CAR-T-Immuntherapie für Kinder mit Leukämie

Original Titel:
Management guidelines for paediatric patients receiving chimeric antigen receptor T cell therapy.

DGP – Zusammenfassend führen die Experten in ihren Richtlinien und Empfehlungen aus, dass die CAR-T-Immuntherapie bei schwersten Fällen von Leukämie vielversprechend ist – jedoch für optimale Ergebnisse mit genauer Patientenauswahl und besten Vorbereitungen und Nachsorge erfolgen muss. Die Therapie erfordert also viele Tests, Beobachtungen und weitergehende Behandlungen – und dass die Patienten für mindestens 4 Wochen in Reichweite der Fachklinik bleiben, da nur ein Expertenteam fachgerecht mit den möglichen Problemen umgehen kann. Dafür besteht eine realistische Chance auf Lebensrettung durch die Therapie.


Aktuell im Jahr 2018 wurde in der EU die autologe chimerische Antigenrezeptor-T-Zell-Therapie (kurz CAR-T-Immuntherapie) zur Behandlung mancher Patienten mit akuter lymphatischer Leukämie (ALL) nach bisher erfolgloser Therapie zugelassen, mit zwei Mitteln: Tisagenlecleucel und Axicabtagen-Ciloleucel. Bei der CAR-T-Immuntherapie werden T-Zellen des Immunsystems aus dem Blut eines Patienten gewonnen und gentechnisch so verändert, dass sie das künstliche Oberflächenmerkmal CAR (chimeric antigen receptor) tragen. Diese neuen CAR-T-Zellen werden dann im Labor vermehrt und dem Patienten als Infusion verabreicht. Sie heften sich an das Oberflächenmerkmal CD19 von Krebszellen und machen es so für das Immunsystem des Patienten sichtbar.

Viele Hoffnungen ruhen auf CAR-T: beeindruckende Erfolgsquoten bei schwerster Krankheit

In klinischen Studien konnten 40 % der Patienten mit großzelligem B-Zell-Lymphom mit Axicabtagen-Ciloleucel die Krebserkrankung zurückdrängen. Das Mittel half auch Patienten mit ALL bzw. CLL (chronisch lymphatische Leukämie).Tisagenlecleucel erreichte beispielsweise Ansprechraten von fast 90 % bei jungen Patienten mit ALL (Maude und Kollegen, 2014 im medizinischen Fachjournal The New England Journal of Medicine erschienen). Neuere Entwicklungen gegen andere Oberflächenmarker (CD22) könnten zukünftig auch in den Fällen einspringen, in denen die CAR-T-Immuntherapie gegen CD19 nicht greift.

Die Methode hat also beeindruckende Erfolge, aber auch teils sehr schwere Nebenwirkungen. Die Behandlung bedarf daher besonderer Vorkehrungen und Vorbereitungen. Eine Expertengruppe (pediatric acute lung injury and sepsis investigators, PALISI, Netzwerk für hämatopoietische Stammzelltransplantation, HSCT, und das MD Anderson Cancer Center CAR T Cell Therapy-Associated Toxicity, kurz CARTOX-Programm) hat dazu gemeinsam Richtlinien zur Behandlung von Kindern mit der CAR-T-Zelltherapie zusammengefasst (in einem Übersichtsartikel mit Erstautor Prof. Mahadeo, Leiter und medizinischer Direktor der Sektion für pädiatrische Stammzelltherapie und Zelltherapie des University of Texas MD Anderson Cancer Center in den USA).

Mögliche Nebenwirkungen ermöglichen eine Behandlung nur durch multidisziplinäre Experten

Gut beschriebene Nebenwirkungen der Therapie sind der Zytokinsturm (engl. cytokine-release syndrome, CRS) und das CAR-T-Zell-assoziierte Encephalopathiesyndrom (CRES). Beim Zytokinsturm reagiert das Immunsystem massiv über. Die CAR-T-Enzephalopathie dagegen ist eine Schädigung des Gehirns: dabei können Verwirrtheit, Delirium oder auch Krampfanfälle auftreten. Ziel ist die Vermeidung und frühestmögliches Erkennen solcher Probleme, um rechtzeitig schwere Schäden zu verhindern.

Eine Immuntherapie mit der CAR-T-Zell-Methode benötigt daher erfahrene Ärzte mit Blick auf verschiedenste Organe und Blutwerte. Die Behandlung kann also nur mit technischer Ausrüstung und Infrastruktur sinnvoll durchgeführt werden, selbst wenn die Therapie aus der Forschung in die Welt der ‚Standard‘-Behandlung gelangt. Optimal wäre also eine Zertifizierung einer Fachklinik für diese Behandlung.

