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Nach Kinderherz-OP: Wie Eltern ihre Kinder stärken und stützen
Frühe Herzoperation belastet Kinder und Eltern. Kinderherzstiftung bietet hilfreiche Informationen für betroffene Familien
Eine Herzoperation im frühen Kindesalter ist belastend – nicht nur für die Kinder selbst, sondern auch für deren Eltern und Geschwister. Da inzwischen ein Großteil der betroffenen Kinder das Erwachsenenalter erreicht, befassen sich Wissenschaftler zunehmend mit den psychischen Langzeitfolgen früher Herzoperationen. Pro Jahr erfolgen hierzulande etwa 8.000 kinderherzchirurgische Eingriffe zur Behandlung angeborener Herzfehler, darunter etwa die Hälfte bei Kindern unter einem Jahr (Deutscher Herzbericht 2020). „Zwar sind dank des medizinischen Fortschritts Komplikationen heute selten und Sterberaten nach einer Herzoperation im Kindesalter sehr niedrig. Aber ein diagnostizierter Herzfehler und ein operativer Eingriff beim eigenen Kind können die Psyche des Kindes und seine Familie sehr belasten“, erklärt Prof. Dr. med. Thomas Voigtländer, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Herzstiftung. Daher sollten vermehrt die psychischen Langzeitfolgen sowie die Lebensqualität der Betroffenen in den Fokus rücken, fordert der Kardiologe. Erste Ergebnisse einer von der Herzstiftung geförderten Studie zeigen, dass sich ein Großteil der Kinder gut entwickelt und kaum Beeinträchtigungen zeigt. Das Erleben und Verhalten der Mütter können dabei die psychisch gesunde Entwicklung der Kinder unterstützen.
Wie Eltern ihre Kinder in der schwierigen Zeit nach der Operation stärken können, schildern die Psychologinnen PD Dr. Anna Eichler und Jennifer Gerlach an der Kinder- und Jugendabteilung für Psychische Gesundheit in der Psychiatrischen und Psychotherapeutischen Klinik am Universitätsklinikum Erlangen in der aktuellen “herzblatt”-Ausgabe 4/2021. Ein Probeexemplar dieser Ausgabe kann kostenfrei bei der Herzstiftung angefordert werden unter Tel. 069 955128-400 oder per Mail unter bestellung@herzstiftung.de. Informationen für Eltern herzkranker Kinder bietet die Kinderherzstiftung kostenfrei unter www.herzstiftung.de/leben-mit-angeborenem-herzfehler
Eltern unter Dauerstress
Eltern von Kindern mit angeborenen Herzfehlern sind mit besonderen emotionalen Herausforderungen konfrontiert: In der Regel löst die Diagnose starke Gefühle aus, die nicht selten in einem „emotionalen Zusammenbruch“ münden. Mehr als 80 Prozent der Eltern berichten in dem Zeitraum vor und nach der Operation von Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Bis zu 50 Prozent entwickeln Anzeichen einer Depression oder einer Angststörung. Nicht selten kommen zu den Ängsten und der Sorge ums Kind finanzielle oder partnerschaftliche Probleme. „Eltern von herzkranken Kindern stehen unter Dauerstress“, betont die Psychologin Jennifer Gerlach. Dabei hätten Studien gezeigt, dass Mütter von den Belastungen stärker betroffen sind als ihre Partner. Sie litten häufiger unter Stress, Angst und Depressionen als die Väter. „Die Mutter-Kind-Beziehung wird durch belastende Klinikaufenthalte und invasive medizinische Behandlungen wie Operationen gestört“, erläutert Gerlach. Die mütterliche Feinfühligkeit werde durch die eigene Belastung beeinträchtigt – und damit auch die Art und Weise, wie sie auf die Bedürfnisse des Kindes reagiere.
