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Die zweite Gefahr: Warum Pilzinfektionen für COVID-19-Patienten besonders gefährlich sind

Kaum ein anderes Land ist durch die COVID-19-Pandemie so gebeutelt worden wie Indien. Zwar gehen auch dort aktuell die Neuinfektionen zurück, gleichzeitig breiten sich neue, hochanstechende Varianten aus. Hinzukommt: Viele indische COVID-19-Patienten erkranken an einer oft tödlichen Pilzinfektion. Was es mit dem „Schwarzen Pilz“, der Mukormykose, auf sich hat, und wie das Klinikum Nürnberg generell mit Pilzinfektionen umgeht, erklärt Prof. Dr. Jörg Steinmann, Ärztlicher Leiter der Klinikhygiene, im Interview.

Sie sind nicht nur Experte für Infektiologie, Mikrobiologie und Klinikhygiene – sondern zudem ein ausgewiesener Fachmann für Mykologie. Im vergangenen Jahr sind Sie mit dem Forschungsförderpreis der Deutschsprachigen Mykologischen Gesellschaft ausgezeichnet worden. Woran forschen Sie aktuell?

Prof. Steinmann: „Ich interessiere mich seit meiner Tätigkeit im Labor für die Medizinische Mykologie und bin seit 2017 auch Fellow der European Confederation of Medical Mycology (FECMM). Ich beschäftige mich vor allem mit Resistenzen von humanpathogenen Pilzen gegenüber Medikamenten und arbeite an Projekten zur schnelleren und verbesserten Diagnostik von Pilzinfektionen. Zurzeit erforschen wir, wie man Schimmelpilze daran hindern kann, sogenannte Biofilme zu bilden – hauchdünne Schleimschichten, die einen exzellenten Schutz vor Antimykotika ermöglichen. Wir erhoffen uns dadurch neue therapeutische Ansätze.“

Welche Formen von Pilzerkrankungen gibt es?

Prof. Steinmann: „Am häufigsten sind Haut- und Schleimhautmykosen, die in der Regel harmlos verlaufen. Personen mit Risikofaktoren für systemische Pilzinfektionen wie der Candidämie oder Aspergillose sind hauptsächlich Patienten mit Immundefekten, aber auch Patienten mit Diabetes oder chronischen Lungenerkrankungen. Auch größere operative Eingriffe bergen ein Risiko – und natürlich sind Intensiv-Patienten mit viralen Infektionen durch Influenza oder COVID-19 besonders gefährdet.“

Invasive Pilzerkrankungen zählen zu den Todesursachen, die bei Intensivpatienten besonders häufig übersehen werden. Können Sie das bestätigen?

Prof. Steinmann: „Die Vermutung liegt nahe. Wenn man früh genug und gezielt sucht, findet man in der Regel auch die verursachenden Erreger. Das Problem ist, dass manche Pilzinfektionen schwer nachzuweisen sind und deshalb nicht entdeckt werden. Durch neue und verbesserte Nachweismethoden kann man relevante Pilze detektieren. Mein Team und ich beraten viel mit Blick auf eine optimierte Diagnostik und eine wirkungsvolle Therapie.“

Wie ist die Lage im Klinikum Nürnberg? Gibt es Screenings, um Pilzinfektionen zu diagnostizieren?

Prof. Steinmann: „In den Risikobereichen wie der Hämato-Onkologie oder auf den Intensivstationen weisen wir regelmäßig Hefepilze wie Candida oder Schimmelpilze wie Aspergillus nach. Insbesondere bei Schimmelpilzen ist nicht immer eindeutig, ob der Nachweis mit einer Infektion einhergeht. Deshalb ziehen wir andere klinische und diagnostische Parameter zur Bewertung hinzu.
Es gibt verschiedene Pilzantigene, sogenannte Biomarker, die wir frühzeitig im Serum oder durch eine Probe aus den unteren Atemwegen nachweisen können. Bei manchen Hochrisikopatienten kann man diese Verfahren als Screeningtest verwenden. Mittlerweise werden aber auch PCR-Verfahren zum Pilznachweis eingesetzt.“

Aktuell machen Schlagzeilen von sogenannten „Killer-Pilzen“ die Runde – die Mukormykose, die geschwächte COVID-19-Patienten befällt. Der sogenannte Schwarze Pilz ist in Indien, in Chile und in Uruguay nachwiesen worden. Kommt eine neue Seuche auf uns zu?

Prof. Steinmann: „Eine Mukormykose wird durch Fadenpilze der Ordnung Mucorales verursacht. Besonders gefährdet sind abwehrgeschwächte Patienten und Diabetiker. Bei den COVID-19 Patienten ist die Lunge schwer beeinträchtigt, und es werden häufig Kortisonpräparate verabreicht. Dies sind Risikofaktoren für eine Mukormykose. Diese Pilze fühlen sich zum Glück in wärmeren Ländern wie Indien oder Chile deutlich wohler als bei uns in Mitteleuropa.“

Warum ist eine Mukormykose so verheerend? Was passiert dabei im Körper?

Prof. Steinmann: „Nach der Inhalation der Sporen wächst der Pilz invasiv lokal in das Gewebe ein. Der Pilz frisst sich durch die Haut, er zerstört Muskeln und manchmal sogar auch die Knochen. Verschiedene Virulenzfaktoren sorgen für den Zelltod des Gewebes und der Immunzellen – welches sich als „schwarz“ imponierende Nekrose darstellt; der Nasen- und Rachenraum färbt sich schwarz. Bei Patienten mit einem stark geschwächten Immunsystem kann es dann zu Streuung kommen und alle Organe befallen.“

Neben dem schwarzen Pilz ist auch ein gelber Pilz aufgetaucht, Mucor septicus – eine Pilzerkrankung, die bislang nur bei Reptilien zu finden war. Von Tier auf Mensch – sind Pilze und Viren hier vergleichbar?

Prof. Steinmann: „Bei der Übertragung von Erregern von Tier auf Mensch spricht man von einer Zoonose. Bei Pilzen sind Übertragungen von Hautpilze durch Haustiere wie Meerschweinchen oder Zwergkaninchen allgemein bekannt. Das gibt es auch bei selteneren Schimmelpilzen. Pilzinfektionen gibt es auch nach Verletzungen, Traumata oder Beinahe-Ertrinken.“

Gibt es Medikamente oder vorbeugende Maßnahmen?

Prof. Steinmann: „Ja, es gibt sogenannte Antimykotika. Wenn möglich, sollten die befallen Gewebe und Organe operativ vom Pilzbefall befreit werden, was in vielen Fällen nicht möglich ist. Medikamentös wird teilweise eine Kombinationstherapie verabreicht, die jedoch Nebenwirkungen verursachen kann. Trotz chirurgischer und medikamentöser Therapie liegt die Letalität – natürlich in Abhängigkeit von der zugrundeliegenden Erkrankung – leider bei rund 40- 80 Prozent.“