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Genfer Bevölkerungsstudie: Keine Herdenimmunität, seltener Antiköper bei Kindern und Älteren
Original Titel:
Seroprevalence of anti-SARS-CoV-2 IgG antibodies in Geneva, Switzerland (SEROCoV-POP): a population-based study
- Maß der Seroprävalenz: Wie viele waren mit dem Virus in Kontakt?
- Daten aus 5 Wochen einer Bevölkerungs-weiten Gesundheitsstudie in Genf
- Mehrere hundert Menschen pro Woche: Bei jedem 10. Teilnehmer Antikörper gegen SARS-CoV-2
- Risiko bei Lockerungen: Kinder und Ältere deutlich seltener im Kontakt mit dem Virus
DGP – Antikörper gegen das Virus SARS-CoV-2 zeigen, ob ein Mensch mit dem Virus in Kontakt gekommen ist, auch wenn keine Erkrankung erkennbar war. Mit diesem Maß der Seroprävalenz kann bevölkerungsweit die Infektionsrate bestimmt und der Fortschritt der Epidemie beobachtet werden. Forscher führten Antikörpertests bei wöchentlich hunderten Teilnehmern in Genf durch und ermittelten, dass für jeden bekannten Fall 11,6 Infektionen in der Gemeinschaft auftraten. Die Seroprävalenz war allerdings bei Kindern und Älteren deutlich niedriger und ist kein ausreichender Schutz gegen eine zweite Welle.
Bei der aktuellen Corona-Pandemie ist die Einschätzung, wie problematisch die Infektion tatsächlich ist, nur dann gut möglich, wenn auch klar ist, wieviele Menschen dem Virus auch tatsächlich begegnet sind. Werden aber nur die Fälle betrachtet, bei denen medizinische Behandlungen notwendig waren oder je nach Blick auf Symptomschwere und unterschiedlichen Teststrategien, kann die medizinische Belastung durch das Coronavirus SARS-CoV-2 als sehr unterschiedlich angesehen werden. Antikörper gegen das Virus zeigen stattdessen an, ob ein Mensch mit dem Virus in Kontakt gekommen ist, auch wenn keine Erkrankung erkennbar war. Mit diesem Maß der Seroprävalenz kann die Infektionsrate bestimmt und der Fortschritt der Epidemie beobachtet werden. Daher ermittelten Forscher nun Antikörper gegen SARS-CoV-2 in einer Bevölkerungs-basierten Untersuchung.
Maß der Seroprävalenz: Wie viele waren mit dem Virus in Kontakt?
Sie bestimmten wöchentlich die Seroprävalenz von Anti-SARS-CoV-2 Antikörpern in der Bevölkerung von Genf in der Schweiz mit kommerziell erhältlichen Antikörper-Tests. Die Studienteilnehmer gehörten zu einer vorherigen Bevölkerungs-weiten Gesundheitsstudie in Genf. Hier wurden auch Haushaltsmitglieder (ab 5 Jahren) der Teilnehmer getestet. Die Studie läuft über 12 aufeinander folgende Wochen, in denen jeweils zufällig ausgewählte Teilnehmer zum Test eingeladen werden. Die Testergebnisse analysierten die Wissenschaftler unter Berücksichtigung von Test-Präzision, sowie durchschnittlicher Alters- und Geschlechtsverteilung der Genfer Bevölkerung. Hier berichteten die Forscher nun die Ergebnisse der ersten 5 Wochen.
Daten aus 5 Wochen einer Bevölkerungs-weiten Gesundheitsstudie in Genf
Zwischen 6. April und 9. Mai 2020 wurden 2 766 Teilnehmer aus 1 339 Haushalten in die Studie aufgenommen. Alter und Geschlecht der Teilnehmer entsprachen der Verteilung im Kanton Genf. In der ersten Woche lag die Seroprävalenz bei 4,8 % (95 % Konfidenzintervall 2,4–8,0, n = 341). In der zweiten Woche stieg der Anteil von Menschen, die bereits mit dem Virus in Kontakt gekommen waren, auf 8,5 % (5,9–11,4, n = 469). In der dritten Woche wurden 10,9 % (7,9–14,4, n = 577) positiv auf SARS-CoV-2-Kontakt getestet. Die Testteilnehmer in der vierten Woche waren nur zu 6,6 % (4,3–9,4, n = 604) seropositiv. In der 5. Woche fanden sich wieder bei jedem 10. Teilnehmer Antikörper gegen SARS-CoV-2 (10,8 %, 8,2–13,9, n = 775).
Mehrere hundert Menschen pro Woche: Bei jedem 10. Teilnehmer Antikörper gegen SARS-CoV-2
Sehr junge Menschen (zwischen 5 und 9 Jahren) und ältere Menschen (ab 65 Jahren) waren deutlich seltener in Kontakt mit dem Virus gewesen (Relatives Risiko 0,32 für Kinder, 0,50 für Ältere) als Menschen im Alter von 20–49 Jahren. Unter Berücksichtigung der Zeit, Antikörper auszubilden, bestimmten die Forscher, dass für jeden bestätigten Fall tatsächlich 11,6 Infektionen in der Gemeinschaft auftreten.
Risiko bei Lockerungen: Kinder und Ältere deutlich seltener im Kontakt mit dem Virus
Die Ergebnisse zeigen, dass der Großteil der Bevölkerung in Genf in der ersten Infektionswelle nicht infiziert wurde – obwohl es eine hohe Prävalenz von COVID-19-Erkrankungen in der Region gab. Bei 5 000 berichteten klinischen Fällen im Zeitraum von weniger als 2,5 Monaten in einer Bevölkerung von einer halben Million Menschen war doch offenbar nur jeder Zehnte mit dem Virus in Kontakt gekommen. Unter der Annahme, dass die Antikörper gegen SARS-CoV-2 auch Immunität bieten, ist demnach die Epidemie bei Weitem nicht vorüber, schreiben die Autoren. Dies betrifft ganz besonders Kinder und alte Menschen, die deutlich seltener Antikörper gegen das Virus aufwiesen. Den deutlich geringeren Grad an Immunität in diesen Altersgruppen und auch sonst nicht erreichter Herdenimmunität sollte man bei allen Lockerungen deutlicher berücksichtigen.
[DOI: 10.1016/S0140-6736(20)31304-0 ]
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