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Keine Hinweise auf Ansteckungsgefahr durch Alzheimer
Bonn, 14. Dezember 2018 – Kann Alzheimer von Mensch zu Mensch gelangen? Gemäß britischer Forscher könnte bei medizinischen Eingriffen, welche die Übertragung von Hirnmaterial beinhalten, potentiell ein Risiko bestehen. Diese Studie deutet jedoch nicht darauf hin, dass Alzheimer im alltäglichen Kontakt mit erkrankten Personen ansteckend sein könnte.
„Es gibt keinerlei Belege dafür, dass Alzheimer eine Infektionskrankheit also ansteckend sein könnte. Auch die nun veröffentlichten Ergebnisse ändern nichts an dieser Einschätzung. Der Umgang mit Alzheimerpatienten und deren Pflege stellen kein Risiko dar“, betont Prof. Christian Haass, Sprecher des DZNE-Standorts München. „Die aktuelle Studie beruht auf Laborexperimenten an Mäusen. Es ist fraglich, ob diese Situation auf medizinische Eingriffe, so wie sie heute am Menschen geschehen, übertragbar ist. In der aktuellen Studie wurden die Auswirkungen eines Hormonpräparates untersucht, das aus den Gehirnen verstorbener Menschen gewonnen wurde. Solche Präparate zur Behandlung von Wachstumsstörungen sind heutzutage aber nicht mehr im Einsatz. Bereits seit 1985 werden sie biotechnisch hergestellt. Auch bezweifle ich, dass von Hirnoperationen eine wesentliche Gefahr ausgeht.“
Die aktuelle Studie knüpft an frühere Untersuchungen derselben Arbeitsgruppe an, die 2015 veröffentlicht wurden (Zane Jaunmuktane et al., Nature 2015, DOI: 10.1038/nature15369). Damals hatten die Forscher die Gehirne von Menschen untersucht, die an der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit (CJD) verstorben waren. Diese waren wegen Wachstumsstörungen in der Kindheit mit Hormonen behandelt worden. Solche Präparate wurden bis 1985 aus den Gehirnen verstorbener Menschen hergestellt. Es zeigte sich, dass in den Gehirnen der CJD-Patienten neben den Kennzeichen von CJD auch Ablagerungen sogenannter Beta-Amyloid-Proteinen vorkamen. Solche Ablagerungen – „Plaques“ genannt – zählen zu den Merkmalen einer Alzheimer-Erkrankung. Dieser Befund führte seinerzeit zur Vermutung, die Wachstumspräparate könnten Alzheimer-typische Proteine enthalten haben, die auf die Empfänger der Hormonbehandlung übertragen wurden. In der Studie von 2015 wurden die Wachstumspräparate jedoch nicht untersucht.
Für die aktuelle Studie untersuchten die Forscher nun alte Bestände des Wachstumspräparats. In einigen Chargen konnten sie tatsächlich Alzheimer-typische Proteine nachweisen. In weiteren Untersuchungen wurde das Präparat per Spritze an Mäuse verabreicht. In den Gehirnen der Mäuse entwickelten sich später die für Alzheimer typischen Amyloid-Ablagerungen. Dieser Befund ist jedoch an sich nicht neu: Schon vorher war bekannt, dass Hirnextrakte von Menschen mit Alzheimer bei Mäusen die Bildung von Plaques auslösen können. Auch die Frage, ob von neurochirurgischen Eingriffen ein Risiko ausgehen könnte, wird schon länger diskutiert. Aus klinischen Untersuchungen gibt es jedoch keine Belege dafür, dass auf diesem Wege eine Alzheimer-Erkrankung tatsächlich übertragen werden kann.
In Zusammenhang mit der Veröffentlichung von 2015 war zudem die Hypothese aufgekommen, dass Alzheimer eine potenziell infektiöse Krankheit sein könnte. Allerdings sprechen gewichtige Argumente dagegen. Sie werden durch die aktuelle Studie nicht entkräftet:
1) In den ursprünglichen Untersuchungen an CJD-Patienten wurde lediglich festgestellt, dass diese Patienten Beta-Amyloid-Ablagerungen in den Blutgefäßen des Gehirns aufwiesen (sogenannte Zerebrale Amyloidangiopathie), nicht aber, dass sie tatsächlich Alzheimer entwickeln würden. In diesem Zusammenhang ist wichtig zu erwähnen, dass viele Menschen Beta-Amyloid-Ablagerungen im Gehirn aufweisen, ohne Symptome einer Alzheimer-Erkrankung zu entwickeln.
2) In den ursprünglichen Untersuchungen an CJD-Patienten fehlte zudem ein wichtiger Bestandteil der Alzheimer-Pathologie. Es fanden sich keine Ablagerungen von Tau-Proteinen, die neben Amyloid-Ablagerungen kennzeichnend für Alzheimer sind. Erst das Auftreten beider Sorten von Ablagerungen sind ein Beleg für eine Alzheimer-Erkrankung. Bemerkenswerterweise zeigt die aktuelle Studie, dass Tau-Proteine in dem Hormonpräparat durchaus enthalten sind.
3) Es gibt aus epidemiologischen Studien keinerlei Hinweise, dass Alzheimer als infektiöse Erkrankung übertragen werden könnte.
4) Auch Tierversuche deuten nicht auf einen Infektionsmechanismus hin: So können beispielsweise gesunde Mäuse mit „Alzheimer-Mäusen“ gemeinsam in einem Käfig gehalten werden – und die gesunden Mäuse entwickeln kein Alzheimer.
5) Für die aktuelle Studie wurden aus den Gehirnen von Menschen gewonnene Präparate in die Gehirne von Mäusen injiziert. Das ist eine sehr künstliche Situation. Im klinischen Alltag gibt es keine vergleichbare Situation.
Originalveröffentlichung:
Silvia A. Purro et al., Nature, 13. Dezember 2018. „Transmission of amyloid-β protein pathology from cadaveric pituitary growth hormone“, DOI: 10.1038/s41586-018-0790-y