Voraussetzungen für eine CAR-T-Immuntherapie

Die genaue Auswahl der Patienten hilft dabei, Nebenwirkungen zu vermeiden oder klein zu halten. Es dürfen keine unkontrollierten Infekte vorliegen, auch ist eine aktive Transplantat-gegen-Wirt-Reaktion bei einer Stammzelltransplantation, also eine Abwehrreaktion der fremden Zellen gegen den Empfänger (auch bekannt als Graft-versus-Host-Disease) ein Ausschlusskriterium für die CAR-T-Immuntherapie. Das Immunsystem darf nicht gehemmt werden (etwa mit Steroiden, wie sie beispielsweise bei einer Abwehrreaktion der Spenderzellen nötig sind), wenn die Therapie eingesetzt werden soll. Anschließend an eine Stammzelltransplantation wird manchmal auch eine weitere Infusion mit Lymphozyten des Spenders (donor lymphcyte infusion, DLI) gegeben – dies sollte zum Zeitpunkt der CAR-T-Immuntherapie aber mindestens 6 Wochen her sein.

Vorbereitung der CAR-T-Zellen

Die Behandlung mit CAR-T-Zellen erfordert zuerst die Herstellung der Zellen. Dazu werden dem Patienten in einem Leukapherese genannten Prozess weiße Blutkörperchen (Leukozyten) aus dem Blut entnommen und für die Produktion der CAR-T-Zellen bereitgestellt. In diesem Fall muss die Produktionszeit (2 bis 4 Wochen) in manchen Fällen mit einer Chemotherapie überbrückt werden. Alternative, direkt einsetzbare Mittel (aus nicht körpereigenen Zellen, sondern fremden Spenderzellen) werden derzeit in klinischen Studien getestet, könnten aber in Zukunft einen schnelleren Therapiebeginn ermöglichen.

Zur direkten Vorbereitung der CAR-T-Zellinfusion sollte nach den Empfehlungen des Expertenteams eine Lymphodepletion stattfinden: dabei werden typischerweise mit Cyclophosphamid (also einer Chemotherapie) die Immunzellen im Körper zerstört. Die Anti-Tumor-Wirkung der CAR-T-Zellen wird dadurch verstärkt. In der Studie von Maude und Kollegen, beispielsweise, wurde bei den meisten jungen ALL-Patienten eine Lymphodepletion durchgeführt, bevor sie mit Tisagenlecleucel behandelt wurden (Maude und Kollegen, 2014 im medizinischen Fachjournal The New England Journal of Medicine erschienen)

Engmaschige Überprüfung der Gesundheitswerte im Verlauf und nach der Therapie

In der internationalen ALL-Studie mit dem CAR-T-Mittel Tisagenlecleucel (Maude und Kollegen, 2014) erlitten 77 % der Patienten im Schnitt nach drei Tagen einen Zytokinsturm, etwa die Hälfte musste auf der Intensivstation behandelt werden. Neurologische Symptome (CAR-T-Enzephalopathiesyndrom CRES) traten bei 40 % der Patienten auf, verschwanden aber meistens mit der Behandlung. Die Autoren raten daher zu stationärer Fachklinik-Behandlung für die ersten 3 bis 7 Tage, um rasch auf Nebenwirkungen reagieren zu können. Wie lange ein Patient stationär sein sollte, muss aber je nach genauem CAR-T-Mittel, der Fitness und klinischen Stabilität des Patienten und psychosozialem Support (also Familie, Freunde und sonstige Hilfe) entschieden werden.

Im Verlauf der Therapie sollten engmaschig die Gesundheitswerte der Patienten überprüft werden. So bleiben keine Infekte oder Organschäden unentdeckt. Nach der Infusion soll täglich anhand der Blutkonzentrationen von Magnesium, Harnsäure und Phosphor überprüft werden, ob ein Tumor-Lyse Syndrom vorliegt. Dabei werden besonders viele Krebszellen in kurzer Zeit zerstört und überfordern den Körper durch eine Abfallflut. Alle 12 Stunden sollten auch Symptome für einen Zytokinsturm und neurologische Symptome (CRES) ermittelt werden.

Fazit: schwerste Erkrankung braucht manchmal schwerste Therapie

Zusammenfassend führen die Experten in ihren Richtlinien und Empfehlungen aus, dass die CAR-T-Immuntherapie bei schwersten Fällen von Leukämie vielversprechend ist – jedoch für optimale Ergebnisse mit genauer Patientenauswahl und besten Vorbereitungen und Nachsorge erfolgen muss. Die Therapie erfordert also viele Tests, Beobachtungen und weitergehende Behandlungen – und dass die Patienten für mindestens 4 Wochen in Reichweite der Fachklinik bleiben, da nur ein Expertenteam fachgerecht mit den möglichen Problemen umgehen kann. Dafür besteht eine realistische Chance auf Lebensrettung durch die Therapie.

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