Stabile Mütter als Schutzfaktor für Kinder
Welche psychischen Folgen eine frühe Operation möglicherweise haben kann, untersucht eine Studie des Universitätsklinikums Erlangen, die 2015 startete und von der Deutschen Herzstiftung gefördert wird. Sie untersucht und begleitet 39 Kinder, die mit einem Ventrikulären Septumdefekt (VSD), also einem Loch in der Herzscheidewand, geboren wurden, sowie deren Mütter. Alle Kinder wurden in den ersten drei Lebensjahren operiert. Die Ergebnisse der ersten Erhebungswelle machen Mut: Im Durchschnitt waren die 39 beteiligten Kinder im Grundschulalter kognitiv und motorisch altersgerecht entwickelt. Auch psychisch waren die meisten Kinder stabil, ihr Wohlbefinden glich dem der nicht-betroffenen Kontrollgruppe. Allerdings beobachteten die Forscherinnen vereinzelt stärkere Ängste bei Kindern, deren Mütter vermehrt von eigenen Ängsten berichtet hatten. „Das bedeutet, dass die Ängste der Mütter einen Risikofaktor darstellen, der mit mehr Ängsten bei den operierten Kindern einhergeht“, erläutert Studienleiterin und Psychologin Priv.-Doz. Anna Eichler. In der Kontrollgruppe sei dieser Zusammenhang weniger zu beobachten. Eine Unterstützung der betroffenen Familien, insbesondere der Mütter, kann daher die weitere Entwicklung der Kinder positiv beeinflussen.
Informieren, austauschen, Unterstützung annehmen
Um die Sorgen und Ängste möglichst gering zu halten, raten die Psychologinnen dazu, sich über die Diagnose und die Behandlung so gut wie möglich zu informieren. „Eltern, die die Diagnose und das Prozedere verstehen, können den Stress in der Situation reduzieren“, betont Anna Eichler. Doch auch der Austausch mit anderen Betroffenen sowie die psychosoziale Unterstützung sind wichtige Schutzfaktoren, um Eltern zu stabilisieren und damit auch die Ängste bei den Kindern zu reduzieren. Hier sind die Info-Angebote der Kinderherzstiftung unter www.herzstiftung.de/leben-mit-angeborenem-herzfehler hilfreich:
- Informationen einholen: Wer über Diagnose und Behandlung Bescheid weiß, empfindet weniger Unsicherheit und Stress. In der Online-Sprechstunde der Kinderherzstiftung beantworten Experten Fragen von Eltern herzkranker Kinder.
- Austausch mit anderen Betroffenen: Das Gespräch über Erfahrungen und Gefühle wie Ängste, Trauer, Sorgen und Wut kann entlasten. Andere betroffene Eltern finden Sie zum Beispiel über Elterninitiativen oder Selbsthilfegruppen.
- Psychologische Hilfe annehmen: Auf vielen kinderkardiologischen Stationen gibt es Psychologen, die Eltern und Kinder während der Behandlung begleiten und beraten. Nach der Zeit im Krankenhaus haben Familien schwerkranker Kinder zudem Anspruch auf sozialmedizinische Nachsorge, die auch die Unterstützung der Eltern umfasst.
Erlanger Studie erforscht Risiko- und Schutzfaktoren herzkranker Kinder
Die erste Erhebung der 39 Familien VSD-operierter Kinder im Jahr 2015 konnte bereits verschiedene Schutz- und Risikofaktoren für die kindliche Entwicklung nach einer Herzoperation aufzeigen. Bei der zweiten Erhebung, die im Jahr 2020 startete, werden auch die inzwischen jugendlichen Kinder selbst zu ihrem Befinden befragt. Das Forschungsprojekt zielt unter anderem darauf ab, Familien vor einer Operation angemessen zu beraten. Der Titel der von der Herzstiftung mit 58.000 Euro geförderten Studie lautet „Psychische Gesundheit und Entwicklungsstand nach früher operativer Ventrikelseptumdefekt (VSD)-Korrektur: Risiko- und Schutzfaktoren im Kindes- und Jugendalter“.
Die Forscherinnen betonen, dass eine soziale Unterstützung sowie der Zusammenhalt in der Familie den Stress der Mütter und Väter herzkranker Kinder reduzieren kann. Zudem trage ein „proaktiver Erziehungsstil“, bei dem sich Eltern im Alltag eng mit dem Kind austauschen, zu einer gesunden Entwicklung der Kinder bei. (CME)