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Schädel-Hirn-Trauma nach Sturz: Immer mehr Ältere betroffen

Neue Studie: Neurowissenschaftler raten zu mehr Sturzprävention

Vom leichten Sturz mit dem Fahrrad bis zum schweren Verkehrsunfall: Die Ursachen für ein Schädel-Hirn-Trauma sind vielfältig. Betroffen sind in Deutschland jährlich rund 270.000 Menschen. Etwa 90 % davon werden als leicht, 10 % als mittelschwer oder schwer klassifiziert. Vermehrt betroffen von einem Schädel-Hirn-Trauma ist nach aktuellen Erkenntnissen die Altersgruppe der über 65-jährigen.

Forscher aus zahlreichen beteiligten neurologischen und neurochirurgischen BG Kliniken an den Standorten Bochum, Hamburg, Berlin, Halle, Frankfurt, Ludwigshafen und Murnau haben damit gezeigt, dass eine Verschiebung der am häufigsten betroffenen Altersgruppe stattgefunden hat und hier ein erkennbarer Zusammenhang zwischen der Schwere eines Schädel-Hirn-Traumas, dem Lebensalter und der Ursache besteht. Die wegweisende Studie, an der führend die Neurologische Klinik des BG Universitätsklinikums Bergmannsheil (Direktor: Prof. Dr. Martin Tegenthoff) beteiligt war, wurde jetzt online in der medizinischen Fachzeitschrift BMJ Open publiziert.

Erste große Studie seit mehr als 20 Jahren

Ein Schädel-Hirn-Trauma bezeichnet jegliche Verletzung des Schädels mit oder ohne Fraktur, die mit einer Schädigung des Gehirns einhergeht. Ebenso wie die Ursachen können auch die Symptome sehr vielfältig sein. Sie reichen von Kopfschmerzen, Schwindel und Benommenheitsgefühl bis zur Amnesie oder zu Bewusstseinsstörungen. Schon geringe Verletzungen des Schädels können jedoch Blutungen oder Schwellungen im Gehirn hervorrufen, weshalb ein Schädel-Hirn-Trauma nach einem Unfall unverzüglich untersucht werden sollte. Die Studie zeigt, dass heutzutage als häufigster Auslöser eines Schädel-Hirn-Traumas Stürze ursächlich sind und nicht mehr Verkehrsunfälle. Bei den Verkehrsunfälle hat sich auch eine Verschiebung ergeben: Hier stellen mittlerweile nicht mehr Pkw-Insassen, sondern Fahrradfahrer ohne Helm die größte Gruppe dar.

„Wir registrieren eine deutliche Verschiebung der mehrheitlich betroffenen Altersgruppe hin zu der älteren Generation. Ein Phänomen, das man in nahezu allen Industriestaaten beobachten kann“, erklärt Prof. Dr. Peter Schwenkreis, Oberarzt der Neurologischen Klinik im Bergmannsheil. Erkennbar ist demnach auch ein Zusammenhang hinsichtlich des Alters der Patienten. Gerade bei älteren Frauen und Männern sind Stürze die häufigste Ursache. „Ältere Menschen sind deutlich anfälliger für Stürze und erleiden so schneller ein Schädel-Hirn-Trauma als andere Altersgruppen. Zudem liegt der Schweregrad der Verletzung hier höher“, konkretisiert Prof. Schwenkreis. „Das erklärt auch, warum wir in dieser Altersgruppe einen Anstieg von Todesfällen verzeichnen, die durch eine derartige Verletzung verursacht wurden.“

Eine neurowissenschaftliche Forschungsgruppe der BG Kliniken hat für die Studie die Entstehung, Behandlung und die Folgen für Patienten mit Schädel-Hirn-Trauma beobachtet und ausgewertet. In die Studie eingeschlossen wurden insgesamt 3.514 Patienten. Alle von ihnen wurden im Zeitraum zwischen dem 1. Oktober 2014 und dem 30. September 2015 in einer der beteiligten BG Kliniken versorgt. Voraussetzung war, dass die Versorgung der Patienten innerhalb der ersten 24 Stunden nach dem Erleiden des Schädel-Hirn-Traumas stattgefunden hat. Die Ergebnisse wurden mit zwei verschiedenen Verfahren erhoben: Zum einen durch die Auswertung der Dokumentationsbögen von der Erstversorgung bis zur Rehabilitation, zum anderen fanden standardisierte Telefoninterviews mit den Patienten statt, jeweils 3 und 12 Monate nach Erleiden des Traumas. Seit 2000/2001 wurde in Deutschland keine derart groß angelegte Studie zur Entstehung von Schädel-Hirn-Traumata mehr veröffentlicht.

Banale Maßnahmen können große Wirkung erzielen

Da mittelschwere bis schwere Schädel-Hirn-Traumata häufiger bei älteren Menschen auftreten, sieht die Forschungsgruppe hier einen gesonderten Bedarf für mehr Präventionsarbeit. „Vorstellbar sind hier Trainingsmaßnahmen zum sicheren Gehen, das geschulte Verwenden von Gehhilfsmitteln oder die Umgestaltung der Wohnung durch das Entfernen von Stolperfallen. So banal diese Maßnahmen klingen, sie können schwerwiegenden Verletzungen vorbeugen“, sagt Prof. Schwenkreis. „Die Fortschritte beim Insassenschutz von Pkw-Fahrern haben eine deutlich nachweisbare Wirkung gezeigt“, erläutert er weiter. Nun komme es darauf an, den Schutz von Fußgängern und Radfahrern im Rahmen der sich anbahnenden Mobilitätswende umzusetzen.

Originalarbeit

Peter Schwenkreis, Andreas Gonschorek, Florian Berg et al.: Prospective observational cohort study on epidemiology, treatment and outcome of patients with traumatic brain injury (TBI) in German BG hospitals, in: BMJ Open, 2021, DOI: 10.1136/bmjopen-2020-045771, https://bmjopen.bmj.com/content/11/6/e045771

Über das Bergmannsheil

Das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil zählt zu den größten Akutkliniken der Maximalversorgung im Ruhrgebiet. 1890 als erste Unfallklinik der Welt zur Versorgung verunglückter Bergleute begründet, vereint das Bergmannsheil heute 23 hochspezialisierte Kliniken und Fachabteilungen unter einem Dach. Rund 2.200 Mitarbeiter stellen die qualifizierte Versorgung von rund 84.000 Patienten pro Jahr sicher.

Das BG Universitätsklinikum Bergmannsheil gehört zur Unternehmensgruppe der BG Kliniken. Die BG Kliniken sind spezialisiert auf die Akutversorgung und Rehabilitation schwerverletzter und berufserkrankter Menschen. In neun Akutkliniken, einer Klinik für Berufskrankheiten und zwei Ambulanzen versorgen über 14.000 Beschäftigte mehr als 560.000 Fälle pro Jahr. Träger der BG Kliniken sind die gewerblichen Berufsgenossenschaften und Unfallkassen. Weitere Informationen: www.bergmannsheil.de, www.bg-kliniken.de