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Herz-Schutz bei rheumatoider Arthritis: Zwischen Therapiewahl und neuen Strategien

Original Titel:
ORAL Surveillance Investigators. Cardiovascular and Cancer Risk with Tofacitinib in Rheumatoid Arthritis.

DGP – Die antirheumatische Therapie bei der rheumatoiden Arthritis (RA) könnte über anti-inflammatorische Prozesse auch positiv auf erhöhte Herz-Kreislauf-Risiken bei der RA einwirken. Jedoch gibt es hierbei noch viele offene Fragen zur optimalen Rheumatherapie mit kardioprotektiven Effekten, wie neuere Studien zeigen, jedoch auch Hinweise darauf, welche Strategien zukünftig eine stärkere Rolle in der Herz-schützenden RA-Behandlung spielen könnten.


Eine antiinflammatorische Therapie der rheumatoiden Arthritis (RA) sollte positiv auf chronische Entzündungsprozesse als Risikofaktor für Herz-Kreislauf-Erkrankungen einwirken – solche Erkrankungen stellen schließlich 50 % des erhöhten Sterbe- und Morbiditätsrisikos bei der RA dar (Hannawi 2021). Gerade bei bestehenden Risikofaktoren wäre also die Rheuma-Therapie essenziell zum Schutz der Herz-Kreislauf-Gesundheit. Jedoch zeigte ein Vergleich der kardiovaskulären Ereignisse (MACE) bei Patienten in antirheumatischer Behandlung hierbei einen Unterschied zwischen verschiedenen Behandlungsansätzen.

Kardiovaskuläre Risiken bei RA: Komplexe Interaktion zwischen Inflammation und weiteren Risikofaktoren

In der Studie (Ytterberg et al. 2021) wurden Patienten ab 50 Jahren mit mindestens einem weiteren Risikofaktor für Krebserkrankungen bzw. MACE über 5 Jahre nachverfolgt. Die Hälfte der Patienten wurde mit TNF-Inhibitoren (Adalimumab oder Etanercept) behandelt, die andere Hälfte mit JAK-Inhibitoren (Tofacitinib). Die Open-Label durchgeführte Untersuchung erfasste die Zahl kardiovaskulärer Ereignisse und analysierte Unterschiede zwischen beiden Medikamentenklassen.

Dies entsprach einer Number-needed-to-harm von 113. Für einen zusätzlichen MACE-Fall mit dem JAK-Inhibitor müssten also 113 Patienten zusätzlich über 5 Jahre mit diesem Medikament statt einem TNF-Inhibitor behandelt werden. (Ytterberg 2021)

Während dies auf ein recht überschaubares Risiko in einer Gruppe mit bekannten Risikofaktoren schließen lässt, ist nun die wesentliche Frage: Was führt zu dieser Differenz, Probleme der JAK-Inhibitoren oder vielmehr kardioprotektive Effekte der TNF-Inhibitoren, die somit einen eventuellen Vorteil dieser Klasse statt eines Nachteils der anderen aufzeigen?

JAK- und TNF-Hemmer: Unterschiedliches Herz-Risikoprofil oder unterschiedlich protektiv?

Die Rolle des Immunsystems in der Pathogenese kardiovaskulärer Erkrankungen ist inzwischen besser, allerdings noch nicht umfassend verstanden. Pro-inflammatorische Zytokine, die wesentliche Treiber der rheumatoiden Arthritis darstellen, verstärken auch Gefäßprobleme. Eine Reihe von Beobachtungsstudien zeigte, dass höhere RA-Krankheitsaktivität mit kardiovaskulären Outcomes assoziiert ist. Zudem korreliert die Aktivität der RA direkt mit der kardialen Funktion. Das durch die systemische Inflammation vermittelte Risiko scheint unabhängig von der Zahl traditioneller Risikofaktoren, wie Diabetes, Bluthochdruck oder Adipositas, zu sein. Die Behandlung der RA muss daher die Remission zum Ziel haben, um den inflammatorischen Zustand effektiv zu bekämpfen und so nicht nur die Gelenke, sondern auch die Herz- und Gefäßfunktion zu schützen (Ahmed et al., 2021).

