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Biosignale präzise messen: Informatiker erleichtern die Positionierung von Elektroden am Körper
Vielen ist es aus der Medizin bekannt: Um Biosignale wie den Herzschlag oder Muskelkontraktionen zu messen, müssen Sensorelektroden auf der Haut platziert werden. Bisher war das eine Aufgabe für Experten, denn die Qualität der erhaltenen Messungen hängt maßgeblich von der korrekten Positionierung dieser Elektroden ab. Informatiker der Universität des Saarlandes haben ein Verfahren entwickelt, das diesen Prozess für eine bestimmte Körperzone mit nur wenigen Mausklicks automatisiert.
Ihre Ergebnisse veröffentlichen sie nun in dem international renommierten Fachmagazin Nature Communications.
Ob im Sport, der Rehabilitation oder für neuartige IT-Anwendungen: Genau erfasste Biosignale wie Herzschlag oder Muskelaktivität sind wichtig um Leistung zu messen, gesundheitlichen Fortschritt sicherzustellen und können sogar genutzt werden, um Computer zu steuern. Elektrophysiologische Sensorelektroden, die auf der Haut angebracht werden, erfassen diese Signale. „Die manuelle Platzierung dieser Elektroden erfordert anatomische Kenntnisse und beruht auf einer Reihe medizinischer Leitfäden, die beschreiben, an welchen Stellen die besten Signale abgegriffen werden können“, erklärt Aditya Shekhar Nittala, Doktorand in der Forschungsgruppe zur Mensch-Maschine-Interaktion von Professor Jürgen Steimle am Saarland Informatics Campus.
Manche Anwendungsfälle stellen besondere Anforderungen an die Positionierung der Sensorelektroden: So kann es im Leistungssport für die Kontrolle von Trainingserfolgen nötig sein, dass gleichzeitig mehrere Biosignale erfasst werden, ohne dabei die Bewegungsfreiheit des Trägers einzuschränken. „In so einem Fall greifen viele verschiedene Variablen ineinander, sodass es auch für Experten eine große Herausforderung ist, mit vertretbarem Zeitaufwand gute Messergebnisse zu erzielen“, ergänzt Aditya Nittala. Als Teil seiner Doktorarbeit über computerbasiertes Design hat er nun ein Verfahren entwickelt, das mit nur wenigen Mausklicks in Sekundenschnelle ein Elektroden-Layout errechnen kann, um am Unterarm gleichzeitig Muskelaktivitäten (EMG), die Leitfähigkeit der Haut (EDA), und die Herzspannungskurve (EKG) zu messen.
Jürgen Steimle, Informatik-Professor der Universität des Saarlandes und Experte für Mensch-Maschine-Interaktion, erklärt dazu: „Wir zeigen, dass ein Optimierungsansatz verwendet werden kann, um kompakte, tragbare Geräte zu entwickeln, die mehrere Biosignal-Modalitäten messen können. Der Hauptbeitrag liegt hier nicht nur in der Anwendung geometrischer Optimierung zur Lösung des Problems der Elektrodenplatzierung, sondern auch in der Identifizierung, Formalisierung und Integration der Regeln, die der Elektrodenplatzierung für die Messung mehrerer Modalitäten innewohnen“, so der Informatiker. Bisher errechnet das Design-Programm ausschließlich Elektroden-Layouts für den Unterarm, da die Forscher hier auf eine ausgeprägte Datengrundlage zurückgreifen konnten. Mit den passenden Daten ließe sich die Methode aber auch auf andere Körperregionen erweitern.
Die Arbeit unter dem Titel „Computational Design and Optimization of Electro-Physiological Sensors“ wurde nun im international renommierten Fachmagazin Nature Communications veröffentlicht. Neben Aditya Shekhar Nittala und Professor Jürgen Steimle waren Dr. Andreas Karrenbauer vom Saarbrücker Max-Planck-Institut für Informatik sowie Professor Tobias Kraus und Dr. Arshad Khan vom Leibniz Institut für neue Materialien (INM) in Saarbrücken beteiligt. In die Entwicklung der neuen Methode ist zudem der Input unabhängiger Sportexperten eingeflossen.
Ergänzt wird der neue Ansatz durch das Projekt „PhysioSkin“, das ebenfalls in Jürgen Steimles Gruppe entwickelt wird. „PhysioSkin“ ist eine Methode, anhand derer mit handelsüblichen Tintenstrahl-Druckern ultradünne, leitfähige Tattoos hergestellt werden können. Indem man mit dem neuen Tool am Computer ein Elektroden-Layout errechnet und dieses dann anschließend mit „PhysioSkin“ ausdruckt, können schnell und einfach Prototypen für tragbare elektronische Geräte hergestellt werden. So haben die Forscher eine Steuerung entwickelt, die Muskelkontraktionen als Eingabesignale erkennt und so beispielsweise nachvollzieht, wie der Nutzer Liegestütze macht.
Originalpublikation:
Nittala, A.S., Karrenbauer, A., Khan, A. et al. Computational design and optimization of electro-physiological sensors. Nat Commun 12, 6351 (2021). https://doi.org/10.1038/s41467-021-26442-1
Projekt-Webseite mit Demo-Video:
https://hci.cs.uni-saarland.de/projects/computational-design-of-physiological-sensors/
Weitere Informationen:
https://www.nature.com/articles/s41467-021-26442-1
https://hci.cs.uni-saarland.de/projects/physioskin/
https://hci.cs.uni-saarland.de/
Hintergrund Saarland Informatics Campus:
800 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler und rund 2100 Studierende aus mehr als 80 Nationen machen den Saarland Informatics Campus (SIC) zu einem der führenden Standorte für Informatik in Deutschland und Europa. Fünf weltweit angesehene Forschungsinstitute, nämlich das Deutsche Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz (DFKI), das Max-Planck-Institut für Informatik, das Max-Planck-Institut für Softwaresysteme, das Zentrum für Bioinformatik und das Cluster für „Multimodal Computing and Interaction“ sowie die Universität des Saarlandes mit drei vernetzten Fachbereichen und 24 Studiengänge decken das gesamte Themenspektrum der Informatik ab.