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Ein Virus, fünf wissenschaftliche Perspektiven: Corona-Forschung an der Jacobs University Bremen

Das Coronavirus bedroht und verändert unser Leben auf vielfältige Art und Weise: Es attackiert einzelne Zellen, beeinflusst das Wertesystem des Menschen und hat massive wirtschaftliche Folgen. An der Jacobs University forschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verschiedenster Disziplinen zu seinen Auswirkungen. „Wir wollen einen Beitrag leisten zum besseren Verständnis des Virus und zu seiner erfolgreichen Bekämpfung. Dabei ist es uns wichtig, Lehren für die Zukunft zu ziehen“, sagt Prof. Thomas Auf der Heyde, Provost an der internationalen Universität.

So forscht die Arbeitsgruppe des Biochemikers und Zellbiologen Prof. Dr. Sebastian Springer gemeinsam mit der Arbeitsgruppe von Dr. Charlotte Uetrecht am Heinrich-Pette-Institut (Leibniz-Institut für Experimentelle Virologie) in Hamburg an einer Immunantwort gegen das Virus. Befällt es eine menschliche Zelle, dann binden Fragmente der viralen Proteine (Peptide) an zelluläre Proteine (Rezeptoren), die dann dem Immunsystem Auskunft über die Virusinfektion geben. So kann die Zerstörung der virusbefallenen Zelle eingeleitet werden. Will man die Immunantwort verstehen, muss man wissen, welche Peptide an die Rezeptoren binden. Zu diesem Zweck sind in der Arbeitsgruppe Springer besonders stabile Versionen der Rezeptoren hergestellt worden. Diese neuartige Methode wurde erst in den letzten Monaten entwickelt und kommt jetzt erstmals zum Einsatz.

Im Mittelpunkt der Studie der Politikwissenschaftlerin Dr. Franziska Deutsch und der Psychologen Prof. Dr. Ulrich Kühnen und Prof. Dr. Klaus Boehnke steht hingegen der Einfluss der Pandemie auf die Werteorientierung der Menschen. Mit dem Virus sind Ängste verbunden, die zur Abwehr von allem Fremden und Zustimmung zu eher autoritärem Regierungshandeln führen oder aber zu einer Zunahme globaler Solidarität, weil die Bedrohung universell ist. Eine repräsentative Studie mit jeweils rund 2000 Befragten in Deutschland und Großbritannien ergab, dass die Briten deutlich stärkere Angst angesichts der Pandemie empfinden als die Deutschen. Je ausgeprägter die Ängste desto größer scheint die Zustimmung zu Sicherheits-, Ordnungs-, Autoritäts-, oder Konformitätsmaßnahmen zu sein. Inwiefern es sich hierbei um einen nachhaltigen Wertwandel handelt, soll weiter untersucht werden. An der Studie sind auch Prof. Dr. Jan Delhey (Universität Magdeburg), Dr. Jan Eichhorn (University of Edinburgh) und Prof. Dr. Christian Welzel (Leuphana Universität Lüneburg) beteiligt.

Mit den Auswirkungen der Corona-Krise auf die Investitions- und Handelsbeziehungen des deutschen Mittelstandes zu Schwellenländern befasst sich die Arbeitsgruppe von Prof. Dr. Tilo Halaszovich, Professor für Globale Märkte und Firmen an der Jacobs University. Wie stark ist das Auslandsgeschäft des Mittelstands betroffen und welche Konsequenzen ergeben sich daraus für die Firmen? Erfolgt etwa ein Rückzug aus einzelnen Ländern und werden neue als Zulieferer oder Absatzmarkt erschlossen? Das sind einige der Fragestellungen des Forschungsprojektes. „Zum anderen interessiert uns sehr, ob bestimmte Regionen und Schwellenländer von möglichen Umstrukturierungen profitieren könnten“, meint Prof. Halaszovich. „Das betrifft vor allem auch afrikanische Länder, die bisher von der deutschen Wirtschaft primär als Absatzmarkt nicht aber als Beschaffungsmarkt gesehen wurden.“

Welche Lehren sind aus der COVID-19-Pandemie für die humanitäre Pandemiehilfe zu ziehen? Um die Rolle öffentlich-privater Partnerschaften (PPP) geht es in einem Projekt von Dr. Stanislav Chankov, Dozent für Supply Chain Management. Untersucht werden soll, ob und wie die Zusammenarbeit des privaten und öffentlichen Sektors in Form einer Partnerschaft die Bereitstellung und Verteilung von Hilfe im Falle einer Pandemie verbessern kann. Analysiert werden Fälle von erzwungener und freiwilliger Hilfe sowie von PPP-Kooperationen – etwa Bekleidungsfirmen, die Masken und medizinische Kittel herstellen, Kosmetikfirmen, die Desinfektionsmittel produzieren oder Technologiefirmen, die Beatmungsgeräte anbieten. Das Projekt basiert auf der Bachelorarbeit von Camilia Popoff, Jacobs Absolventin des Jahrgangs 2020. Eine ihrer Thesen: Der Schaden von Pandemien könnte durch die frühzeitige Einrichtung von öffentlich-privaten Partnerschaften eingegrenzt werden.

Wie sehr das Coronavirus unseren Alltag verändert hat, ist ein Forschungsgegenstand von Prof. Dr. Sonia Lippke und ihrem Team. Die Professorin für Gesundheitspsychologie und Verhaltensmedizin an der Jacobs University Bremen hat mit Kolleginnen auch eine Reihe von Tipps und Strategien für einen gesunden Lebensstil zu Corona-Zeiten zusammengestellt. Sie ist an mehreren Studien zur Handhygiene und Kommunikation von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in Krankenhäusern in diesen Ausnahmezeiten beteiligt. Prof. Lippke ist zudem Mitglied im interdisziplinären wissenschaftlichen Beirat für den Dritten Teilhabebericht der Bundesregierung über die Lebenslagen von Menschen mit Beeinträchtigungen unter Federführung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, BMAS. Die Teilhabeforschung ist ein noch junges Forschungsfeld, das die Lebenslagen, Teilhabe und Partizipation von Menschen mit Behinderungen zum Gegenstand hat. In dem Beirat werden auch Maßnahmen zur Abpufferung der Corona-Krise für Menschen mit Behinderungen und Beeinträchtigungen beraten.

Interessierte können Lippkes Forschung mit der Teilnahme an einer Online-Umfrage unterstützen.

Link zur Umfrage:
https://www.unipark.de/uc/Corona/a00/

Über die Jacobs University Bremen:
In einer internationalen Gemeinschaft studieren. Sich für verantwortungsvolle Aufgaben in einer digitalisierten und globalisierten Gesellschaft qualifizieren. Über Fächer- und Ländergrenzen hinweg lernen, forschen und lehren. Mit innovativen Lösungen und Weiterbildungsprogrammen Menschen und Märkte stärken. Für all das steht die Jacobs University Bremen. 2001 als private, englischsprachige Campus-Universität gegründet, erzielt sie immer wieder Spitzenergebnisse in nationalen und internationalen Hochschulrankings. Ihre mehr als 1500 Studierenden stammen aus mehr als 120 Ländern, rund 80 Prozent sind für ihr Studium nach Deutschland gezogen. Forschungsprojekte der Jacobs University werden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft oder aus dem Rahmenprogramm für Forschung und Innovation der Europäischen Union ebenso gefördert wie von global führenden Unternehmen.
Für weitere Informationen: www.jacobs-university.de