Kritische Faktoren beim Angriff der RA auf das kardiovaskuläre System stellen nach bisherigem Verständnis TNF-α, IL-17, IL-18 und IL-33 dar, die ein pro-inflammatorisches, pro-thrombotisches und pro-koagulierendes Umfeld schaffen. TNF-α beeinflusst beispielsweise den Lipidmetabolismus durch Stimulierung der Triglyzerid-Produktion in der Leber. Darüber hinaus ist die rheumatoide Arthritis durch endotheliale Dysfunktion charakterisiert, die sich im Verlauf der Erkrankung zu entwickeln scheint. Auch hierbei scheint unter anderem TNF-α eine Rolle zu spielen. Ein weiterer Aspekt, der Herz-Kreislauf-Risiken zugrunde liegt, ist oxidativer Stress (England et al., 2018). Höhere Konzentrationen von TNF-α könnten darüber hinaus die klassischen kardiovaskulären Risikofaktoren wie Diabetes und Dyslipidämie bei RA-Patienten verstärken (Ahmed et al., 2021). Entsprechend könnten TNF-Inhibitoren positiv auf das kardiovaskuläre Risiko bei der rheumatoiden Arthritis einwirken.

Eine Meta-Analyse schätzte eine 30%ige Reduktion des Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse bei RA-Patienten mit TNF-Inhibitoren, besonders bei Myokardinfarkt und Schlaganfall (England et al., 2018). Allerdings könnte dies nicht für alle Patientengruppen gleichermaßen gelten und sich je nach Dauer der Nachbeobachtung unterscheiden, fanden Solomon et al. (2013) im Vergleich mit nicht-biologischen krankheitsmodifizierenden antirheumatischen Therapien (Hydroxychloroquin, Leflunomid oder Sulfasalazin): eine 20-30%ige Reduktion kardiovaskulärer Ereignisse mit TNF-Inhibitoren in den ersten 6 Monaten blieb im Therapievergleich nach 12 Monaten nicht bestehen (Solomon et al., 2013).

Kardio-Schutz: Nicht nur durch Senkung der Krankheitsaktivität

Die neue Analyse über 5 Jahre von Ytterberg et al. ist in diesem Kontext besonders interessant, lässt jedoch einige Fragen unbeantwortet. So ist die Rolle von Protektion versus Schaden in diesem Vergleich nicht zu klären. Auch wäre eine gezielte Analyse der Patienten in Kombinationsbehandlungen, z.B. mit dem als kardioprotektiv bekannten Methotrexat, und in Monotherapie wünschenswert, um Kardioprotektion und Antiinflammation besser voneinander abzugrenzen. Da bislang keine einzelne Therapie eine optimale Atheroprotektion bei der RA bietet, wird die Untersuchung von Kombinationstherapien in Zukunft eine besondere Rolle spielen. Darüber hinaus stehen große, prospektive Studien aus, die das kardiovaskuläre Risiko bei der RA umfassend und gezielt therapeutisch, begleitend zur krankheitsmodifizierenden antirheumatischen Therapie, angehen, statt es nur als Nebenschauplatz zu betrachten.

 

Referenzen:

Ahmed S, Jacob B, Carsons SE, De Leon J, Reiss AB. Treatment of Cardiovascular Disease in Rheumatoid Arthritis: A Complex Challenge with Increased Atherosclerotic Risk. Pharmaceuticals (Basel). 2021 Dec 22;15(1):11. doi: 10.3390/ph15010011. PMID: 35056068; PMCID: PMC8778152. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35056068/

England BR, Thiele GM, Anderson DR, Mikuls TR. Increased cardiovascular risk in rheumatoid arthritis: mechanisms and implications. BMJ. 2018 Apr 23;361:k1036. doi: 10.1136/bmj.k1036. PMID: 29685876; PMCID: PMC6889899. https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC6889899/

Hannawi SM, Hannawi H, Al Salmi I. Cardiovascular Risk in Rheumatoid Arthritis: Literature Review. Oman Med J. 2021 May 31;36(3):e262. doi: 10.5001/omj.2021.25. PMID: 34164156; PMCID: PMC8204633. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34164156/

Johnson TM, Sayles HR, Baker JF, George MD, Roul P, Zheng C, Sauer B, Liao KP, Anderson DR, Mikuls TR, England BR. Investigating changes in disease activity as a mediator of cardiovascular risk reduction with methotrexate use in rheumatoid arthritis. Ann Rheum Dis. 2021 Nov;80(11):1385-1392. doi: 10.1136/annrheumdis-2021-220125. Epub 2021 May 28. PMID: 34049859; PMCID: PMC8516691. https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/34049859/

Ytterberg SR, Bhatt DL, Mikuls TR, Koch GG, Fleischmann R, Rivas JL, Germino R, Menon S, Sun Y, Wang C, Shapiro AB, Kanik KS, Connell CA; ORAL Surveillance Investigators. Cardiovascular and Cancer Risk with Tofacitinib in Rheumatoid Arthritis. N Engl J Med. 2022 Jan 27;386(4):316-326. doi: 10.1056/NEJMoa2109927. PMID: 35081280.

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